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Rainer Wend MdB (SPD)
Den Mittelstand gezielt fördern
Beschäftigung schaffen
Der Mittelstand ist das Rückgrat der
deutschen Volkswirtschaft, das Herz der Sozialen Marktwirtschaft.
Schließlich sind es die 3,3 Millionen kleinen und mittleren
Unternehmen, die in großem Umfang Arbeits- und
Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Sie bereichern
den Wirtschaftsstandort Deutschland durch qualifizierte Ausbildung,
berufliches Know-how, Arbeitsleistung und die Übernahme von
persönlicher Verantwortung.
Die genauen Zahlen über den Mittelstand
können nicht häufig genug genannt werden, um seine
Bedeutung hervorzuheben: so prägen kleine und mittlere
Unternehmen 99 Prozent der gesamten Unternehmenslandschaft; damit
tragen sie 43 Prozent der zu versteuernden Umsätze und bieten
etwa 70 Prozent aller Arbeitsplätze und 80 Prozent der
Ausbildungsstellen. Ohne wirtschaftsstarke und investitionsbereite
mittelständische Unternehmen lässt sich daher die
Arbeitslosigkeit in unserem Land nicht wirksam
bekämpfen.
Doch bestimmen diese Unternehmen nicht nur
die Situation des inländischen Arbeitsmarktes entscheidend
mit, sie sind es auch, die Deutschland im Wettbewerb auf dem
internationalen Markt durch die Entwicklung neuer Technologien
einen obersten Rang sichern. So bringen rund 200.000
mittelständische Unternehmen in Industrie und Dienstleistung
jedes Jahr neue Produkte und Prozesse auf den Markt; Deutschland
ist heute zweitgrößter Netto-Technologieexporteur der
Welt. Trotz dieser herausragenden Bedeutung des Mittelstandes
für Deutschland haben wir ihm in der Vergangenheit nicht immer
die Unterstützung zukommen lassen, die in Zeiten der
Globalisierung im internationalen Wettbewerb erforderlich ist.
Insbesondere die globale Organisation der Technologiemärkte
und die dort immer stärker werdende internationale Konkurrenz
erfordern weitere Förderung und Unterstützung des
Mittelstandes, um im Wettbewerb zukünftig bestehen zu
können. Auch das fehlende Wirtschaftswachstum zeigt seine
Auswirkungen auf den Mittelstand: Die Zahlen der
neugegründeten mittelständischen Unternehmen sind in den
letzten Jahren gesunken. Aus diesem Grund haben wir mit der
Verabschiedung der Agenda 2010 die Grundlage für eine neue,
innovativere Mittelstandspolitik geschaffen, die die
Rahmenbedingungen für kleine und mittelständische
Unternehmen in Zukunft verbessern wird. Der Schwerpunkt dieser
Mittelstandsoffensive liegt beispielsweise darin, zinsgünstige
Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen und
Existenzgründungen zu fördern. Zwei wichtige
Gesichtspunkte der neuen Mittelstandpolitik sollen im Folgenden
eine nähere Betrachtung erfahren: die Schaffung der
Mittelstandsbank zur finanziellen Förderung der Unternehmen
auf der einen und der Bürokratieabbau auf der anderen
Seite.
Die neue Mittelstandsbank
Eine gesicherte Finanzierung ist der
Grundstein für eine erfolgreiche Unternehmensführung.
Gerade hier lagen - und liegen leider immer noch - große
Schwierigkeiten für die mittelständischen Unternehmen.
Schließlich spüren auch die Banken in Deutschland die
Folgen der Globalisierung; so ziehen sich die großen
Privatbanken aus der finanziellen Unterstützung des
Mittelstandes zurück, weil sie die Realisierung ihrer Gewinne
in erster Linie bei der Kreditvergabe an große Unternehmen
sowie bei den Geld-, Devisen- und Wertpapiergeschäften mit
diesen gesichert sehen. Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die
bislang die traditionellen Kreditgeber des Mittelstandes waren,
sind durch die europäische Umstrukturierung der
Bankenlandschaft und eigener Abschreibungsbedarfe ebenfalls
zurückhaltend bei der Auszahlung von Krediten an kleine und
mittelständische Unternehmen.
Um die Schwierigkeiten, die sich aus dieser
Situation für die Unternehmen ergeben, aufzufangen, hat die
Bundesregierung im August 2003 durch die Zusammenlegung der
Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der Deutschen
Ausgleichsbank (DtA) eine Bank für den Mittelstand geschaffen.
Zu den Aufgaben der KfW zählte immer schon die Förderung
des Mittelstandes sowie die Projektfinanzierung wohingegen die DtA
vor allen Dingen Unternehmensgründungen gefördert hat.
