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Bert Schulz
Falsche Vopos, echte Emotionen
Streit am Checkpoint Charlie
Wer im Sommer durch die Straßen Berlins spaziert, dem
begegnen fast überall ausländische Touristen, die nach
"der Mauer" Ausschau halten. Auch 15 Jahre nach ihrem Ende hat sie
ihre Faszination zumindest für Besucher nicht verloren.
Deswegen gleicht der Checkpoint Charlie, der bekannteste der
einstigen Grenzübergänge, zur Hochsaison einem
Ameisenhaufen fotografierender Touristen. Einige von ihnen
können dort derzeit Zeuge eines Kleinkriegs werden, der zeigt,
wie empfindlich die Gemüter an dieser Grenze immer noch
sind.
Vor vier Jahren ließ der Gründer des am Checkpoint
Charlie ansässigen Mauermuseums einen Nachbau des
früheren Kontrollhäuschens an Ort und Stelle wieder
errichten. Schön in weiß und mit Sandsäcken als
Schutz in Richtung Osten. Auch wenn die Hütte nicht echt ist -
die Touristen nahmen sie als Fotomotiv dankbar an. Seit einigen
Monaten verdienten sich Studenten ein paar Euro, indem sie davor
für die Touristen posieren; anfangs - historisch völlig
verkehrt - in Uniformen der Volkspolizei. Den Gästen
gefiel's.
Andere fühlten sich dadurch gestört: ein
DDR-Opferverband protestierte; der Leiter der Gedenkstätte
Hohenschönhausen, Ort eines Stasigefängnisses, sprach von
einer "Trivialisierung der Geschichte"; auch die Witwe des
Museumsgründers, Alexandra Hildebrandt, sah sich provoziert.
Sie handelte und ließ das weiße Häuschen mit blauer
Plastikfolie verhüllen - Vergleiche mit Christo wären
hier unangebracht.
Die Studenten konterten, wickelten sich in Klopapier und
beriefen sich auf die Gewerbefreiheit. Anfang vergangener Woche
liefen sie dann über, erschienen in Uniformen der Allierten
und hofften auf Gnade der Besitzerin. Doch Alexandra Hildebrandt
stört allgemein die kommerzielle Nutzung des Checkpoints, die
sie für "unwürdig" befindet; das Symbol werde
missbraucht. Im vergangenen Jahr hatte sie gegen die (Imbiss-)Buden
auf dem östlichen Teil des einstigen Übergangs gewettert.
Am liebsten würde sie das Markttreiben vor der Museumstür
- Straßenhändler verkaufen hier DDR-Devotionalien - wohl
ganz verbieten. Allerdings gehören die umgebenden Straßen
den Bezirken, andere Teile des Geländes sind in
Privathand.
Jetzt führen die Museumsdame und die Studenten einen
hässlichen Kampf der Worte und beschimpfen sich - einst ging
es an der echten Grenze ähnlich zu. Die Touristen blicken
meist verständnislos auf das verhüllte Häuschen und
halten die Aktion schon einmal für einen Protest gegen die
Irak-Politik der USA.
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