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Thomas Emons
Der Wanderer kommt ans Ziel
Damals...vor 25 Jahren am 23. Mai: Die Wahl von
Karl Carstens zum fünften Bundespräsidenten
Von einem "unwürdigen Kandidatenkarussell" war in den
vergangenen Monaten des Öfteren die Rede, als die
Unionsparteien und die FDP, die in der Bundesversammlung die
Mehrheit stellen, nach einem gemeinsamen Kandidaten für das
höchste Staatsamt suchten. Ein Blick in die Vergangenheit
zeigt dabei: Eine kontroverse Kandidatenkür für die Wahl
des Bundespräsidenten hat ebenso Tradition wie die
nachfolgende Einsicht, dass der gewählte Kandidat sein Amt als
Bundespräsident letztlich angemessen ausgefüllt und damit
die Deutschen als Staatsoberhaupt würdig repräsentiert
hat. Das gilt auch für Karl Carstens, den fünften
Bundespräsidenten.
Ebenso wie bei der diesjährigen Wahl stellte die damalige
Opposition in der Bundesversammlung vor 25 Jahren die Mehrheit. CDU
und CSU verfügten 1979 sogar über eine absolute Mehrheit.
Angesichts dieser politischen Machtverhältnisse hatte der
damalige Bundespräsident Walter Scheel (FDP) auf eine erneute
Kandidatur für das Bundespräsidentenamt verzichtet. Auch
die Option, durch einen Koalitionswechsel der FDP seine Wiederwahl
zu sichern, lehnte Scheel ab. Der Unions-Kandidat ging somit als
Favorit in die Präsidentenwahl. Die fand damals noch nicht in
Berlin, sondern in der Bonner Beethoven-Halle statt. Als Wahltermin
wurde 1979 erstmals (und seitdem immer wieder) der 23. Mai
angesetzt, also der Tag, an dem 1949 das Grundgesetz für die
Bundesrepublik Deutschland verkündet worden war.
Innerhalb der Union wurde 1979 nicht nur der damalige
Bundestagspräsident Karl Carstens (CDU), sondern auch der
damalige bayerische Kultusminister Hans Maier (CSU) als Kandidat
für das Amt ins Gespräch gebracht. Doch gerade innerhalb
der CSU gab es - ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl -
einen starken Trend zu Carstens, weil ihr Parteivorsitzender, der
damalige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß,
1980 zum Kanzlerkandidaten der Union nominiert werden wollte. So
einigte sich die Union im März 1979 schließlich auf
Carstens.
Obwohl sich der damals 64-Jährige als Staatsrechtler und
Politiker in führenden Ämtern bereits einen Namen gemacht
hatte, stieß seine Kandidatur im sozialliberalen
Regierungslager, aber auch in der Presse auf Kritik. Angelastet
wurde dem Christdemokraten vor allem die Tatsache, dass er als
junger Jurist und Leutnant der Wehrmacht 1940 der NSDAP beigetreten
war. Auch der Hinweis, dass der junge Carstens in der NSDAP keine
aktive Rolle gespielt habe und ihm bei einem Nicht-Eintritt
berufliche Nachteile gedroht hätten, konnte seine Kritiker
nicht besänftigen.
Während Carstens über sich selbst sagte: "Ich sehe
mich als einen Liberalen und bin es meiner Herkunft nach außer
jeden Zweifel", sahen seine politischen Gegner in ihm den
Exponenten einer rechtskonservativen Geisteshaltung. Als rhetorisch
scharfzüngiger Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
hatte Carstens 1973 den Grundvertrag zwischen der Bundesrepublik
und der DDR abgelehnt, weil er in dessen Nichterwähnung des
fortbestehenden Ziels der Wiedervereinigung Deutschlands "ein
möglicherweise nicht mehr wiedergutzumachendes historisches
Versäumnis" erkannte.
Suspekt erschien Carstens' Kritikern auch, dass er in seinen
Reden immer wieder traditionelle Tugenden wie
Leistungsbereitschaft, Einsatzwillen und Pflichtbewusstsein
betonte. Zusätzlich angeheizt wurde die Kontroverse um die
Carstens-Kandidatur durch einen Rechtsstreit zwischen dem
CDU-Politiker und dem ehemaligen SPD-Abgeordneten Metzger.
Allerdings wurde das Verfahren, bei dem es um angebliche Kenntnisse
von illegalen Waffengeschäften ging, im März 1979 mit
einem Vergleich beendet. Angesichts der öffentlichen Debatte
konnte es nicht verwundern, dass es am Rande der
Präsidentenwahl vom 23. Mai 1979 in Bonn zu
Anti-Carstens-Demonstrationen kam.
Davon unbeeindruckt erhielt Carstens an diesem Tag in der
Beethoven-Halle 528 der 1032 abgegebenen Stimmen und wurde bereits
im ersten Wahlgang zum fünften Präsidenten der
Bundesrepublik Deutschland gewählt. Seine von der SPD
nominierte Gegenkandidatin, die damalige
Bundestagsvizepräsidentin Annemarie Renger, erhielt 431
Stimmen. Die 66 Wahlmänner der FDP enthielten sich der Stimme,
um ihre Verbundenheit mit dem scheidenden Präsidenten Scheel
zu dokumentieren. Noch kurz vor der Wahl am 23. Mai 1979 hatten die
Sozialdemokraten vergeblich versucht, den angesehenen
Wissenschaftler Carl-Friedrich von Weizsäcker für eine
Kandidatur zu gewinnen. Dessen Bruder Richard sollte fünf
Jahre später die Nachfolge von Carstens antreten.
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