dpa
Union bündelt die Proteste
Analyse der Europa-Wahl
Der Ärger über die Bundesregierung gepaart mit einer
eklatanten Mobilisierungsschwäche hat die SPD bei der
Europawahl in die Niederlage gestürzt. Das zeigt die am 14.
Juni veröffentlichte Analyse der Mannheimer Forschungsgruppe
Wahlen, die sich auf Wählerbefragungen stützt. Die
Sozialdemokraten schnitten demnach sehr schwach in
Wählerschichten ab, die der Regierungspartei früher
besonders zugeneigt waren.
Bundespolitik
Die SPD erzielte laut Forschungsgruppe "vor allem wegen der
Unzufriedenheit mit ihrer Regierungspolitik" das mit Abstand
schlechtestes Resultat bei einer bundesweiten Wahl. Auf einer Skala
von minus 5 bis plus 5 erhielt die Regierung die Note minus 1,3,
die Opposition immerhin minus 0,3.
Für eine Mehrheit der Deutschen war die Europawahl eine
bundespolitische Angelegenheit: 51 Prozent trafen ihre Entscheidung
primär wegen der Politik in Berlin, für 43 Prozent war
dagegen bei der Stimmabgabe die Europapolitik wichtiger. Ein Grund
für die schwache Beteiligung (43,0 Prozent): Lediglich 61
Prozent der Deutschen halten Beschlüsse des EU-Parlaments
für wichtig, bei solchen des Bundestages sind es 86
Prozent.
Nach der Wählerbefragung hat es die Union vor allem
geschafft, den Protest gegen die Bundesregierung zu bündeln.
Die SPD dagegen hatte noch stärker als bei früheren
Europawahlen große Probleme, die eigene Klientel zur Wahl zu
bringen.
Wählerwanderung
Belegt wird die schwache Mobilisierung durch die Analyse der
Wählerwanderung, die das Infas-Institut für angewandte
Sozialwissenschaft in Bonn vorlegte. Danach ging der
größte Wählerstrom von der SPD zum Lager der
Nichtwähler - per saldo 1.390.000 Stimmen. Außerdem
verloren die Sozialdemokraten unterm Strich 650 000 Stimmen an die
Grünen. Noch einmal 340 000 Stimmen gingen an andere Parteien.
Auch viele Unionsanhänger blieben zu Hause: 870.000
CDU/CSU-Wähler der Europawahl 1999 verzichteten diesmal auf
die Stimmabgabe. In hohem Maße war dieses Phänomen in
Ostdeutschland zu beobachten: Dort verlor die CDU allein 372.000
Stimmen per saldo, das sind gut drei Prozent der Wahlberechtigten.
370.000 Wähler gab die Union an die FDP ab. Grünen und
FDP gelang es, ihre Anhänger zu mobilisieren. Per saldo
330.000 Menschen, die 1999 nicht gewählt hatten, machten
diesmal ihr Kreuz bei den Grünen. Zusammen mit den vielen
Ex-SPD-Stimmen machte dies den Erfolg der Grünen aus. Die FDP
schaffte ihren Wiedereinzug ins EU-Parlament auch mit Hilfe von 220
000 ehemaligen Nichtwählern.
Wählergruppen
Besonders große Verluste musste die SPD nach der Analyse
der Forschungsgruppe bei den Arbeitern hinnehmen (nur noch 23
Prozent, minus 13 Punkte). Auch in der Gruppe der 30- bis
44-Jährigen fielen die Verluste mit 13 Punkten
überdurchschnittlich stark aus. In dieser Altersgruppe
erreichten die Grünen mit 19 Prozent ihr bestes Ergebnis (plus
acht Punkte). Die CDU/CSU erzielte mit 54 Prozent in der
großen Gruppe der über 60-Jährigen erneut ihr bestes
Resultat, musste aber in allen anderen Altersgruppen Einbußen
hinnehmen. Die FDP konnte besonders bei jüngeren Wählern
punkten und erzielte mit acht Prozent bei den unter
30-Jährigen ihr bestes Ergebnis.
Die PDS
Während die PDS im Osten auf 25,1 Prozent kam, erhielt sie
im Westen (1,7 Prozent) fast keinen Zuspruch. Damit ist die PDS
jetzt im Osten zweitstärkste Partei nach der CDU, die dort
34,2 Prozent erhielt. Forscher wiesen aber auf die geringe
Wahlbeteiligung hin. Der PDS-Erfolg im Osten sei deshalb nicht
unbedingt als echtes Comeback zu werten.
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