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Das Parlament
Nr. 37 / 06.09.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Johannes L. Kuppe

Orientierung in der jüngsten deutschen Geschichte

Kurz notiert

Globalisierung und Europäisierung, Terrorismus, Migrationsströme - alles Zeichen eines weltweiten Umbruchs auf allen gesellschaftlichen Ebenen, in denen die Individuen und Nationen ihren Platz im eigenen Umfeld wie in der Völkergemeinschaft neu zu bestimmen versuchen. Dies gilt ebenso für die Zeitgeschichtsforschung, nicht zuletzt für die deutsche, die angesichts der Verwerfungen der jüngsten Geschichte ein besonders komplexes Geflecht von Einflussfaktoren auf das deutsche Selbstverständnis deuten und damit ordnen muss.

Dieser Sisyphusaufgabe hat sich das Historische Kolleg in einem dreitägigen Kolloqium gestellt; jetzt werden seine Ergebnisse vorgestellt. Zunächst werden globale und internationale Aspekte, in zwei weiteren Kapiteln sozialstaatliche und nationale Fragen, einschließlich der die DDR und die deutsche Teilung betreffenden, behandelt. Alles, was die deutsche Innenpolitik und Außenpolitik in der Phase des Ost-West-Konfliktes bestimmte, wird, wenn auch manchmal nur exemplarisch, angesprochen: Welt- und bündnispolitische Einflüsse, vorherrschende Ideologien, die Krisen, Sozialstaatlichkeit, Verbürgerlichung und Entbürgerlichung, Religion, Verwissenschaftlichung, nationale Bindungskräfte und was davon geblieben ist - um nur einige Stichworte zu nennen.

Die 15 Beiträge bedeuten häufig sehr unterschiedliche "approaches", zum Beispiel eine Mixtur ereignis- und strukturgeschichtlicher Sichtweisen. Einen Sonderhinweis verdient Martin Sabrow, der mit seinen kritischen Fragen an die Geschichte der DDR die Gesamtintention dieses Bandes konterkariert. Der Autor hat keine eindeutigen Koordinaten zur Interpretation dieser Geschichte gefunden, weil es - und hier stimmt der Rezensent völlig zu - keine gibt. Stattdessen müssen die Zeithistoriker mit einem Paradoxon leben, das sowohl "Herrscher" als auch "Beherrschte" band, der "Bindungskraft einer oktroyierten Wirklichkeit". Auch dieser Befund ist nicht hinreichend luzide, aber eingängig und überzeugend. Bleibt die Frage, ob man eine derartige Orientierungssuche derart anthologisch bewältigen kann. Trotzdem: eine sehr lesenswerte Lektüre. Johannes L. Kuppe

Hans Günter Hockerts, Elisabeth Müller-Luckner (Hrsg.)

Koordinaten deutscher Geschichte in der Epoche des Ost-West-Konfliktes.

Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 55.

R. Oldenbourg Verlag, München 2004;

339 S. 59,80 Euro

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