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Volker Koop
Ein Vorbild für deutsche Städte?
City-Maut in London
Wer heute mit den Auto in die Londoner City
fährt, muss sich umstellen. Über sieben Pfund muss er
zahlen, um Einlass in die britische Metropole zu bekommen. Doch
trotz aller Kritik im Vorfeld haben sich die Bewohner Londons
längst daran gewöhnt, anders als die Gäste der
Stadt. Sinn der Angelegenheit ist weniger, die Stadtkassen zu
füllen, als viel mehr den überbordenden Verkehr in den
Griff zu kriegen.
Auch andere Städte wie etwa Rom oder
Athen, die von Abgasen besonders betroffen sind, haben sich neue
Wege einfallen lassen, zur Verkehrsberuhigung beizutragen. In
manchen Städten dürfen Autos nur an geraden Tagen die
Innenstadt befahren, in anderen abwechselnd nur die mit geraden
oder ungeraden Autokennzeichen. Viele Städte drohen im
Verkehrschaos zu versinken. Auch in Deutschland wird darüber
nachgedacht, wie der Verkehrsfluss - auch im Interesse einer
besseren Lebensqualität - bewältigt werden kann. In
manchen Städten wird laut über City-Maut nachgedacht,
doch in Deutschland scheint dieser Weg kaum Chancen zu
haben.
Eduard Oswald, Vorsitzender des
Verkehrsausschusses des Bundestages, hält die Einführung
einer City-Maut nach Londoner Modell nicht für den geeigneten
Weg, die Verkehrsverhältnisse in den deutschen
Innenstädten zu verbessern: "Wir sollten die heute schon
bestehenden Möglichkeiten zur Entzerrung des Verkehrs
gezielter nutzen. So ist einmal schon über die
Parkraumbewirtschaftung viel zu erreichen, indem die Gebühren
der jeweiligen Verkehrsdichte angepasst werden. Ein Ausbau der
Park-and-Ride-Anlagen verbunden mit einen attraktiven Angebot
öffentlicher Verkehrsmittel könne darüber hinaus
wirkungsvoll dazu beitragen, den Individualverkehr aus den
Innenstadtbereichen heraus zu halten." Der Autofahrer werde in
Deutschland durch die Kraftfahrzeugsteuer, eine hohe
Mineralölsteuer und zusätzlich durch die von der
rot-grünen Bundesregierung eingeführte Öko-Steuer in
einem Ausmaß abkassiert, dass weitere Belastungen nicht mehr
zumutbar seien. Oswald: "Wir können nicht zulassen, dass
über eine City-Maut nur noch den finanziell besser gestellten
Kreisen ein Befahren der Innenstadt ermöglicht
wird."
Ähnlich sieht es Horst Friedrich, der
Verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, für
den das Londoner Modell einer Innenstadt-Maut ebenfalls kein
Vorbild für die Situation in Deutschland sein kann. Die
Verkehrsprobleme einer Zehn-Millionen Einwohnermetropole
ließen sich nicht auf die Verhältnissen in deutschen
Ober- und Mittelzentren übertragen. Es existierten bereits
zahlreiche Möglichkeiten die Großstädte vom Verkehr
zu entlasten. Inwieweit von Möglichkeiten wie
Parkraumverknappung und Verteuerung, Bereitstellung von
Park-and-Ride-Plätzen oder der Verbesserung der
ÖPNV-Angebote Gebrauch gemacht werde, sei Sache der
betroffenen Kommune. Friedrich: "Würde ein Bundesgesetz die
Einführung einer City-Maut ermöglichen, müssten die
Autofahrer mit einer Zweckentfremdung dieser Abgabe rechnen." Die
Mineralölsteuer, die ursprünglich zur Finanzierung der
Straßenverkehrsinfrastruktur erhoben worden sei, werde heute
nur noch zu einem Zehntel zu diesem Zweck eingesetzt, der Rest gehe
an Herrn Eichel zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung. Auch die
Lkw-Maut, so Friedrich weiter, wenn sie eines Tages komme, werde
nicht zweckgebunden verwendet. Genau so würde es mit einer
City-Maut kommen: "Die Kommunen würden darin eine willkommene
Einnahmequelle sehen. Das eigentliche Ziel, die
innerstädtische Verkehrsbelastung zu reduzieren, würde
schnell in den Hintergrund rücken. Die andere Verlierer
wären die Betriebe des innerstädtischen Handels und
Gewerbes. Schon heute bestehe eine Tendenz der Innenstädte und
der Verlagerung von Einkaufsmöglichkeiten auf die "Grüne
Wiese." Nicht zuletzt deswegen hätten Handel, Gewerbe und
Kommunen die Einführung einer "Brötchentaste" gefordert,
die ein kostenfreies Kurzzeitparken in Innenstadtlagen
ermöglichen solle.
