Karl-Rudolf Korte
Ruinieren die Beamten den Staat ?
Eine Streitschrift wider einen privilegierten
Stand
Der Journalist Olaf Baale hat ein flottes Buch geschrieben. Wer
sich schon immer über Beamte im öffentlichen Leben
aufgeregt hat, der findet hier geradezu eine Lustbefriedigung. Der
Staat wird durch die Beamten ruiniert, diesen Zusatz hätte der
Autor getrost mit in den Untertitel nehmen können. Es folgen
auf über 200 Seiten detaillierte Analysen der Kosten,
Strukturen und Privilegien des deutschen Beamten- und
Verwaltungsapparates.
Das ist amüsant zu lesen, faktenreich recherchiert und
essayistisch zugespitzt. Zur Kritik an den Beamten gesellt sich die
Kritik an den Landtags- und Bundestagsabgeordneten. Zurecht wird
nachgewiesen, dass meistens der öffentliche Dienst in den
Reihen der Abgeordneten vor dem Mandat der Arbeitgeber war. Den
Grünen wird ein "intimes Verhältnis mit dem
Öffentlichen Dienst" unterstellt. Selbstständige sind
Mangelware in deutschen Parlamenten.
Scharf wendet sich Baale gegen Beamte in politischen Funktionen:
"Wenn die Demokratie in Deutschland funktionieren soll, dürfen
Beamte keinen Zugang zu politischen Ämtern bekommen." Dies
wird nicht demokratietheoretisch begründet, sondern vorwiegend
im Blick auf das Budgerecht der Parlamentarier.
Baale focusiert die gesamte Problematik der Verschuldung der
öffentlichen Haushalte auf die Herkunft der Parlamentarier. Er
sieht unheilvolle Allianzen zwischen der Politik und der
Verwaltung. Die Verschuldungsfalle hängt mit dieser unseligen
Allianz zusammen. Unklar bleibt allerdings, wieso auch
Großbritannien oder die USA, die kein Berufsbeamtentum kennen,
ebenso unter Staatsverschuldung leiden. Der Autor lobt die anderen
politischen Systeme, verschweigt jedoch den Grad der
Verschuldung.
Welche Formen von Privilegien von der Zahnbehandlung bis zum
Sonderurlaub der deutsche Beamte in Anspruch nehmen kann,
füllt ein ganzes Kapitel. Der Deutsche Beamtenbund könnte
sicherlich ebenso faktengestützt eine Gegendarstellung
erarbeiten. Als Leser ist man fassungslos angesichts der
jahrhundertealten Vorzüge, welche die Beamten genießen;
als Wissenschaftler stellt man die Frage nach dem Maßstab.
Sehr selten werden Vergleiche aus anderen Berufsbereichen mit
angefügt, die sicherlich auch Privilegien kennen. Manchmal
rutscht der Autor ins Polemische ab: "Dem von alten Beamten
dominierten Parlamentarische Rat lagen vor allen zwei Dinge am
Herzen: Die Menschenrechte und die hergebrachten Grundsätze
des Berufsbeamtentums."
Völlig ausgeblendet bleibt die Auseinandersetzung mit
verwaltungswissenschaftlichen Überlegungen. Hier hat sich in
den letzten zehn Jahren sehr viel bewegt. An die Stelle der
juristischen ist immer mehr ein betriebswirtschaftlicher Stil
getreten. Aus Beamten sind sicher nicht schnell Manager zu machen,
dennoch verändern sich die Grundsätze des
Berufsbeamtentums unter dem Gesichtspunkt neuer
Steuerungsmodelle.
Auch zu einer anderen Überlegung vermisst man eine
sachkundige Auseinandersetzung: was bringt eine Privatisierung des
öffentlichen Lebens an Vorteilen? Über die
Kostenargumentation lässt sich bestimmt streiten. Doch welche
Bereiche gehören zwingend zur Daseinsvorsorge des Staates
gegenüber den Bürgern? Im internationalen Umfeld machen
einige Länder die Privatisierung von öffentlichen
Aufgaben wieder rückgängig, um die Kontrolle auch unter
Sicherheitsaspekten zu behalten.
Solche Argumentationen hätten der Leitthese des Buches
nicht geschadet. Wenn klar geworden wäre, in welchem Bereich
Beamte unverzichtbar sind, dann hätte die Gesamtargumentation
an Dramatik gewonnen. Umso vehementer und bereitwilliger hätte
sich der Leser dem Urteil angeschlossen, den öffentlichen
Dienst zu reduzieren. Karl-Rudolf Korte Olaf Baale
Die Verwaltungsarmee.
Wie der Staat ruiniert wird.
Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2004;
220 S., 13,- Euro
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