K. Rüdiger Durth
Lebendigere Parlamentsdebatten
Berliner Abgeordnetenhaus diskutiert neue
Geschäftsordnung
Nun liegt sie im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses von
Berlin, die seit etwa anderthalb Jahren geplante Reform der
Geschäftsordnung für die 141 gewählten
Volksvertreter des Landes Berlin. Eigentlich sind sich die
fünf Fraktionen - SPD, CDU, PDS, FDP und Grüne - einig.
Sie wollen die Rede- und Diskussionsfreude im ehemaligen
Preußischen Landtag, wo das Hohe Haus unter Vorsitz des
ehemals Regierenden Bürgermeisters Walter Momper untergebracht
ist, eingrenzen. Doch wenn es um die Einzelheiten geht, endet die
Gemeinsamkeit schnell.
So bestehen die Grünen darauf, dass sich in der neuen
Geschäftsordnung beide Geschlechter wiederfinden. Das regt
viele Mitglieder der anderen Parteien auf, die fürchten, dass
sich die Geschäftsordnung ebenso "schrecklich wie langweilig"
lese, zumal solche Papiere ohnehin keine literarische Freude
verursachten. Gegenwärtig sucht man nach Lösungen, wie
vermieden werden kann, künftig immer wieder zu lesen: "Die
Abgeordnete/der Abgeordnete." Immerhin gibt es im Plural keine
Probleme zwischen den Parteien. Denn für rot und grün
sowie für schwarz und gelb heißt es gleichermaßen
"die Abgeordneten".
Die Berliner Abgeordneten haben das gleiche Problem wie ihre
Kollegen im Deutschen Bundestag. Sie können einfach ihre
einmal gewählte Präsidentin oder Präsidenten
für die Dauer einer Legislaturperiode nicht mehr
abwählen. Nicht zuletzt hatten die Grünen gehofft, das
Problem im Rahmen der Neuordnung der Geschäftsordnung
lösen zu können. Doch das Thema ist vom Tisch. Es findet
sich keine erforderliche Mehrheit für eine solche
Änderung.
Die Grünen haben dabei selbstverständlich den
amtierenden Präsidenten im Auge, den sie im Verdacht haben,
Amt und Beruf nicht immer genau zu trennen. Dass die Grünen
Momper nicht immer grün sind, hat etwas mit der gemeinsamen
politischen Vergangenheit zu tun. Zur Wendezeit stand Momper einem
rot-grünen Senat vor. Es gab reichlich Ärger.
Ungelöst ist auch noch die Frage, ob das Abgeordnetenhaus
weiterhin erst ab 13 Uhr tagen soll. Und zwar immer donnerstags,
wie sich dies seit einem halben Jahrhundert eingebürgert hat.
Die Folgen sind den Mitgliedern allgegenwärtig. Nicht selten
verhakt man sich bis Mitternacht in Hauptstädtisches oder oft
auch sehr Lokales. Wenn man dagegen schon um 10 oder 11 Uhr mit den
Plenarsitzungen beginnen könnte...
Bei dieser Frage spielt auch der Rundfunk Berlin Brandenburg
(RBB) wegen der Übertragungszeiten eine Rolle. Je früher
das Abgeordnetenhaus tagt, desto weniger kommt der Sender bei
Übertragungen nicht in Konflikt mit seinem Abendprogramm.
Sender gegen das Prinzip des Halbtags-Parlaments? Man wird sich
einigen (können).
Doch der Einwand folgt auf dem Fuß. Es gebe Kolleginnen und
Kollegen, so argumentieren zahlreiche Mitglieder des
Abgeordnetenhauses, die müssten tagsüber arbeiten. Da sei
es schon für sie wichtig, wenigstens den gesamten
Donnerstagvormittag ihrem Beruf nachgehen zu können. Man wird
sehen, ob und wie man sich im Rechtsausschuss einigen kann.
Die Redezeit, soviel steht bereits fest, soll verkürzt
werden. Bei Großen Anfragen von bislang zehn auf fünf
Minuten, in Aktuellen Stunden von 15 auf zehn Minuten. In den
beliebten Fragestunden dürfen bislang vier Nachfragen gestellt
werden, künftig sollen es nur noch zwei sein. Auf diese Weise
können mehr Fragen zu unterschiedlichen Sachthemen gestellt
werden.
Das alles wird von manchem Abgeordneten viel Disziplin
verlangen, vor allem von denen, die es bislang nicht gewohnt waren,
sich kurz zu fassen - es sei denn, sie werden im Rechtsausschuss
die mit großer Mehrheit verabredeten Kürzungen der
Redezeiten wieder zu Fall bringen. Doch damit rechnet
gegenwärtig niemand. Zumal die Befürworter einer Reform
der Geschäftsordnung nicht nur sich selbst, sondern auch die
Öffentlichkeit im Blick hat. Je kürzer die Reden und je
mehr Themen abgehandelt werden, desto interessanter wird das Plenum
auch für die Bürger.
Auch in Zukunft werden die Plenarsitzungen mit der Fragestunde
beginnen, der sich eine Aktuelle Stunde anschließt. Dann
folgen die Schwerpunktthemen. Künftig sollen die Fraktionen -
unabhängig von ihrer Größe - solche Themen im
Wechsel auf die Tagesordnung setzen können. Auch dadurch soll
das Parlament lebendiger werden.
Im Abgeordnetenhaus ist man zuversichtlich, dass sich die
Fraktionen bis zur parlamentarischen Sommerpause (Beginn ist der
27. Juni) geeinigt haben und einem möglichst einmütigen
Ja im Plenum nichts mehr im Wege steht. Einschließlich der
Geschlechterfrage im Text.
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