|
|
Volker Koop
Die Diskussion um ein Tempolimit auf Autobahnen
ist neu entflammt / Von Volker Koop
Mit elektronischer Steuerung für mehr
Sicherheit
Der so genannte "Autobahnraser-Prozess" hat in
der Öffentlichkeit die Diskussion um eine allgemeine
Ge-schwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen neu entfacht.
Für ein Tempolimit sprechen sich die einen aus, "freie Fahrt
für freie Bürger" sagen die anderen und verweisen darauf,
dass es im vergangenen Jahr im Straßenverkehr so wenig
Todesopfer gegeben hat, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Werden
also die deutschen Autofahrer sich an Verhältnisse
gewöhnen müssen, wie es sie in anderen Ländern seit
langem gibt, oder können sie zumindest auf Autobahnen zeigen,
was in ihren Motoren steckt?
Das Problem der Raser und Drängler werde
man mit einem Tempolimit nicht in den Griff bekommen, ist die
Überzeugung des CSU-Bundestagsabgeordneten Eduard Oswald. Auch
auf den heute schon geschwindigkeitsbegrenzten Bundesstraßen
komme es immer wieder zu ähnlichen Verkehrsstößen
wie auf der A 5, und bedauerlicherweise werde man wohl nur etwas
über härtere Sanktionen erreichen können. Vom
generellen Tempolimit auf Autobahnen hält der Vorsitzende des
Verkehrsausschusses nichts und begründet seine Haltung so:
"Die deutschen Autobahnen gehören im europäischen
Vergleich zu den sichersten Straßen. Im Verhältnis zum
hohen Verkehrsaufkommen haben sie eine geringere
Unfallhäufigkeit als die Bundesstraßen. Außerdem
sind die Autobahnen heute schon zu einem großen Teil
geschwindigkeitsbegrenzt." Nach Auffassung von Oswald sollten daher
weiterhin überall dort, wo Gefahrensituationen auf den
Autobahn dies erforderten, Tempolimits angeordnet werden. Auf
freien, übersichtlichen Strecken würde bei den
Verkehrsteilnehmern die notwendige Akzeptanz fehlen, ein nicht
gerechtfertigtes allgemeines Tempolimit einzuhalten. Oswald:
"Verkehrsvorschriften, die sich nicht an den Realitäten des
Verkehrsgeschehens orientieren, werden immer wieder zu
Übertretungen verleiten." Gerade zur Verbesserung der
Sicherheit im Straßenverkehr sei deshalb ein Rechtsrahmen, der
von den Verkehrsteilnehmern mitgetragen werde,
nötig.
Der erwähnte "Autobahnraser-Prozess"
könne die Forderung nach einem generellen Tempolimit auf
Autobahnen nicht begründen, ist auch die Überzeugung des
CDU-Verkehrsexperten Gero Storjohann. Vor dem Hintergrund der
Tatsache, dass die Zahl der Unfalltoten im vergangenen Jahr stark
gesunken sei, verwundere dieses Verlangen schon ein wenig, denn
weder Aspekte der Verkehrssicherheit noch des Umweltschutzes
gäben hierzu Anlass. Storjohann: "Auch der tragische Unfalltod
der Mutter mit ihrem Kind durch einen Testfahrer nahe Karlsruhe
ändert hieran nichts. Jemand, der sich grob verkehrswidrig und
rücksichtslos nicht an die geltende Rechtsordnung hält,
wird sich auch durch ein bestehendes Tempolimit nicht von einer
Geschwindigkeitsüberschreitung abhalten lassen. Leider werden
solche Übertretungen aber vielfach nicht nur von
Autobahnrasern begangen, sondern häufig von
Verkehrsteilnehmern, die den Sinn eines angeordneten Tempolimits
nicht erkennen." Der Parlamentarier plädiert daher für
den vermehrten Einsatz von rechnergestützten, intelligenten
Verkehrsleitsystemen, die den Verkehr in Abhängigkeit von
seiner Dichte regelten. Hierdurch könne schnell Abhilfe
geschaffen werden, da dem Autofahrer die Notwendigkeit für die
Einhaltung einer situationsangepassten Geschwindigkeit deutlich vor
Augen geführt werde. Nachdrücklich spreche er sich daher
für mehr "elektronische Schilderbrücken" auf deutschen
Autobahnen aus. Ferner sei die Verbesserung der Fahrzeugsicherheit
durch eine moderne Fahrzeugtechnik zwingend notwendig, um zu einer
weiteren Senkung der Unfallzahlen zu kommen.
