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Oliver Heilwagen
Abkürzung zum Liebesglück
Suchst du mich? Finde mich beim Speed Dating.
Jede Woche bin ich eine andere
Trifft Amors Pfeil immer seltener? Laut Statistik gibt es 13,5
Millionen Einpersonenhaushalte in Deutschland. Rechnet man die
Alten und Verwitweten heraus, kommt man nach Schätzung von
Soziologen auf rund sieben Millionen Singles im heiratsfähigen
Alter, von denen etwa zwei Drittel eine dauerhafte Partnerschaft
anstreben. Diesen Suchenden versprechen zahlreiche Dienstleister,
dem Liebesgott nachzuhelfen. Beispielsweise mit dem "Speed Blind
Date", das die Hamburger Agentur "Blind-Date-Dinner" von Leah
Schöne in mittlerweile 36 Städten ausrichtet.
Die Abkürzung zum Liebesglück soll dabei die magische
Zahl sieben eröffnen: In einem Lokal treffen sich sieben
Männer und ebenso viele Frauen. An sieben Tischen nimmt je ein
Paar Platz. Nun sollen die Gesprächspartner in sieben Minuten
möglichst viel über sich herausfinden und auf einer
Stimmkarte notieren, ob sie einander wieder sehen möchten.
Dann wechseln die Männer die Tische; nach sieben mal sieben
Minuten ist das Bäumchen-wechsel-dich-Spiel vorbei. Am
nächsten Tag erfahren die Teilnehmer per E-Mail von der
Agentur, ob und bei wem ihre Sympathie auf Gegenliebe
stößt sowie dessen Telefonnummer - gegen 25 Euro
Gebühr. Wem das zu nüchtern zugeht, der kann auch von der
Agentur organisierte "Blind Date"-Koch- oder -Golfkurse besuchen:
Für bis zu 55 Euro pro "Event".
Der 35-jährige Unternehmensberater Ralph hat auf diese
Weise schon einmal eine Partnerin gefunden. Allerdings ging die
Beziehung bereits nach wenigen Wochen wieder auseinander. Ob es
daran lag, dass er wegen seiner Arbeit kaum Freizeit hat? Auch
nicht, um auf Partnersuche zu gehen, wie er erklärt? Die
schöne Birgit lässt sich jedenfalls nicht dadurch
entmutigen, dass bei dieser Runde niemand dabei war, der ihr
wirklich gefallen hat: "Ich glaube nicht, dass gutes Aussehen oder
Erfolg im Beruf etwas damit zu tun haben, ob man auch privat
glücklich ist. Die Liebe kommt nicht von allein, dafür
muss man etwas tun."
Größere Auswahl unter potenziellen Kandidaten
hätte sie auf einer der so genannten
"Fisch-sucht-Fahrrad"-Partys, die das "Tip"-Magazin seit einem
Jahrzehnt in Berlin veranstaltet; das Konzept wird vielfach
kopiert. Für acht Euro Eintritt kann man Unbekannten in der
Menge anonym kurze Botschaften zukommen lassen. Indes funktioniert
diese Partnersuche als Schnitzeljagd nicht wirklich. Die
dreistellige Nummer als Erkennungsmarke, die am Eingang ausgegeben
wird, heftet sich kaum jemand auf die Brust. So unterscheidet diese
von Hunderten besuchte Party nur eines von einem ganz normalen
Diskothekenabend: Wenn man jemanden anspricht, darf man davon
ausgehen, dass derjenige noch zu haben ist. Die 34-jährige
Beamtin Jeannette hat auf diese Weise tatsächlich ihren
Liebsten getroffen. Nun kommen beide turtelnd auf die Party, weil
sie "einer der wenigen Orte ist, wo wir uns nicht zu alt zum
Ausgehen fühlen".
Wem es genauso geht, der kann auch vor dem heimischen Bildschirm
nach seiner besseren Hälfte Ausschau halten.
Internet-Kontaktbörsen haben sich laut einer Studie der
Gesellschaft für Konsumforschung binnen weniger Jahre zur
drittbeliebtesten Gelegenheit zum Flirten gemausert - nach Partys
und dem Büro. Bekannte Anbieter wie match.com, parship.de oder
neu.de zählen jeweils rund eine halbe Million eingeschriebener
Mitglieder. Das Prinzip ist das gleiche wie bei einer
herkömmlichen Partnervermittlung: Kunden müssen einen
ausführlichen Fragebogen zu ihren Eigenschaften und Vorlieben
ausfüllen. Dann werden sie informiert, sobald eine andere
Person in ihrer Nähe ähnliche Neigungen angibt. Alles
weitere ist beiden selbst anheim gestellt. Von Heiratsagenturen,
die per Zeitungsannonce für sich werben, unterscheidet sie
allein der Preis. Während auf traditionellem Wege mindestens
1000 Euro fällig werden, zahlt man bei Online-Börsen
zwischen zehn und 25 Euro pro Kontaktaufnahme oder eine
Monatsgebühr in vergleichbarer Höhe.
