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Hartmut Hausmann
Angeblich über 7.200 Vergehen
Cox weist Vorwürfe des Abgeordneten Martin
scharf zurück
Der fraktionslose österreichische EP-Abgeordnete Hans-Peter
Martin, der mit einem in einer deutschen Boulevardzeitung
aufgemachten Skandal über vermeintliche Selbstbereicherung von
Europaabgeordneten Aufsehen erregt hat, versuchte letzte Woche in
Straßburg, Beweise für seine Behauptungen vorzulegen. Er
hatte angeprangert, dass sich viele Abgeordnete in das so genannte
Zentralregister eintragen, das zum Empfang von einem Tagegeld von
262 Euro berechtigt, und dann nicht an der jeweiligen Sitzung des
Parlaments teilnehmen. In einem Brief an Parlamentspräsident
Pat Cox legte Martin jetzt eine Liste mit 7.208 "problematischen
Fällen" vor, in denen seiner Meinung nach Tagegelder
skrupellos eingestrichen wurden. Betroffen sind Abgeordnete aus
allen EU-Ländern und allen Fraktionen, einschließlich
Parlamentspräsident Cox selbst.
Martin hatte in seinem Brief erklärt, dass
Abgeordnetenkollegen neben ihren nationalen Diäten als
Parlamentarier etwa 100.00 Euro im Jahr extra verdienten. Die Summe
setze sich vor allem aus Reisekosten und Tagegeldern zusammen. So
werde bei 150 Tagegeldern im Jahr ein Zusatzeinkommen von 24.000
Euro jährlich netto erzielt. Abgeordnete hätten sich in
ausliegende Anwesenheitslisten eingetragen, obwohl nachweislich
keine Sitzung stattgefunden haben. Andere hätten sich in eine
"Fraktionsphantomsitzung" der SPE eingetragen. Auch sei eine
Eintragung in das Register und die Abreise danach in weniger als
einer Stunde wohl nicht mit der Vorstellung einer sinnvollen
Verwendung von Steuergeldern vereinbar.
Die Mehrheit des Parlaments vertritt dagegen die Auffassung,
dass Tagegelder keine Sitzungsgelder sind. Allein die Anwesenheit
am Arbeitsort - Fraktionssitzungen, das Ausarbeiten von Berichten
oder Änderungsanträgen, Vorträge vor
Besuchergruppen, Sprechstunden, oder Briefe beantworten -
berechtige zum Empfang von Tagegeldern. Dementsprechend
erklärte der Präsident des Europäischen Parlaments,
Pat Cox, es gebe keinerlei Hinweise, dass Abgeordnete gegen die
Regeln verstoßen hätten. Der Fall mit der
Fraktionssitzung werde noch geprüft. Martin warf er vor, eine
Kampagne zu führen, in der die Ehre der Abgeordneten in Frage
gestellt und möglicherweise manche Karriere zerstört
werde. Es sei sehr einfach, den Ruf von öffentlichen Personen
zu beschädigen, aber äußerst schwierig, dagegen
vorzugehen, wenn bestimmte Medien eingeschaltet seien.
In einer scharf formulierten Erwiderung beschuldigte Cox den
fraktionslosen Martin, Kollegen geheim gefilmt und Gespräche
auf Tonbändern aufgezeichnet zu haben. Dies erinnere an
Methoden aus einer anderen Zeit. Deutliche Kritik äußerte
Cox aber auch an der deutschen und der österreichischen
Regierung, die im Januar im EU-Ministerrat das
EU-Abgeordnetenstatut verhindert hatten und auf dessen Grundlage
eine neue Reisekostenregelung geschaffen werden sollte.
Martin verteidigte zwar erneut seine "Bespitzelung" mit der von
ihm gegründeten "Europäischen Transparenz-Initiative".
Ohne Filmaufnahmen hätte er ja keine Beweise antreten
können. Andererseits vermied er aber, Cox zu widersprechen,
dass es sich um Vergehen oder gar kriminelle Handlungen handele,
weil er dann juristisch hätte belangt werden können. Er
wiederholte nur seine Behauptung von "skrupellosem" Zugriff auf
Steuergelder.
Er ahnte wohl, was auf ihn zu kommt. Denn inzwischen haben
mehrere Abgeordnete Klage gegen ihn eingereicht, weil sie sonst
kaum eine andere Chance sehen, die Vorwürfe zu
entkräften. Als erste schaffte es die
baden-württembergische Spitzenkandidatin der SPD, Evelyne
Gebhardt, ein Urteil zu erreichen. Das Landgericht Köln
verfügte nach Angaben Gebhardts unter Androhung von 250.000
Euro Geldstrafe oder sechs Monaten Haft, dass Martin das Ansehen
der Abgeordneten nicht weiter beschädigen dürfe. Das
Gericht stellte fest, dass Martin am 5. März 2004 auf der
Zugfahrt von Brüssel nach Frankfurt/Main wissentlich falsche
Aussagen gegen Evelyne Gebhardt gemacht habe, die als
rufschädigend einzustufen seien. H. H.
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