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Ausbilden oder lieber zahlen?
Experten streiten im Ausschuss über die
Ausbildungsplatzabgabe
Bildung und Forschung. Sie kommt nicht aus den
Schlagzeilen und beschäftigt intensiv den Bundestag: Die von
der Regierung geplante und in der Öffentlichkeit zum Teil
kontrovers diskutierte Ausbildungsplatzabgabe. Mit dem Gesetzenwurf
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur "Sicherung und
Förderung des Fachkräftenachwuchses und der
Berufsausbildungschancen der jungen Generation"
(Berufsausbildungssicherungsgesetz, 15/2820) und einem Antrag der
FDP-Fraktion "Ausbildungsplatzabgabe verhindern - Wirtschaft nicht
weiter belasten - Berufsausbildung stärken" (15/2833) befasste
sich auch der Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung am 23. April in einer
öffentlichen Anhörung.
Sachverständige aus Wirtschaft und
Wissenschaft sowie Vertreter der Gewerkschaften, der kommunalen
Spitzenverbände und der Arbeitgeberverbände
äußerten sich zu den Auswirkungen und dem Vollzug des
Berufsausbildungssicherungsgesetzes.
Dabei gingen die Meinungen in der Beurteilung
des Regierungsvorhabens deutlich auseinander. Während die
Gewerkschaften, das Bundesjugendwerk AWO und der Deutsche
Bundesjugendring die Pläne der Bundesregierung
ausdrücklich begrüßten und lediglich Nachbesserungen
und Korrekturen in einzelnen Punkten forderten, lehnten die
übrigen Experten mehrheitlich die geplante Regelung als
kontraproduktiv und ungeeignet ab, die Ausbildungsplatzmisere in
Deutschland zu beheben.
Die Experten diskutierten unter anderem
über die von der Wirtschaft bemängelte
Ausbildungsfähigkeit vieler Jugendlichen. Die Frage der
Befähigung der Ausbildungssuchenden stellt sich aus der Sicht
der Unternehmerin Saskia Funk in den letzten Jahren "extrem" dar.
Es sei nicht nachvollziehbar, "warum eine Ausbildungsplatzabgabe
per Gesetz diese Situatin ändern sollte", so Funk. Aus der
Praxis berichtete Hennig Schierholz vom Institut für Jugend,
Arbeit und Bildung e.V.: "95 Prozent der Jugendlichen, die als
nicht ausbildungsfähig oder nicht ausbildungsreif galten,
haben wir, wenn die durchgehalten haben, erfolgreich durch die
Abschlussprüfung gebracht."
Motivationsprobleme bei
Jugendlichen
Doch das Problem liege bei dem
einschränkenden Satz "wenn sie durchgehalten haben".
Jugendliche gingen heute anders als früher an Ausbildungen
heran. Ein Teil von ihnen sehe heute keine Chance mehr,
überhaupt noch sinnvoll beschäftigt zu werden. Daraus
entstünden gravierende Motivationsprobleme. Notwendig
wäre, diesen Personenkreis besser auf die Berufsausbildung
vorzubreiten.
Für die Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände (BDA) werde die Abgabe zur Vernichtung von
Ausbildungsplätzen führen und die eigentlichen Probleme
auf dem Ausbildungsmarkt unverändert lassen. Es sei zu
befürchten, dass viele Betriebe, die heute zu hohen Kosten
Ausbildungsplätze stellten, sich künftig mit der Abgabe
freikaufen würden. Zudem würde die Abgabe die
Berufsausbildung vom Beschäftigungssystem und der
betrieblichen Praxis abkoppeln. Die Bundesregierung folge einem
grundsätzlich falschen Ansatz und durchkreuze mit dem Gesetz
ihre Ziele, die Bürokratie abzubauen, die Lohnzusatzkos-ten zu
senken und die Tarifautonomie zu stärken.
Gesetzlichen Handlungsbedarf sieht auch der
Zentralverband des Deutschen Handwerks nicht. Der "zentralistische"
Lösungsansatz der Koalitionsfraktionen gehe an den
tatsächlichen Problemen der regionalen Ausbildungsmärkte
vorbei. Bekämpft würden nicht die Ursachen der schlechten
Ausbildungsplatzsituation, sondern lediglich die Symptome.
