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Claudia Heine
Himmlischer Rat in Krisenzeiten
Was Manager im Kloster suchen
Max fotografiert mit seiner Digitalkamera noch
schnell die Szenen aus der Bibel, die die Wände des Vorraums
im Gästehaus der Abtei schmücken. "Das glaubt mir ja
sonst kein Mensch", sagt der Sunnyboy und lacht. Seine 47 Jahre
sieht man dem großen, sportlichen Mann in Jeans und
Turnschuhen nicht an. Immer für einen Spruch gut, scheint er
sich gerade zu fragen: Was macht ein erfolgreicher
Türenfabrikant aus Westfalen in einem fränkischen
Benediktinerkloster? In zehn Minuten beginnen die drei "Einkehrtage
für Unternehmer". Es klingt wie ein Versprechen:
Seminar-Idylle im Kloster Münsterschwarzach.
Der Unternehmer Max ist im Porsche
vorgefahren, die Mönche leben vom Lohn Gottes, zumindest
spirituell. Max sucht hier etwas, was er in seiner Welt nicht
findet. Ora et labora: Wer ein erfolgreiches Wirtschaftsunternehmen
führen will, sollte öfter die Regeln des Heiligen
Benedikt lesen. Im ältesten Orden der katholischen Kirche
bestimmt die Gemeinschaft das Füreinander und Miteinander. Die
Hierarchien sind streng, der Tag ist genau eingeteilt: Fünf
Mal am Tag beten die Mönche, ihre Speisen nehmen sie nur im
Refektorium zu sich. Ihr Zusammenhalt steht im Sinne eines
höheren Ziels: dem Weg zu Gott. Das ist die Existenzbedingung
und das Erfolgsgeheimnis des Ordens.
Seit einigen Jahren entwickelt sich diese
Erkenntnis zum Trend. Manager gehen neuerdings ins Kloster anstatt
zu Gurus, die laut "Schacka Schacka" rufen. Gerade in Krisenzeiten,
in denen der gesellschaftliche Wunsch nach Besinnung auf die wahren
Werte das Versagen des Marktes kompensieren soll, schätzen die
Menschen spirituelle Anreize. "Benedikt for Management" nennen die
Mönche solche Kurse. Ein Versuch, ihre klösterliche Welt
mit der Business-Sprache zu verbinden. Die Firmenchefs lernen dort,
dass Unternehmensführung keine reine Zahlenspielerei ist. In
der Regel des Heiligen Benedikt heißt es über den Abt:
"Er zeige bald den Ernst des Meisters, bald die Güte des
Vaters..., er soll allen die gleiche Liebe erweisen und alle gleich
behandeln entsprechend ihrer Tugenden und
Fähigkeiten."
"Führen ist eine spirituelle Aufgabe",
erklärt Kursleiter Pater Anselm Grün seinen aufmerksamen
Zuhö-rern. Im Kreis sitzen sie nun, bewaffnet mit Block und
Stift in dem sonnendurchfluteten Seminarraum:
20 Klein- und Mittelständler, die wie
Max mehr interessiert als eine gute Bilanz am Ende des Jahres, die
neugierig und teilweise noch etwas ungläubig sind an ihrem
ersten "Einkehrtag". Krawatten und Kostüme gibt es hier nicht.
Nur der Pater, trägt seine Berufskleidung, die schwarze Kutte,
kommt aber ansonsten ohne weitere Utensilien aus. Kein
Redemanuskript und auch keine Powerpoint-Präsentationen sind
nötig, um die Teilnehmer spüren zu lassen, dass Geld
verdienen auch etwas mit Ausstrahlung zu tun haben könnte. Die
leuchtenden, dunklen Augen auf sie gerichtet, erzählt der Abt,
der gleichzeitig Medienprofi- und Buchautor ist, vom Leben. Von
einfachen Regeln, die jeder kennt, und von denen sich gerade
Manager ablenken lassen, deren Leben wie ein Fließband auf
High Speed läuft. Ab und zu streicht er mit seinen Händen
durch den grauen Rauschebart.
