Alexander Weinlein
Bundeswehr bleibt Parlamentsarmee
Auslandseinsätze: Erste Lesung der
Gesetzentwürfe von Koalition und FDP
Zehn Jahre nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hat,
dass alle bewaffneten Auslandseinsätze der Bundeswehr
grundsätzlich einer parlamentarischen Genehmigung
bedürfen, soll dieser so genannte Parlamentsvorbehalt nun auch
gesetzlich verankert werden. Der Deutsche Bundestag beriet am 25.
März in erster Lesung über zwei entsprechende
Gesetzentwürfe der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen (15/2742) und der FDP (15/1985). Die Verfassungsrichter
in Karlsruhe hatten den Bundestag in ihrem Urteil vom 12. Juli 1994
aufgefordert, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen.
Die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe orientieren sich
weitgehend an der Praxis des Beschlussverfahrens zwischen
Bundesregierung und Parlament, das in den vergangenen Jahren bei
rund 30 bewaffneten Auslandseinsätzen der Bundeswehr
angewendet wurde.
"Dieser Parlamentsvorbehalt ist eine deutsche Besonderheit, aber
diese Besonderheit hat sich bewährt. Sie ist Bestandteil
unserer Rechtskultur. Es bleibt dabei: Die Bundeswehr ist und wird
ein Parlamentsheer sein", betonte der SPD-Abgeordnete Gernot Erler,
der den Gesetzentwurf von Sozialdemokraten und Grünen
vorstellte. Die Bundesregierung muss den Bundestag rechtzeitig
über Einsatzauftrag und -gebiet sowie die geplante
Einsatzdauer, über die rechtlichen Grundlagen, die
Höchstzahl der einzusetzenden Soldaten und die
vorraussichtlichen Kosten und deren Finanzierung unterrichten. Der
Bundestag kann dem Antrag zustimmen oder ihn ablehnen;
verändert werden kann der Antrag durch die Parlamentarier
nicht .
Der Gesetzesentwurf von SPD und Grünen sieht jedoch ein
vereinfachtes Zustimmungsverfahren bei so genannten "Einsätzen
geringer Intensität und Tragweite" vor. Demnach gilt die
Zustimmung des Bundestages als erteilt, wenn nicht innerhalb einer
Woche nach Vorlage des Regierungsantrages mindestens eine Fraktion
oder fünf Prozent der Parlamentarier einen förmlichen
Parlamentsbeschluss verlangen. Dieses vereinfachte Verfahren soll
für die Einsätze kleiner Erkundungskommandos oder
einzelner Soldaten im Rahmen von Missionen der UNO, NATO und der EU
gelten. Dieses vereinfachte Verfahren soll auch bei der
Verlängerung von bereits beschlossenen Mandaten angewendet
werden. Neu an der gesetzlichen Regelung ist vor allem ein so
genanntes Rückholrecht, das es dem Bundestag ermöglicht,
seine Zustimmung zu einem Einsatz der Streitkräfte zu
widerrufen - zum Beispiel, wenn sich die Bedingungen des Einsatzes
gravierend verändert haben.
Die FDP geht in ihrem Gesetzesentwurf noch einen Schritt weiter.
Nach ihrer Vorstellung soll ein geheimer "Ausschuss für
besondere Auslandseinsätze" eingesetzt werden, der in
Fällen von Geheimbedürftigkeit, Gefahr in Verzug - dies
betrifft zum Beispiel Geiselbefreiungen - oder bei Einsätzen
im NATO-und EU-Rahmen im Auftrag des gesamten Bundestages eine
Entscheidung fällen darf. Jörg van Essen argumentierte
für die Liberalen, dass bei einem solchen Verfahren auch
Einsätze bei Gefahr in Verzug, die bislang ohne vorherigen
Parlamentsbeschluss von der Bundesregierung angeordnet werden
können, unter die Kontrolle des Bundestages gestellt
würden.
Der Union gehen beide Gesetzesentwürfe nicht weit genug.
Eckart von Klaeden (CDU/CSU) monierte, dass gerade bei
Einsätzen der Bundeswehr innerhalb der schnellen
Eingreiftruppen der NATO und der EU das bisherige
Entscheidungsverfahren zu langsam sei. Für diese Einsätze
sollten deshalb keine konkreten Parlamentsbeschlüsse getroffen
werden, sondern zu Beginn der Legislaturperiode eine Art
Vorratsbeschluss. Die Union will in den weiteren Beratungen einen
eigenen Gesetzentwurf vorlegen.
Für die Grünen wies Winfried Nachtwei den Vorwurf
zurück, das Gesetz verhindere die so genannte
Schnelleinsatzfähigkeit der Bundeswehr bei Einsätzen auf
NATO- oder EU-Ebene. "Da wird, glaube ich, ein Popanz aufgebaut."
Alexander Weinlein
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