K. Rüdiger Durth
Althaus kann mit einer Stimme Mehrheit weiter
regieren
Landtagswahl in Thüringen
Ein großer Strauß gelber Blumen aus
der Hand von CDU-Chefin Angela Merkel war eines der vielen
sichtbaren Zeichen der Anerkennung, über die sich
Ministerpräsident Dieter Althaus (45) am Tag nach der
Landtagswahl in Thüringen am 13. Juni freuen durfte. Bereits
am Wahlabend, kurz nach Schließung der Wahllokale im
"grünen herzen Deutschlands", wie sich der Freistaat gern
selbst nennt, musste der ehemalige Gymnasiallehrer unzählige
Hände schütteln. Allerdings musste er auch einige Stunden
um die absolute Mehrheit bangen.
Vor fünf Jahren hatte die CDU unter
Ministerpräsident Bernhard Vogel 51 Prozent der Stimmen
errungen. Die Demoskopen hatten seinem Nachfolger Althaus
vorausgesagt, dass er höchstens mit 45 Prozent der Stimmen
rechnen könne und wohl einen Koalitionspartner brauche. Da die
Demoskopen gleichzeitig den Grünen einen Sprung in das
88-köpfige Parlament in Erfurt zutrauten, wurde bundesweit
kräftig über eine erste schwarz-grüne Koalition auf
Landesebene spekuliert - obwohl Althaus-Herausforderer Christoph
Matschie (SPD) sich eindeutig für eine Große Koalition
ausgesprochen hatte.
Doch schließlich sollte alles anders
kommen: Bei einer Wahlbeteiligung von lediglich 54 Prozent (1990
hatte sie noch bei 71,8 und 1994 bei 74,8 Prozent gelegen) der
Stimmen sackte die CDU auf 43 Prozent ab, verlor vier ihrer
bisherigen Mandate und kann künftig mit 45 Sitzen doch allein
weiter regieren. Der Grund liegt vor allem darin, dass die
Grünen (denen 7.161 Stimmen für das Überspringen der
Fünf-Prozent-Hürde fehlten) und die FDP nicht den Sprung
in den Landtag schafften.
Und aus dem Herausforderer Matschie, seit
1990 Bundestagsabeordnetern und seit 2002 Parlamentarischer
Staatssekretär bei der Bundesbildungsministerin, wurde der
große Verlierer. Er konnte weder die absolute Mehrheit der CDU
brechen, noch die PDS vom zweiten Platz verdrängen, sondern
musste sich mit 14,5 Prozent der Stimmen zufrieden geben, was 15
Sitzen im Landtag entspricht (drei weniger als bislang bei 18,5
Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl 1999).
Nun steht Matschie im Kreuzfeuer der Kritik.
Vor allem deshalb, weil er vor der Wahl glaubhaft eine Koalition
mit der PDS ausgeschlossen hatte - die nun die große
Wahlsiegerin ist. Denn die PDS unter ihrem alten und wohl auch
neuen Fraktionsvorsitzenden Bodo Ramelow - der sich nicht als
Kommunist, sondern als christlicher Sozialist versteht - konnte den
Stimmenanteil der Linkssozialisten kräftig steigern - um 4,8
auf nunmehr 26,1 Prozent. Diese bedeuten 28 Sitze im Erfurter
Landtag, sieben mehr als bislang.
Geschickt hatte Ramelow der SPD vor der Wahl
angeboten, auch als stärkste Fraktion nicht unbedingt auf dem
Ministerpräsidentenamt zu bestehen. Doch Matschie ließ
sich nicht beirren. Nun soll er vor allem an dem hohen
Stimmenzuwachs für die PDS und an dem schlechten Abschneiden
der SPD schuld sein. Behauptet nicht nur Matschie-Vorgänger
Richard Dewes, der 1999 als Spitzenkandidat die damals bereits
blamablen 18,5 Prozent "eingefahren" hatte. Gegen Matschies Willen
wurde als erstes der Landesgeschäftsführer
beurlaubt.
Christoph Matschie wird sein Landtagsmandat
annehmen, den Staatssekretärsposten in Berlin aufgeben und aus
dem Deutschen Bundestag ausscheiden. Der Politiker, der im
Wahlkampf immer wieder betonte, in Erfurt zu bleiben, soll
Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion werden. Eine Entscheidung
über den Landesvorsitz, den Matschie innehat, wird die SPD auf
einem Sonderparteitag fällen.
Mit Matschies Wechsel auf den Posten des
Oppositionsführers in Erfurt wird die Regierungskoalition von
SPD und Grünen im Bund zwar ein Mandat verlieren und die Zahl
ihrer Abgeordneten von heute 305 auf 304 schrumpfen. Doch da
gleichzeitig auch die Zahl der Abgeordneten im Bundestag insgesamt
von 602 auf 601 zurückgeht, sinkt rechnerisch auch die Quote
für die absolute Mehrheit im Parlament. Sie liegt dann nur
noch bei 301 - statt bisher 302. Und mit 304 Mandaten hätte
die Koalition immer noch eine Mehrheit von drei Stimmen - so viel
wie heute.