Einige der Teilnehmer kennen seine
Bücher: "Was im Leben wichtig ist", "Die Kostbarkeit der
Seele" oder "Menschen führen - Leben wecken". Man kann sie
sich auch anhören, wie es Regina tut. Über dem blauen
Blazer ragen die Rüschen ihrer weißen Bluse hervor. Sie
bezeichnet sich als "Fan" von Pater Anselm: "Jeden Morgen höre
ich im Auto die CD 'Zwölf Engel für ein Jahr'." Jeden
Morgen fährt sie, trotz ihres Rentenalters, in den
Baustoffhandel, den sie mit ihrem Sohn betreibt. Mit
tränenerstickter Stimme sagt die elegante Dame in der
Vorstellungsrunde: "Ich erhoffe mir, ein bisschen Ruhe zu finden."
Vor zwei Jahren starb ihr Mann. Ihre goldenen Ringe glänzen in
der Sonne. Am Ende wird auch sie sich ein Autogramm holen.
Schließlich ist der 59-jährige Anselm Grün ein Star,
eine Instanz in Sachen Lebensberatung. Seine Bücher erreichen
Millionenauflagen. Wäre er nicht Mönch, könnte er
ein vermögender Mann sein.
Der Abt stützt sich auf psychologische
Erklärungsmuster, biblische Geschichten und eigene
Erfahrungen: andere Menschen führen zu wollen bedeutet,
zunächst bei sich selbst anzufangen, mit sich und der eigenen
Lebensgeschichte im Einklang zu sein. Verletzungen, und seien sie
noch so lange her, können die Ursachen für Aggressionen
sein, mit denen sie gestern noch einem Mitarbeiter begegnet sind,
ihn eventuell gar selbst verletzt haben. "Aggression nach
außen ist oft eine Aggression nach innen", sagt er. Eigenes
Verhalten kritisch zu sehen, gilt natürlich nicht nur für
Führungskräfte, kann ihnen aber helfen, auch das
Verhalten der Mitarbeiter besser einzuordnen und so auf jeden
entsprechend zu reagieren. Worum es ihnen gehen sollte, ist, ein
Klima der Motivation in ihrer Firma oder Abteilung zu schaffen,
erklärt der Pater. Das klingt für alle einleuchtend. Nur:
"Wie mache ich es praktisch?", ist die zentrale Frage, die viele
Teilnehmer bewegt. Was theoretisch nachvollziehbar ist, ist in
bestimmten Konfliktsituationen oft nicht umsetzbar.
Immer wieder fordert Pater Anselm die
Teilnehmer auf, sich in Kleingruppen zusammen zu setzen. "Wie geht
man mit Leuten um, von denen man eine ganz dumme Antwort bekommt?
Also, da werde ich wütend!", sagt Wilfried energisch. Im
wirklichen Leben leitet der fast 60-Jährige eine
Recyclingfirma. Er könnte aber auch Offizier sein. Seine
Fragen klingen mitunter wie Befehle. Der Mönch im
Kreuzverhör: "Welche Fragen stelle ich?", "Wie formuliere ich
Gefühle?" Anselm Grün wirkt etwas irritiert: "Ich
weiß jetzt gar nicht richtig, was Sie meinen", antwortet er
milde lächelnd.
"Aber was zählen denn noch Werte?",
richtet sich Max in der Kaffeepause an seine Tischnachbarn. Er
sitzt mit zwei anderen Bauunternehmern im Speisesaal des
Gästehauses, in dem es nachmittags Kuchen aus der eigenen
Bäckerei gibt. Der Kaffee kommt aus einem Automaten. Die drei
sind sich einig, dass sie in ihrem Berufsalltag in einem
"Haifischbecken" agieren, in dem "jeder jeden über den Tisch
zieht", in dem Dumpingpreise die Existenz vieler Betriebe bedrohen.
"Verantwortung, Zuverlässigkeit und Qualitätsbewusstsein
sind einfach nicht mehr wichtig", sagt Max und fordert: "Man
müsste ein Netzwerk von Unternehmern schaffen, das sich wieder
für Qualitätsstandards und den Dienstleistungsgedanken
stark macht. Und Qualität hat nun mal ihren Preis."
