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Barbara Minderjahn
Eröffnung von Discos und Fitness-Centern mit
Gottes Segen
Malta ist ein durch und durch katholisches
Land
Wer die Kirche als verlassenen Ort kennt, der höchstens
noch als Sehenswürdigkeit vermag, Menschenmassen anzuziehen,
wird sich auf Malta wundern. Schon von weitem lockt die lebhafte
Musik - Orgel und Schlagzeug im Duett - den Besucher in den Bann
der heiligen Messe. Doch wer der Zeremonie beiwohnen will, muss
warten. Viele junge Leute blockieren den Eingang, und nicht immer
bietet der Kirchenraum auch wirklich Platz für alle. "Seit
letztem Jahr veranstalten wir jeden Samstag eine Messe nur für
Jugendliche. Und mittlerweile sind wir damit sehr erfolgreich",
erklärt einer der jungen Messdiener. Und die Schlagzeugerin
der Band fügt hinzu: "Die Religion ist hier nicht nur etwas,
was mit dem Glauben zu tun hat, sondern sie ist auch ein Teil
unserer Tradition".
In der Tat ist Malta ein durch und durch katholisches Land. Und
das auch deswegen, weil die Religion der kleinen Mittelmeerinsel in
der Geschichte zu einer überverhältnismäßigen
Bedeutung verhalf. Malta liegt zwischen dem christlichen Europa auf
der einen und dem heidnischen, später muslimischen Afrika auf
der anderen Seite. Genau diese Lage machte die Insel über
Jahrhunderte zum Rückzugsgebiet und Stützpunkt für
Missionare und Kreuzritter. Der erste Kirchenmann, der Malta
besuchte, war Apostel Paulus. Er landete im Jahre 59 nach Christus
als Schiffbrüchiger auf der Insel und begann die
Christianisierung der Einwohner.
Bollwerk des Abendlandes
200 Jahre später, während der ersten allgemeinen
Christenverfolgung, wurde Malta wieder zum Rettungsanker, diesmal
für sizilianische Christen. In der Zeit zwischen der Teilung
des römischen Reiches im Jahr 395 nach Christus und dem Fall
Konstantinopels versank das Land dann sowohl in religiöser als
auch strategischer Hinsicht in relativer Bedeutungslosigkeit. Erst
als der osmanische Sultan Süleymann sich anschickte, den
ganzen Mittelmeerraum zu erobern, erstarkte Malta wieder zum
Bollwerk des Abendlandes gegen die muslimische Expansion. Der
spanische Kaiser Karl V., dem Malta zu dieser Zeit unterstand, gab
die Insel 1530 den von den Türken in die Enge gedrängten
Kreuzrittern des heiligen Johannes als Lehen.
In den nächsten 250 Jahren bestimmte der Malte-serorden die
Geschicke der Insel. Ihre Herrschaft en-dete erst, als der letzte
Großmeister 1798 kampflos vor Napoleons Soldaten kapitulierte.
Die Johanniter mussten die Insel verlassen. Doch bis heute erinnert
das Wahrzeichen Maltas, das Malteserkreuz, an ihre Macht. Und bis
heute ist die katholische Kirche einer der stärksten
Identitätsstifter des kleinen, europäische und
afrikanische Wurzeln in sich vereinenden Volkes. Überall an
den Straßen findet man Heiligenbilder. Kaum ein Bus fährt
ohne Christusbilder oder Madonnenstatue, selbst Fitness-Center und
Discos werden ohne Gottes Segen nicht eröffnet. Dennoch
befürchten einige, vor allem der maltesische Klerus selbst,
die Kirche könne im Zuge des EU-Beitritts an Einfluss
verlieren. Sie beobachten beinahe mit Sorge, dass die vielen
Patronatsfeste, genauso wie die Kirchen, Katakomben und anderen
christlichen Stätten, mittlerweile zur Touristenattraktion
geworden sind. Denn das, was für die Besucher so ungewohnt und
faszinierend ist, die tiefe Verbindung zwischen dem Heiligen und
Profanen, zwischen Heiligenverehrung und Volksfest, könnte
gerade bei den Jugendlichen zur religiösen
Oberflächlichkeit führen, befürchten sie.
Kirche als Spaßbringer. Das Religiöse als Konsumgut.
Mit Musik und Feuerwerk feiern die Menschen allerdings schon seit
Jahrzehnten ihre dörflichen Schutzpatronatsfeste. Trotzdem
sind die Menschen dadurch nicht weniger gläubig geworden. Aber
die weltliche Macht der Pfarrer und Bischöfe wackelt, vielmehr
könnte das der Hintergrund der kirchlichen Bedenken sein. Vom
maltesischen Essayisten Wignacourt soll der Ausspruch stammen:
"Malta wäre eine entzückende Insel, wenn jeder Priester
ein Baum wäre." Lange stellten die Pfarrgemeinden in
Dörfern und Städten die eigentliche soziale Organisation.
Erst Mitte der 90er-Jahre führte Malta die ersten lokalen
Gemeinderäte ein. Mit dem durch den Anschluss an die EU noch
schneller stattfindenden sozialen Wandel könnte sich auch der
Machtverlust der Kirche beschleunigen. Die jeden Samstag von jungen
Kirchendienern durchgeführte Messe ist auch ein Versuch,
diesen Machtverfall zu stoppen. "Die Menschen brauchen die Kirche.
Man kann zwar auch seinen privaten Glauben haben, aber hier findet
man sich eben in der Gemeinschaft wieder, und das ist wichtig",
sagt der Messdiener, und die Schlagzeugerin ergänzt: "Wir
versammeln uns hier in der Gemeinde, denn das ist der richtige Ort
seinen Glauben zu leben". Barbara Minderjahn
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