Wird damit das Geschäft mit der Kuppelei nur aldisiert?
Oder drückt sich im Boom derartiger Angebote das Unbehagen an
zunehmender Beziehungsunfähigkeit in unserer Gesellschaft aus?
Manfred Hassebrauck, Professor für Sozialpsychologie in
Wuppertal, hält diese Vermutung für Schwarzmalerei.
Single-Partys und -Börsen seien nur das zeitgenössische
Pendant der altehrwürdigen Eheanbahnung: "Die selbst
arrangierte Ehe." Jedoch verführe die einfache Kontaktaufnahme
auch dazu, die Verbindung rascher wieder abzubrechen: "Etwas, das
mir in den Schoß gefallen ist, gebe ich leichter wieder auf."
Die Bereitschaft, persönliche Bindungen aufrecht zu erhalten,
nehme in der Tat ab, stellt auch der Hamburger Paartherapeut
Friedhelm Schwiderski fest: "Die Ansprüche an eine Beziehung
werden immer höher, die Schwelle, aus einer Beziehung
herauszugehen, wird immer niedriger."
Die an der Universität Bielefeld lehrende Psychologin Beate
Küpper warnt allerdings davor, die Zahl Alleinstehender mit
grassierender Kontaktarmut gleichzusetzen. In ihrer Doktorarbeit
"Sind Singles anders?" weist sie auf die schmale Datenbasis und
kurzfristigen Vergleiche hin, die solchen Annahmen zugrunde
lägen. Historisch habe sich der Anteil der Verheirateten an
der Gesamtgesellschaft seit Anfang des 19. Jahrhunderts kaum
verändert. Die Menschen feierten nur nach Kriegen jünger
und häufiger Hochzeit, weil nach dieser Erfahrung ihr
Sicherheitsbedürfnis gewachsen sei, betont Küpper.
Dagegen sei es bis 1848 der großen Gruppe von Knechten,
Mägden und Dienstmädchen sogar untersagt gewesen, zu
heiraten, weil sie sich eine Familiengründung nicht leisten
konnten. Das habe sie aber nicht daran gehindert, Nachwuchs zu
zeugen, "der dann unter dem Küchentisch groß wurde", gibt
die Psychologin zu bedenken.
Solche Verbote sind weggefallen. Dennoch würden Familie und
Kinder weiterhin sehr geschätzt, hebt Küpper hervor. Von
300 für ihre Studie befragten Singles gaben 70 Prozent an, sie
wünschten sich Nachkommen. Und 90 Prozent stimmten der Aussage
zu: "Die Familie ist der Schlüssel zum Glück." Insofern
sei die angebliche Vereinzelung ein "Medienkonstrukt, das empirisch
nicht zu finden ist, an dem sich die Gesellschaft aber positiv wie
negativ abarbeitet", beteuert die Psychologin. Ihre Forschungen
hätten gezeigt: "Was als neue Lebensform des Singles definiert
wird, ist nur eine Lebensphase." Die dehne sich zwar länger
aus als früher, doch schließlich komme jeder, der dies
wolle, unter die Haube.
Den Geburtenrückgang erklärt Küpper mit einem
anderen Grund: Kinder und Karriere seien immer noch schlecht unter
einen Hut zu bringen. Dabei spiele die weit verbreitete Auffassung
eine Rolle, dass Kinder am besten bei der Mutter aufgehoben seien:
"Wehe dem, der sie zu früh in den Kindergarten gibt!" Diese
"konservative Grundhaltung" hindere die Deutschen daran, mit
Hortplätzen und Ganztagsschulen soziale Strukturen aufzubauen,
die jungen Frauen erlaubten, Familie und Beruf miteinander zu
vereinbaren.
Dass dies möglich sei, zeige das Beispiel Frankreichs, wo
ebenso viele Frauen erwerbstätig sind, aber die Geburtenquote
fast doppelt so hoch liegt, hebt die Psychologin hervor. Ob die
bindungswilligen und kinderwünschenden Singles aber psychisch
in der Lage sind, Familienbande zu knüpfen, geht aus ihrer
Statistik nicht hervor.
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