Am Nebentisch ist die Diskussion schon
weiter. Dort geht es um Disziplin, Strenge und Werteverfall: "Also,
mir haben die Schläge in meiner Kindheit nicht geschadet." Im
schwäbischen Dialekt von Tobias, dem Chef eines
Handwerkbetriebes, klingen solche Sätze harmloser, als sie
sind. Eine Debatte um Fragen der Kindererziehung ist entbrannt. Mit
verschränkten Armen vor dem kräftigen Oberkörper
sitzt Tobias wie jemand da, dem das Gerede um Einfühlung,
Mitfühlen, Sich-selbst-fühlen reicht: "Was soll ich denn
mit einem Mitarbeiter machen, der sich auch nach mehreren Hinweisen
partout nicht einfügen will? Da nützen auch keine
Psychospiele, sondern den kann ich dann einfach nur noch entlassen
und fertig." Die Umsitzenden schauen etwas ratlos. Wegen der
"Psychospiele" sind sie ja hier und nicht, weil sie wissen wollen,
wie man einen Mitarbeiter entlässt. Martin, mit Ende 20 der
jüngste Teilnehmer, bricht das Schweigen: "Und, haben sie dir
auch genützt, die Schläge?" Verlegen und unsicher
lächelt er und schweigt einen langen Moment: "Ich weiß
nicht."
Am Abend im Restaurant "Zum Benediktiner"
trifft sich die Gruppe. Nun duzt man sich schon, die Männer
erzählen Witze, es wird gelacht. Wilfried erzählt wie ein
Oberlehrer, warum die Ökosteuer "Quatsch" ist und wie eine
Matratze richtig zu entsorgen sei. Aber Pater Anselm hat bereits
seine Spuren in den Köpfen hinterlassen. "Ja, da sollte man
einfach mal drüber nachdenken, wie man morgens in die Firma
kommt und wie das auf die Mitarbeiter wirkt. Dass man es auch
schafft, sie zu motivieren", fällt Wilfried plötzlich
ein.
Aber die Unternehmer wären nicht
Unternehmer, wenn sie sich nicht doch für eine Frage brennend
interessieren würden: Wie überlebt eine Abtei eigentlich
wirtschaftlich? Die Baustoffhändlerin Regina stellt fest: "Nur
vom Beten können die ja auch nicht leben?" So steht es auch in
der Regel des Benedikt: "Dann erst sind sie wirklich Mönche,
wenn sie von der Arbeit ihrer Hände leben." Für Wilfried
bleibt das Kloster ein realitätsferner Raum. Andererseits
unterstellt er den Mönchen, nicht nur als
Überzeugungstäter zu handeln: "Im Kloster führen sie
doch ein relativ abgeschottetes, ruhiges Leben jenseits der harten
Wirklichkeit." Er ist hier, um die kaufmännische Welt seiner
Firma für drei Tage zu verlassen. Gleichwohl ist ein Leben
ohne Geld und persönlichen Besitz für ihn wie für
Regina völlig abwegig. Ernsthaft und voller Mitleid
überlegt Regina nach einem Gespräch mit einem
Ordensbruder deshalb: "Sollen wir ihm nicht 30 Euro geben? Er darf
doch 30 Euro Taschengeld haben."
Den Benediktinern geht es jedoch nicht um
individuellen Besitz, sondern um Gütergemeinschaft. Geld ist
hier nur Mittel zum Zweck und nicht das Ziel. Das allein scheint
die Kompetenzen des Klosters in wirtschaftlicher Hinsicht in Frage
zu stellen. Dabei sind sie, die Gäste, das beste Beispiel, wie
man auch als Kloster Geld in die Kasse bekommt. Pater Anselm, fast
schon zur "Marke" geworden, publiziert seine Bestseller im
klostereigenen Verlag, lässt sich seine Vorträge und
Seminare gut bezahlen und interessiert sich trotzdem nicht für
das Geld an sich. Geld ist nicht der Wert, sondern, das was mit ihm
geschieht. Das bleibt auch nach den "Einkehrtagen" der
Unterschied.
Claudia Heine ist Volontärin bei "Das
Parlament". Die Namen der Seminarteilnehmer wurden von der
Redaktion geändert.
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