Lösungen könnten nur durch verbesserte wirtschaftliche
Rahmenbedingungen für die Betriebe und eine effizientere
Qualifizierung der Jugendlichen erfolgen. Weitere Belastungen der
Wirtschaft befürchtet auch die Deutsche Industrie- und
Handelskammer. Hinzu komme der Verwaltungsaufwand und die
Bürokratielast. Es sei bezeichnend, dass der
Verwaltungsaufwand beim Bundesverwaltungsamt im Gesetzentwurf nicht
beziffert werde. Aus der Sicht von Folkmar Kath vom Bundesinstitut
für Berufsbildung sind negative Auswirkungen für
Länder und Kommunen zu erwarten. Auch ungünstige
strukturelle Verschiebungen des Ausbildungsangebots von Groß-
zu Kleinbetrieben und ein Rückgang bei Berufen mit hohen
Nettoausbildungs-
kosten könnten folgen.
Durch die Bindung der Ausbildungsplatzabgabe
an die Ausbildungsquote werden nach Meinung des ifo- Instituts
für Wirtschaftsforschung wachsende Branchen bevorzugt und
subventioniert. Da sie jedoch bereits nach Bedarf ausbildeten ,
entstünden durch die Zuschüsse nur geringe Anreize,
zusätzliche Ausbildungsstellen zu schaffen. Für
Arbeitgeber in einer wirtschaftlich schlechten Lage oder für
schrumpfende Branchen liege die optimale Ausbildungsquote mit
großer Sicherheit unterhalb von sieben Prozent. Durch eine
Abgabe würden solche Branchen und Betriebe noch stärker
belastet, was zu einer Abwärtsspirale führen könne.
Eine pauschale Ausbildungsplatzabgabe hätte auch massive
Fehllenkungen zur Folge, weil sie in die Struktur des
Ausbildungsangebots eingreift. Nötig wäre eine gesonderte
Ausbildungsquote für jeden Ausbildungsberuf und jede Region.
Sie sollte zudem abhängig von der wirtschaftlichen Lage des
Arbeitgebers sein.
"Neue Probleme statt neuer
Lösungen"
Kritik am Gesetzentwurf der Regierung
äußerte auch der Ausbildungsleiter der BMW Group, Manfred
Theunert. Er sei nicht zielführend und bringe zusätzliche
Kosten und neue Probleme statt neuer Lösungen. Aus der Sicht
von Wolf-Rainer Lowack von der BASF AG würden mit der
geplanten Ausbildungsplatzabgabe freiwillige und innovative
Ausbildungsleistungen der Unternehmen massiv behindert und
tarifvertraglich vereinbarte und in der Praxis bewährte
Lösungswege erheblich gefährdet. Der Deutsche
Städtetag forderte in seiner Stellungnahme die Regierung auf,
Städte, Gemeinden und Kreise von der geplanten Regelung
auszunehmen. Die finanzielle Belastung der Ausbildungsplatzabgabe
sei für die Kommunen nicht zu verkraften.
Der Geschäftsführer des
Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Werner Hesse plädierte
für weitergehende Härtefallregelungen. "Dort, wo
spezifische Umlageregelungen gelten, wie in der Alten- und
Krankenpflege, oder dort, wo die Beschäftigten nicht aus dem
dualen System kommen, ist dieses Gesetz nicht oder nur partiell
anwendbar." Es beziehe sich nämlich nur auf die
Beschäftigten, die aus dem dualen System kommen.
Auf die schwierige Situation der Betriebe in
den neuen Ländern wies Ludwig Gatzemeier, Vorsitzender des
Betriebsrates Leinefelder Textilwerke GmbH, hin. Die
Rahmenbedingungen für die Betriebe und ihre Förderung
müsste verbessert werden, forderte Gatzemeier, "denn in
kranken Betrieben kann nicht ausgebildet werden".
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB)
begrüßte die Regierungsinitiative hingegen
ausdrücklich, forderte gleichzeitig, dass das geplante Gesetz
tariflichen oder branchenbezogenen Lösungen rechtssicher
Vorrang geben und vorhandene Regelungen berücksichtigen
müsse. Um nicht Gefahr zu laufen, reine Auszubildendenbetriebe
zu fördern, solle zudem eine Obergrenze bei der
Rückvergütung und Förderung zusätzlicher
Ausbildungsplätze eingeführt werden.
Die IG Bau sieht zu der vorgelegten
gesetzlichen Regelung keine Alternative. Die Appelle der
Bundesregierung, der Spitzenverbände der Wirtschaft und der
Gewerkschaften in den vergangenen Jahren hätten leider nicht
gefruchtet. "Alle Appele, Pakte und Gipfeltreffen haben nicht zur
Lösung des Problems geführt", kritisierte auch der
DGB-Vorsitzende Michael Sommer. Er sei froh, dass der Gesetzgeber
endlich beginne, zu handeln. Das Gesetz sei ein Instrument, das der
Wirtschaft ihre Verantwortung bewusst machen
könne.bes
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