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Detlev Lücke
Regierung verteidigt Reformkurs
Opposition bietet trotz Kritik Kooperation
an
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat am
25. März 2004 in einer Regierungserklärung vor dem
Deutschen Bundestag die vor einem Jahr eingeleitete Agenda 2010 zur
Erneuerung der sozialen Sicherungssysteme und der
Gesundheitspolitik nachhaltig verteidigt sowie die Parteien der
Opposition zur Mitarbeit aufgerufen. Die CDU-Partei- und
Fraktionsvorsitzende Angela Merkel nahm in der Debatte den
Vorschlag auf und bot der Koalition die kritische Kooperation im
Sinne "einer nationalen Kraftanstrengung" für durchgreifende
Strukturreformen in Deutschland an.
Gerhard Schröder hatte zuvor eine
positive Bilanz der von der Bundesregierung in die Wege geleiteten
Reformen gezogen. "Deutschland steht um einiges besser da als noch
vor zwölf Monaten", betonte er. Vor allem wachse die
Wirtschaft erstmals seit drei Jahren wieder, die ökonomische
Stagnation sei überwunden. Das zeige, dass das Land auf dem
richtigen Weg sei: "Wir Deutschen sind bereit und fähig, unser
Land zu reformieren und den Egoismus zu überwunden". Der
Bundeskanzler räumte ein, dass dabei bestimmten
Bevölkerungsgruppen wie den Rentnern viel abverlangt werde.
"Deshalb ist mir keine Entscheidung zur Agenda 2010 so schwer
gefallen wie die, auch Rentnerinnen und Rentner stärker zu
belasten." Der Redner kündigte eine Bildungsoffensive an,
erneuerte die Option auf eine Ausbildungsplatzabgabe der
Arbeitgeber, forderte einen ständigen Sitz Deutschlands im
UN-Sicherheitsrat und wandte sich gegen einen Einsatz der
Bundeswehr im Inneren.
Oppositionsführerin Angela Merkel
forderte neue Initiativen in der Steuerpolitik, die durch den Abbau
von Subventionen gewährleistet werden sollen. Sie warf ihrem
Vorredner vor, die "Bodenhaftung" verloren zu haben und die
Ängste und Sorgen der Deutschen nicht ernst zu nehmen.
Gleichzeitig kündigte sie an, CDU und CSU würden ihre
konstruktive Mitarbeit verstärken. "Wir werden mehr
Verantwortung übernehmen, um den Stillstand in diesem Land zu
beenden". Zahlreiche Ankündigungen des Regierungschefs von vor
einem Jahr seien nicht verwirklicht worden. Das betreffe den
Kündigungsschutz ebenso wie Schröders Überlegungen,
betriebliche Bündnisse für Arbeit eventuell auch
gesetzlich zuzulassen. Aus alledem ergebe sich, dass der
Rücktritt der rot-grünen Koalition und Neuwahlen die
beste Lösung der anstehenden Probleme sei.
SPD-Partei- und Fraktionschef Franz
Müntefering warf CDU und CSU vor, kein klares Reformkonzept zu
besitzen und deshalb regierungsunfähig zu sein. Er verteidigte
die Reformagenda 2010 als eine "historische Leistung von
großer Bedeutung". Dem habe die Union nur den Vorschlag einer
Kopfpauschale und "kleine Anmerkungen" zu Rente und Pflege
entgegengesetzt.
Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle lehnte
die von Gerhard Schröder vorgeschlagene Streichung der
Eigenheimzulage ab, weil sie kein Subventionsabbau, sondern eine
versteckte Steuererhöhung sei. Von der Agenda 2010 sei nur
noch ihr Name übriggeblieben.
Katrin-Göring-Eckardt,
Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, verwies
auf die innerliche Zerstrittenheit der Union. Dort heiße es
nur noch: "Alle gegeneinander". In der Reformdebatte würde
ihre Partei entschieden "gegen eine reine Ökonomisierung der
Gesellschaft" eintreten.
Er habe den Eindruck, dass die Regierung
inzwischen vom Reformbedarf Abstand nehmen wolle, unterstrich der
stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Michael Glos. Vor der
letzten Bundestagswahl habe Schröder die Politik der ruhigen
Hand praktiziert. "Ihre Hand ist ruhig geblieben, nur Deutschland
hat das Zittern gelernt". Dem entgegnete der stellvertretende
SPD-Fraktionsvorsitzende Ludwig Stiegler, dass unter der
Vorgängerregierung die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer Jahr um
Jahr gesunken seien, während sie seit 1998 kontinuierlich
stiegen. Wolfgang Gerhardt, FDP-Fraktionsvorsitzender, forderte,
die Wettbewerbfäigkeit Deutschlands, auch im Bildungswesen, zu
erhöhen. Die fraktionslose Abgeordnete Petra Pau wertete die
Agenda 2010 als Abschied der SPD von sozialdemokratischen Urwerten
wie Solidarität und Gerechtigkeit. Die PDS setze dem eine
Agenda Sozial und eine Rentenreform entgegen, die den Namen auch
verdiene.
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