Martin Ebbing
Unzureichende Antworten aus Teheran
Der Verdacht geheimer Atomwaffenproduktion in
Iran bleibt bestehen
Die iranischen Tageszeitungen mussten schon Redaktionsschluss
gehabt haben, als die Einzelheiten eines vertraulichen Berichtes
der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergiebehörde
(IAEA) zum iranischen Atomprogramm bekannt wurden. So lautete die
Schlagzeile auf der Titelseite der englischsprachigen Iran Daily:
"Kein militärischer Bezug in Irans Atomprogramm". Die Zeitung
zitierte aus einer Rede des Chefs der Atomenergiebehörde,
Mohammed Elbaradei, vor einer Versammlung von Nato- Parlamentariern
in Bratislava.
Die Schlagzeile ist aber nur die halbe Wahrheit. ElBaradei hatte
hinzugefügt, dass das endgültige Urteil, ob der Iran ein
Atomwaffenprogramm betreibe, noch ausstehe. Der jetzt bekannt
gewordene Bericht, der die Ergebnisse der letzten Inspektionen der
Behörde im Iran zusammenfasst, macht klar, warum Teheran immer
noch weit davon entfernt ist, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung
zu erhalten.
Zum einen hat der Iran, der nicht müde wird zu betonen, er
habe nichts zu verbergen, bei früheren Angaben offensichtlich
nicht die ganze Wahrheit gesagt. So ist das Versprechen, den Bau
von Anlagen zur Anreicherung von Uran zu stoppen, nicht eingehalten
worden.
Bei der Anreicherung wird das Uran so weiterverarbeitet, dass
sich der Anteil von leicht spaltbaren Partikeln erhöht. Eine
höhere Konzentration dieser Isotope ist notwendig, um zivile
Reaktoren damit zu betreiben. Noch weiter konzentriert kann das
Uran aber dann auch als Sprengstoff für eine Atombombe
eingesetzt werden.
Ein beliebtes, weil sehr effektives Verfahren ist es, das Uran
in einen gasförmigen Zustand zu überführen und dann
in schnell drehenden Zentrifugen die gewünschten von den nicht
gewünschten Partikeln zu trennen. Teheran hatte jahrelang
verschwiegen, ein solches Programm zu betreiben, dann aber im
vergangenen Jahr eingestanden, erste Anlagen gebaut zu haben. Die
iranische Atombehörde gestand ein, entsprechende Pläne
aus einem Labor von Abdul Khan in Pakistan erhalten zu haben. Khan
gilt als Vater der pakistanischen Atombombe. Sein Labor hat Libyen
und Nordkorea mit Plänen zum Bau eigener Bomben beliefert.
Schließlich kam heraus, dass Iran auch über Pläne
für das verbesserte Zentrifugenmodell P2 von Khan
verfügt.
Unter internationalem Druck hatte Teheran erklärt, ab dem
9. April 2004 den Bau solcher Anlagen einstweilen einzustellen. Die
IAEA stellte nun aber fest, dass auch weiterhin in drei Fabriken
Teile für die Zentrifugen hergestellt werden.
Auch die Behauptung der iranischen Atomenergiebehörde, zwar
die P2-Pläne zu besitzen, aber nur aus Versuchszwecken einige
wenige Prototypen gebaut zu haben, stellt sich als falsch heraus.
Vielmehr wurde versucht, 4.000 Magnete für eine solche Anlage
auf dem internationalen Markt zu kaufen. Damit ließen sich
2.000 Zentrifugen für eine Anlage bauen - weit mehr als man
für Forschungszwecke benötigen würde.
Auch kleinere Angaben stellten sich als unzutreffend heraus und
wecken Verdacht. So gab der Iran an, dass Rotoren für die
Zentrifugen in drei privaten Unternehmen gefertigt wurden. In
Wirklichkeit fand die Produktion in Betrieben statt, die dem
iranischen Militär unterstellt sind.
Die Inspektoren der IAEA fanden bereits im vergangenen Jahr an
zwei Orten Spuren von hochangereichertem Uran an Zentrifugenteilen.
Der Iran, der behauptet, bislang keine eigene Anreicherung zu
betreiben, gab an, die Teile müssten wohl verschmutzt worden
sein, bevor Teheran sie gekauft habe.
Die IAEA forschte nach und fand nicht nur an zwei weiteren Orten
Spuren des hochangereicherten Materials, sondern kam auch zu dem
Schluss, die Teile stammten aus Pakistan, nicht aber das
hochangereicherte Uran. Die Frage, ob der Iran dieses Uran aus
anderen Quellen gekauft hat oder doch mit der Anreicherung begonnen
hat, ist bislang noch offen. Beide Möglichkeiten sind sehr
beunruhigend, weil dies bedeuten würde, der Iran ist in der
Lage, hochangereichertes Uran für eine Bombe zu
beschaffen.
Schließlich ertappten die Inspektoren den Iran auch dabei,
Vorbereitungen für die Umwandlung von Uran in einen
gasförmigen Zustand zu treffen. Dies ist die erste Stufe des
Anreicherungsprozesses, und entsprechende Pläne waren von
Teheran bislang verheimlicht worden.
Zusammen genommen, haben die Inspektoren zwar keinen Beweis
dafür gefunden, dass eine iranische Atombombe bereits gebaut
wird, aber all die falschen Angaben wecken den Verdacht, dass
heimlich die notwendigen Vorbereitungen dafür getroffen
werden.
Der vertrauliche Bericht liegt nun den 35 Mitgliedern des
Gouverneursrates der Atomenergiebehörde vor, und es wird
darüber beraten, wie mit dem Iran weiter verfahren werden
soll. Der Rat kann weitere Aufklärung verlangen oder aber die
Angelegenheit als so schwerwiegend ansehen, dass er sie an den UN
Sicherheitsrat weiterleitet.
Der US Vertreter bei der Atomenergiebehörde, Kenneth Brill,
ließ keine Zeit verstreichen, dem Iran erneut vorzuwerfen,
geheime Atomwaffenpläne zu verfolgen. "Diese anhaltende
Weigerung, mit der IAEA vollständig zu kooperieren, entspricht
dem lange existierenden Muster der Leugnung und Täuschung, das
nur dazu dienen kann, Irans militärisches Atomprogramm zu
verschleiern", sagte er vor Reportern.
Der Sekretär des iranischen Nationalen Sicherheitsrates,
Hassan Rowhani, wertete den Report dagegen auf einer
Pressekonferenz als eine Bestätigung, dass Teheran seinen
Verpflichtungen gegenüber der IAEA nachkomme. Es existierten
nur noch "kleinere technische Probleme", die in der Zukunft
ausgeräumt werden könnten.
Die in den vergangenen Wochen immer wieder angekündigte
Drohung, alle Kooperation einzustellen, wenn die
Atomenergiebehörde die Akte Iran nicht endlich schließe,
wiederholte Rowhani bei dieser Gelegenheit jedoch nicht.
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