Zweifel daran, dass sich grobfahrlässige
Verhaltens-weisen im Straßenverkehr durch Verbote und
Vor-schriften zuverlässig verhindern lassen, äußert
Horst Friedrich. Für den verkehrspolitischen Sprecher der
FDP-Bundestagsfraktion darf ein tragischer Unfall wie auf der A 5
nicht den Blick dafür verstellen, dass die Autobahnen die
sichersten Straßen in Deutschland sind. Über ein Drittel
des gesamten Kraftfahrzeugverkehrs finde auf den Autobahnen statt,
jedoch nur zwölf Prozent der Verkehrsunfälle mit
Todesopfern. Gleichzeitig müsse man sehen, dass insgesamt die
Zahl der Todesopfer im Straßenverkehr stark
rückläufig sei. Friedrich: "Kamen 1979 noch fast 20.000
Menschen auf den Straßen der alten Bundesrepublik ums Leben,
war es 2002 in Gesamt-Deutschland nur noch ein Drittel davon. Das
sind im-mer noch zu viele, aber wir sollten die positive
Entwicklung erkennen. Hinzu kommt: 95 Prozent aller Unfälle
geschehen in einem Bereich bis 100 km/h. Die
Durchschnittsgeschwindigkeit auf den unlimitierten deutschen
Autobahnstrecken liegt jedoch unter 120 km/h. Andere
europäische Länder, die ein Tempolimit auf den Autobahnen
eingeführt haben, weisen übrigens keine erhöhte
Sicherheit auf. Die Zahl der tödlich Verunglückten liegt
etwa in Italien bei 13,5 pro einer Milliarde gefahrener
Autobahn-Kilometer, in Österreich bei 8,1 und in Frankreich
bei 5,5. In Deutschland sind es 4,5 Tote pro einer Milliarde
gefahrener Autobahn-Kilometer." Das kriminelle Verhalten in einem
Einzelfall, so der FDP-Abgeordnete weiter, könne nicht der
Anlass für eine generelle Verbotsregelung sein, deren Nutzen
nicht belegbar sei. Die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h habe sich
insgesamt bewährt. Etwa 40 Prozent des Autobahnnetzes seien
überdies schon jetzt dauernd oder zeitweise tempobegrenzt. Die
Frage der angemessenen Geschwindigkeit sollte man nicht generell,
sondern nur in Abhängigkeit vom Verkehrsaufkommen beantworten.
Horst Friedrichs Forderung daher: "Systeme, die eine
aufkommensabhängige Verkehrssteuerung und Temporegulierung
erlauben, sollten weiter ausgebaut werden. Solche elektronischen
Anlagen ermöglichen es, Geschwindigkeit oder
Überholverbote situationsbezogen zu regeln. Das leistet einen
wichtigen Beitrag zum angepassten Fahrverhalten."
Wenn derzeit über die Einführung
eines allgemeinen Tempolimits gesprochen werde, dann sei dies nicht
nur auf den Prozess gegen den "Drängler von Karlsruhe"
zurückzuführen, sondern die Automobilindustrie selbst
habe diese Diskussion mit heraufbeschworen. Dies ist die
Überzeugung von Reinhard Weis, verkehrspolitischer Sprecher
der SPD-Bundestagsfraktion. "Serienlimousinen mit über 500 PS
und Spitzengeschwindigkeiten von über 300 km/h sind nicht mehr
für den Alltagsverkehr ausgerichtet. Die Rekonstruktion des
Unfallgeschehens von Karlsruhe hat gezeigt, dass tatsächlich
im realen Straßenverkehr Versuche gemacht werden, solche
Motor- und Tempoleistungen auch bis an die Leistungsgrenze
praktisch zu erproben. Das ist eine - wie wir inzwischen wissen -
tödliche Gefahr für die Sicherheit auf unseren
Autobahnen." Auf den Bundesautobahnen werde eine durchschnittliche
tägliche Verkehrsmenge von 48.000 Fahrzeugen gezählt; auf
vielen Strecken sei die rechte Spur von Lastkraftwagen mit
Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h belegt, die ab und zu auch
versuchten, einander zu überholen. Daraus folgten
Geschwindigkeitsunterschiede von über 100 km/h, die nicht mehr
beherrschbar seien - weder für die Rennfahrer noch für
die schwächeren beziehungsweise langsameren
Verkehrsteilnehmer. Das Resümé aus dieser Situation steht
für Reinhard Weis fest: "Es dürfte egal sein, bei welcher
Höchstgeschwindigkeit wirklich eine Grenze gesetzt wird.
Hauptsache ist, dass die Sicherheit auf unseren Straßen, die
durch unverantwortliche Rennfahrerei aufs Höchste
gefährdet ist, verbessert wird. Rennfahrer gehören auf
den Lausitz- oder Hockenheimring - nicht aber auf das
öffentliche Straßennetz."
Zurück zur Übersicht
|