Karl-Otto Sattler
Machtkampf in der Südwest-CDU
Baden-Württemberg: Wer wird Teufels
Nachfolge antreten?
Der Machtkampf um die Villa Reitzenstein ist entbrannt:
Günther Oettinger und Annette Schavan buhlen vor und hinter
den Kulissen um das Erbe Erwin Teufels. Doch der
baden-württembergische Dauerregent will bislang gar nicht
weichen.
Machtkämpfe gehören zur Politik wie das Salz in der
Suppe. Mysteriös indes muten solche Fights an, wenn die
Streithähne nicht mit offenem Visier und in verwirrender
Schlachtordnung fechten. Da ist also ein Prinz, dessen
erklärte Absicht die Beerbung des Königs ist. Als Gegner
hat er eine Prinzessin, die ebenfalls auf den Thron schielt - dies
freilich nicht klar sagt, sondern lieber aus der Deckung heraus
geschickt und schwer angreifbar operiert. Jedoch wissen weder die
ehrgeizigen Nachfolger noch die Entourage bei Hofe und das gemeine
Volk, ob der Herrscher überhaupt das Feld zu räumen
gedenkt - und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt. Der Prinz heißt
Günther Oettinger, CDU-Fraktionsvorsitzender im
baden-württembergischen Landtag, die Prinzessin Annette
Schavan, Kultusministerin im "Ländle", der Monarch Erwin
Teufel, mit nun mehr als 13 Amtsjahren der am längsten im
Sattel sitzende Ministerpräsident in der Stuttgarter Villa
Reitzenstein.
In der Mediendemokratie senden Bilder verlässliche Signale.
Da spaziert denn Schavan beim Europaparteitag der
Südwest-Union zusammen mit Horst Köhler durch Villingen,
lässt sich beim Einmarsch in die Halle mit dem Kandidaten
für das Amt des Bundespräsidenten von den Delegierten
feiern und sitzt dann neben dem hohen Gast -
selbstverständlich klicken stets die Kameras der
Pressefotografen. Oettinger wiederum tourt mit Angela Merkel zum
Burda-Imperium in Offenburg wie zu anderen Medien- und
Kulturzentren im Land - und tags darauf erscheint der
50-Jährige auf Zeitungsfotos neben der CDU-Vorsitzenden.
Schavan oder Oettinger?
Das Schaulaufen im Schatten der Berliner Promis ist der
öffentlich sichtbarste Ausdruck für das Gerangel um die
Nachfolge des 64-jährigen Dauerregenten Teufel. Von ihm, der
als versierter und harter Machtpolitiker agiert, sind indes
keinerlei Anzeichen für einen baldigen Amtsverzicht zu
vernehmen. Zwar werde er sich "rechtzeitig zur nächsten
Landtagswahl erklären". Bis ans Ende der Legislaturperiode
2006 will er jedenfalls weiter das Zepter schwingen. Was er
für die Zeit nach dem Urnengang plant, lässt Teufel aber
offen. Eine erneute Kandidatur schließt er bislang nicht
aus.
Jüngst preschte der seit langem mit den Hufen scharrende
Günther Oettinger vor und verkündete offensiv seine
Ambitionen: "Wenn Teufel als Ministerpräsident abtritt, muss
ich antreten." Dieser überraschende Vorstoß war offenbar
eine Reaktion auf die mit viel PR-Wirbel verbundene
Kurzzeit-Karriere Annette Schavans beim Rennen um die
CDU-Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl. Die Botschaft
aus Berlin: Wer für die Staatsspitze im Gespräch ist,
taugt allemal für das Amt eines Ministerpräsidenten.
Formell hält sich die 48-Jährige noch zurück: "Ich
führe keine Kandidatendebatte." Doch auch sie kalkuliert ihre
Schachzüge wohlbedacht. So wehrt sie sich gegen den Ruf,
bislang eigentlich nur als Fachfrau für die Schule aufgefallen
zu sein: Es sei "ein Stück Realitätsverweigerung", sie
lediglich "unter dem Etikett Bildungstante zu fassen".
Schwung in den Kampf um Teufels Ablösung hat der Singener
Oberbürgermeister Andreas Renner gebracht, der als Chef des
CDU-Kommunalverbands eine einflussreiche Rolle in der
Südwest-Union spielt: Falls Teufel beim Urnengang 2006 nicht
mehr antrete, "halte ich es für absolut notwendig, dass er
rechtzeitig vor den Wahlen aufhört". Es wäre nicht gut,
warnt Renner, "wenn sein möglicher Nachfolger ohne Amtsbonus
antreten müsste". Der Schritt Oettingers, seine Bewerbung
anzumelden, sei "nicht schlecht".
Wer kommt wann nach dem "ewigen Erwin"? Das ist Thema Nummer
eins bei den schwäbischen und badischen Christdemokraten.
Zeitungen veranstalten schon Online-Umfragen unter Lesern über
den bevorzugten Aspiranten. Dem Ministerpräsidenten droht
diese Debatte zusehends zu entgleiten. "Ich frage mich, wieso wir
zur Unzeit eine Diskussion führen", kritisiert Teufel: "Uns
kann bei kommenden Wahlen kein politischer Gegner verhindern,
sondern nur noch wir selbst."
Die Position Teufels in der Union ist sichtbar geschwächt.
Im Dezember war er mit nur knapp 75 Prozent als Parteivorsitzender
wiedergewählt worden, dem schlechtesten Ergebnis seiner
Amtszeit. Der CDU-Vormann giftete danach gegen "Drahtzieher" im
Hintergrund: Es war unschwer zu erraten, dass dies auf Oettingers
Fraktion gemünzt war. Beim Berliner Gerangel um den
CDU-Bewerber für die Nachfolge von Johannes Rau hatte Teufel
nichts zu melden, weder für Wolfgang Schäuble noch
für Schavan war er eine Stütze.
Vielleicht soll die Taktik, sich erst irgendwann vor 2006 zu
offenbaren und für die Zeit danach alles offen zu lassen, auch
der von Teufel protegierten Katholikin Schavan gegen den
Frühstarter Oettinger helfen - der nämlich zählt
nicht zu den Favoriten des Regierungschefs. Oettingers Bataillone
sitzen vor allem in der Fraktion und in höheren Parteigremien.
Schavan hingegen scheint auf die CDU-Basis zu bauen. Auffallend
ist, dass sie derzeit als Vorsitzende einer Kommission ein neues
Programm für die Landes-Union erarbeitet - womit sie sich
dieses Jahr bei diversen regionalen Kongressen und bei einem
großen Zukunftskonvent profilieren kann. Jetzt warten alle auf
den nächsten Schachzug Oettingers. Der Showdown um Teufels
Thron läuft. Karl-Otto Sattler
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