Einen völlig anderen Aspekt bringt der
verkehrspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis
90/Die Grünen, Albert Schmidt, ins Spiel. Er verweist darauf,
dass zum 1. Januar 2005 eine Richtlinie zur Reinhaltung der
Atemluft in Kraft treten wird, deren Einhaltung alle
städtischen Ballungsräume vor große
Herausforderungen stellen wird. Spätestens dann werde sich
zeigen, dass eine ernsthafte und ideologiefreie Diskussion auch
über Lenkungsinstrumente wie die City-Maut angebracht sei.
Hauptziel einer City-Maut - so Schmidt - ist die Verlagerung von
Anteilen des Pkw-Verkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel.
Ausnahmeregelungen, zum Beispiel für Anwohner und für
Körperbehinderte seien dabei zu berücksichtigen.
Besonders umweltfreundliche Fahrzeuge könnten zudem von einer
Nutzungsgebühr für das Befahren der Innenstädte ganz
oder teilweise befreit werden. Viele Städte hätten
bereits eine City-Maut eingeführt, erinnert Schmidt. Im Rahmen
des EU-Programmes PROGRESS planten und erprobten Rom, Helsinki,
Kopenhagem, Bristol, Edinburg, Genua und Göteborg die
Einführung städtischer Verkehrsmautmodelle, um
verkehrsbezogene Ziele zu erreichen und Geldmittel zu erlangen, wie
es dort explizit heißt. Prominentestes Beispiel ist die
Einführung einer City-Maut für das Zentrum von London im
Februar 2003. Ziele dort sind: die Reduzierung des Verkehrsstaus,
eine Verringerung der Unfälle und eine Beschleunigung wie auch
des Gesamtverkehrs. Die Erlöse gehen in die Sanierung der
U-Bahn. Nach einem halben Jahr konnte eine Zielerreichung in allen
Punkten vermeldet werden. Die Akzeptanz der Maut ist so groß,
dass die Londoner Stadtregierung eine Ausweitung auf die westlich
angrenzenden Stadtteile vorgeschlagen hat. Schmidt ist der
Überzeugung, dass die deutschen Kommunen daher gut beraten
seien, das Instrument vorurteilslos zu prüfen sollten. Die
Einführung einer City-Maut stelle eine Option dar, die die
Bundesregierung nicht anordnen könne und werde, die aber in
Entscheidungshoheit der Städte sein müssten.
Befürworter der City-Maut verweisen
darauf, dass damit eine beachtliche Verkehrslenkung erreicht werden
könne und die Mittel zur Verbesserung des ÖPNV beitragen
könnten. Dies ist jedoch nur bei oberflächlicher
Betrachtung logisch und vorteilhaft, ist die Auffassung des
CDU-Abgeordneten Georg Brunnhuber. Auch eine
belastungsabhängige Maut könne die Verkehrsspitzen
zwischen 7.00 und 9.00 Uhr sowie zwischen 16.00 und 18.00 Uhr in
deutschen Städten nicht in nennenswertem Umfang
verändern. Brunnhuber: "Der ÖPNV ist eine
öffentliche Aufgabe. Seine Finanzierung darf nicht dem
Autofahrer allein aufgebürdet werden. Wer einen
leistungsfähigen ÖPNV als Alternative zum
Individualverkehr wünscht, sollte nicht noch mehr Subventionen
und eine noch höhere Belastung des Straßenverkehrs
fordern sondern sich für einen offenen und gleichberechtigten
Wettbewerb aussprechen. Angesichts der Finanznot vieler Städte
ist außerdem zu befürchten, dass die Einnahmen aus einer
möglichen City-Maut in den allgemeinen Haushalt fließen."
Er befürchtet, dass die Städte gegenüber dem Umland
durch die Gebühren weiter an Attraktivität verlieren.
Schon heute würden Einkaufszentren auf der "Grünen Wiese"
mit kostenlosen Parkplätzen werben. Städte
büßten somit als Wirtschaftsstandort mehr und mehr an
Bedeutung ein. So verzeichneten die Händler in London nach der
Maut-Einführung einen Umsatzrückgang von mehr als 15
Prozent.
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