Und in einer Woche - am 27. Juni - sind die
Thüringer schon wieder an die Wahlurnen gerufen. Diesmal geht
es um die Kommunalparlamente. Wird die SPD erneut eine schwere
Niederlage einstecken müssen, an der vom 13. Juni aus
Matschies Sicht vor allem das schlechte SPD-Bild auf Bundesebene
schuld war? Die PDS hat sich zum Ziel gesetzt, die Mehrheit in den
Parlamenten der großen Städte zu erobern - von Erfurt
über Suhl bis Gera. Die PDS-Erfolge bei der Kommunalwahl in
Sachsen-Anhalt und Sachsen machen den Linkssozialisten
zusätzlichen Mut.
Erstmals konnte die PDS fünf
Direktmandate bei der Landtagswahl in Thüringen erringen, die
SPD nicht ein einziges. So wurde also auch SPD-Spitzenkandidat
Matschie über die Liste gewählt. Bei der PDS hingegen
konnten Landesvorsitzender Dieter Hausold und Spitzenkandidat Bodo
Ramelow sogar prominenten Christdemokraten wie beispielsweise
Finanzministerin Birgit Diezel den Wahlkreis abnehmen.
Ministerpräsident Althaus, bis November
gleichzeitig Präsident des Bundesrates, hat sich wie Christoph
Matschie auch in dem zurückliegenden Landtagswahlkampf
abgerackert wie kaum ein anderer. Das wurde nicht nur mit der
erneuten Direktwahl im Wahlkreis Eichsfeld I belohnt, sondern auch
mit einem Erstimmenergebnis von 62,8 Prozent. Es zeigte sich nicht
nur um Eichsfeld, dass viele Thüringer bei ihrer Stimmabgabe
nicht nur die Parteien, sondern auch die aufgestellten Kandidaten
im Blick hatten.
Schnelle Kabinettsbildung erwartet
Landtagspräsidentin Christine
Lieberknecht (Weimarer Land II) wurde ebenso direkt in den 4.
Thüringer Landtag gewählt wie die meisten Mitglieder des
bisherigen Kabinetts - mit der bereits erwähnten Ausnahme von
Birgit Diezel, die aber über die Landesliste abgesichert war.
Wissenschaftsministerin Dagmar Schipanski, 1999 noch parteilose
Kandidatin der Union für das Amt des Bundespräsidenten,
rückt erstmals in den Landtag ein. Ebenfalls über die
Landesliste. Sie hatte sich erst gar nicht um einen Wahlkreis
bemühen müssen.
Althaus hat bereits durchblicken lassen, dass
das neue Kabinett nicht das alte sein wird. Bei einer Mehrheit von
einer Stimme kommt dem künftigen Fraktionsvorsitzenden eine
besonders wichtige Rolle zu (ein Amt, das Althaus vor seiner Wahl
zum Ministerpräsidenten innehatte). Gebraucht wird vor allem
eine Persönlichkeit, die über eine große
Integrationskraft verfügt. Dabei denkt man in der Fraktion
nicht zuletzt an Christine Lieberknecht. Doch die frühere
Staatsministerin für Bundes-und Europaangelegenheiten
möchte am liebsten das Amt behalten, das sie seit 1999 inne
hat, nämlich das der Landtagspräsidentin.
Der neue und alte Ministerpräsident, der
sein Kabinett Mitte Juli vorstellen will, muss aufpassen, dass er
niemanden in der Fraktion enttäuscht - denn er braucht bei der
geheimen Abstimmung zur Wahl des Ministerpräsidenten in der
Tat alle Stimmen der CDU. Die Schwerpunkte seiner Politik werden in
den kommenden fünf Jahren vor allem auf den Gebieten der
Familien- und Bildungs- sowie der Verkehrs- und Wirtschaftspolitik
liegen.
Der thüringische Ministerpräsident
gilt als "Gefolgsmann" von CDU-Chefin Angela Merkel. Das
könnte ihm in absehbarer Zeit auch ein bundespolitisches Amt
eintragen, zumal er das des Bundesratspräsidenten bislang
geschickt für seine eigenen Ambitionen eingesetzte. Auch im
Zentralkomitee der deutschen Katholiken wird ihm eine herausragende
Stellung vorhergesagt. Allerdings wird Althaus wegen der knappen
Mehrheitsverhältnisse öfter in Erfurt sein müssen.
Und zunächst muss er in den nächsten Tagen wieder
kräftig Wahlkampf machen, um das gute CDU-Ergebnis bei der
Landtagswahl auch in den Städten und Gemeinden
abzusichern.
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