|
|
Götz Hausding
Länderkammer stoppt
Ausbildungsplatzabgabe
Vermittlungsausschuss angerufen
In seltener parteiübergreifender Einigkeit
hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 11. Juni das vom Bundestag
beschlossene Gesetz zur Ausbildungsförderung mit großer
Mehrheit abgelehnt. Das Gesetz sieht die Schaffung einer
Ausbildungsplatzabgabe vor. Diese soll grundsätzlich allen
Arbeitgebern mit mehr als zehn sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten auferlegt werden, wenn sie im Bezugsjahr
unterhalb einer gesetzlich festgelegten so genannten notwendigen
Lehrstellenquote ausgebildet haben.
Während Niedersachsens
Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) erklärte, man
werde wieder einmal mit einem "untauglichen Gesetz aufgehalten",
dass in die "Mottenkiste" gehöre, lehnten auch der
nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer
Steinbrück (SPD) sowie Bundeswirtschaftsminister Wolfgang
Clement (SPD) die Ausbildungsabgabe ab. Vielmehr müsse es, so
Clement, zu einem freiwilligen Ausbildungspakt mit der Wirtschaft
kommen. Dabei sei man auf einem guten Weg.
Für Christian Wulff ist es völlig
unklar, wie dieses Gesetz den Bundestag passieren konnte. "Alle,
die von der Materie Ahnung haben, sind gegen dieses Gesetz," sagte
er bezugnehmend auf Aussagen von SPD-Ministerpräsidenten und
Fachminister Clement. Man hoffe regelrecht darauf, dass die
unionsgeführten Länder mit ihrer Mehrheit in der
Länderkammer das Gesetz stoppen. Mit dieser Haltung
missbrauche man die Institution Bundesrat, kritisierte er und
fragte: "Was wäre, wenn wir nun zustimmen würden?"
Blankes Entsetzen wäre wohl die Reaktion in den
SPD-Ländern, äußerte er seine Vermutung, machte
jedoch klar, dass für solche Spielchen die Sache zu ernst sei.
Das Gesetz gehöre abgeschafft, da es nicht zu einer
Verbesserung der Ausbildungssituation führen würde,
sondern sie weiter verschlechtere. Die Tendenz zu einer
Verstaatlichung der Ausbildung sei falsch, dies zeige sich auch in
einigen europäischen Nachbarländern. Sowohl Frankreich
als auch Dänemark hätten eine Ausbildungsplatzabgabe,
stünden jedoch in Sachen Jugendarbeitslosigkeit und der Zahl
der Ausbildungsplätze schlechter als Deutschland da. Auf
freiwilliger Basis müsse man zu Vereinbarungen kommen,
forderte Wulff, so wie es in Niedersachsen in den letzten Jahren
erfolgreich praktiziert wurde. Die jetzige Diskussion habe den
positiven Trend jedoch gestoppt, da viele Ausbildungsbetriebe
verunsichert seien, so Wulff. Auch sein Amtkollege aus
Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück, sieht eher in
freiwilligen Ausbildungspakten als in einer Zwangsabgabe den Weg zu
einer Verbesserung der Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Im
Mittelpunkt der Diskussion müsse immer die Frage stehen: Wie
kann man jungen Menschen trotz schlechter wirtschaftlicher
Rahmenbedingungen eine Perspektive geben? Diese Frage müssten
Wirtschaft und Politik gemeinsam beantworten, sagte Steinbrück
und räumte ein, mit der gesetzlich vorgesehenen Abgabe werde
das Problem der Ausbildungsplatzmisere nicht gelöst.
Allerdings räume das vorliegende Gesetz einer freiwilligen
Lösung einen Vorrang gegenüber der Zwangsabgabe ein. Die
Chancen auf einen solchen freiwilligen Ausbildungspakt stünden
gut - in den nächsten 14 Tagen könne man dabei zu einem
Abschluss kommen.
Ebenfalls abgelehnt wurde die
Ausbildungsabgabe von Baden-Württembergs Wirtschaftsminister
Walter Döring (FDP). Die Betriebe könnten sich dadurch
von der Ausbildungspflicht frei kaufen, was mit Sicherheit einen
Verlust von Ausbildungsplätzen zur Folge hätte. Die
Abgabe stelle daher ein völlig falsches Instrument dar,
welches auch nicht überarbeitet werden könne, sondern
ersatzlos gestrichen gehöre, verlangte Döring. Er frage
sich, wie man ein Gesetz auf den Weg bringen könne, das die
eigenen Experten für verfehlt halten. Diese Frage
beschäftigte auch Minister Hans Kaiser (CDU) aus
Thüringen. Trotz vieler Warnungen habe man das Gesetz auf den
Weg gebracht und nun stelle es sich als "Rohrkrepierer" dar. Die
Vorlage müsse möglichst schnell weg, denn sie schade
sowohl den Auszubildenden wie auch den Betrieben. Mit dem
vorliegenden Gesetz stelle die Bundesregierung erneut ihre
verfehlte Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik unter Beweis, sagte
Bayerns Arbeitsministerin Christa Stewens (CSU). Bayern lehne das
Gesetz ohne "wenn und aber" ab und verlange die vollständige
Aufhebung. Zwar seien Maßnahmen zur Verbesserung der
Lehrstellensituation dringend erforderlich, doch sei eine
Zwangsabgabe dazu völlig ungeeignet.
Damit würden lediglich die
Lohnnebenkosten weiter erhöht, was die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zusätzlich
gefährde. Die Folge wären Abwanderungen und Insolvenzen,
womit die Zahl der Ausbildungsbetriebe und damit auch der
Ausbildungsplätze weiter zurückginge.
Verwaltungsvereinfachung und Deregulierung sei mit diesem
bürokratischen Monster nicht zu erreichen, stattdessen
müsse man auf freiwilliger Basis Lösungswege aus der
Lehrstellenproblematik suchen. Bayern tue dies und habe dadurch im
letzten Jahr 5.000 zusätzliche Ausbildungsplätze
gewonnen.
Nach Ansicht von Bundeswirtschaftsminister
Wolfgang Clement werde der Wirtschaftsstandort Deutschland
beschädigt, wenn die Ausbildungsprobleme nicht beseitigt
würden. Das Gesetz habe immerhin diese Probleme in den
Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt.
Außerdem räume es freiwilligen Lösungen ganz klar
den Vorrang vor Zwangsabgaben ein. An diesen Lösungen
müssten alle mitarbeiten, auch die Verwaltungen der
Länder, Städte und Gemeinden.
Es gebe jedoch auch ganz andere Probleme bei
der Ausbildung. Immer öfter seien Schulabgänger nicht in
der Lage, den Anforderungen an einen Auszubildenden zu
genügen. Daher seien eine bessere Schulausbildung, bessere
Vermittlung und möglicherweise auch ein Kompetenz-Check
für schwer vermittelbare Auszubildende nötig. Ebenso
müsse die Berufsausbildung modernisiert werden. All diese
Fragen, so Clement, seien im Ausbildungspakt zu beantworten, damit
Ende des Jahres genügend Ausbildungsplätze zur
Verfügung stehen - auch ohne eine Zwangsabgabe.
Zurück zur Übersicht
|