Bis zu ihrer Zusammenlegung war sowohl die KfW als auch die DtA
für die Ausführung der Förderprogramme des Bundes
für den Mittelstand zuständig. Wir haben mit der
Zusammenlegung einen Weg gefunden, damit der Mittelstand und die
Unternehmensgründer aus einer Hand eine transparente und
effiziente Förderung erhalten. Darüber hinaus haben wird
nicht nur die bislang erfolgreichen Förderprogramme in der
KfW-Mittelstandsbank gebündelt, sondern das Angebot
mittelständischer Förderungen insgesamt weiterentwickelt
und den gegenwärtigen Bedürfnissen der Unternehmen
angepasst.
Als zentraler Ansprechpartner soll die
Mittelstandsbank nun durch eine schnellere und
unbürokratischere Auszahlung der Kreditmittel die Finanzierung
des Mittelstandes sichern und auf diesem Weg dessen
Investitionsfähigkeit ausbauen. Die Durchleitung der
Finanzierung erfolgt über die Hausbank des jeweiligen
Unternehmens, somit ist die Kooperations- und Einsatzbereitschaft
der Hausbank die Voraussetzung für eine schnelle Realisierung
der finanziellen Unterstützung. Ob das Ziel, das mit der
Schaffung der Mittelstandsbank verfolgt wurde - die
Möglichkeit, ein übersichtliches, kostengünstiges
und unbürokratisches Förderungsprogramm für den
Mittelstand in Anspruch zu nehmen - erreicht werden wird, bleibt
wegen des noch kurzen Zeitraums abzuwarten. Jedoch beklagt der
Mittelstand, dass die Hausbanken bei der Beratung und der
Auszahlung von Krediten der KfW-Bank zurückhaltend sind. Grund
dafür ist nach Auskunft der Banken, dass die
Bearbeitungskosten bei der Vergabe von Kleinstkrediten an
Unternehmen unverhältnismäßig hoch sind.
Zur Lösung dieses Problems soll nach
ersten Überlegungen von Bundesregierung und
KfW-Mittelstandsbank eine bankenübergreifende Kreditfabrik
gegründet werden, die das Verfahren für das
Mittelstandsförderprogramm standarisiert und
zusammenführt. Anschließend soll dann allen Banken und
Sparkassen die Möglichkeit eröffnet werden, Kleinkredite
zentral bearbeiten zu lassen, um Kosten zu sparen. Sollte trotz des
Konzepts der Kreditfabrik immer noch keine erfolgreichere
Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen zu verbuchen
sein, so bleibt zu überlegen, ob die Mittelstandsbank durch
eine Umstrukturierung der Kreditvergabe direkter Ansprechpartner
für kleine und mittlere Unternehmen werden muss.
Bereits der Koalitionsvertrag der
rot-grünen Bundesregierung vom 16. Oktober 2002 legt fest,
dass der Abbau überflüssiger Bürokratie ein
vorrangiges Ziel der Legislaturperiode sein wird, um den
Mittelstand zu entlasten sowie Wachstum und Beschäftigung zu
fördern. Gerade mittelständische Unternehmen und
Existenzgründer sind auf eine kooperative und schnell
handelnde Verwaltung ebenso angewiesen wie auf verständliche
und lebensnahe Rechtsvorschriften. Das Strategiekonzept "Initiative
Bürokratieabbau", das das Bundeskabinett im Juli 2003
verabschiedet hat, bildet die Grundlage für einen umfassenden
Bürokratieabbau in Deutschland. Im Mittelpunkt dieses Konzepts
stehen fünf Handlungsfelder, denen für die Entlastung der
Bürger und die Wettbewerbsfähigkeit des
Wirtschaftsstandortes eine besondere Bedeutung zukommt:
Arbeitsmarkt, Selbstständigkeit, Wirtschaft und Mittelstand,
Forschung und Technologie, Zivilgesellschaft und Ehrenamt,
Dienstleistung und Bürgerservice. Die Entlastungen sollen vor
allen Dingen kleine und mittlere Unternehmen spüren; der
Freiraum, den sie durch den Abbau unnötiger Bürokratie
gewinnen, wird unternehmerisches Engagement fördern und somit
die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken. Durch eine
Realisierung von Teilen des Strategiekonzepts ist der Mittelstand
beispielsweise schon heute nicht mehr der Verpflichtung ausgesetzt,
zahlreiche statistische Daten zu erheben. Das
Bundesjustizministerium hat ein Konzept zur Rechtsbereinigung
erarbeitet und die Streichung von 200 Gesetzen und
Rechtsverordnungen vorgeschlagen.
Innovationsregionen
Im August 2003 hat das
Bundeswirtschaftsministerium zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung
das Projekt "Innovationsregionen" gestartet, bei dem in
ausgewählten Innovationsregionen Bundesvorschriften, die in
Zusammenarbeit von Wirtschaft und Verwaltung als bürokratisch
empfunden wurden, für einen begrenzten Zeitraum außer
Kraft gesetzt werden. Die dort erarbeiteten Vorschläge sollen
dann im Rahmen der Initiative Bürokratieabbau umgesetzt
werden.
Eine der Innovationsregionen ist
Ostwestfalen-Lippe; die Initiative "Modellregion
Ostwestfalen-Lippe: Wirtschaftsnahe Verwaltung" hat solche
Rechtsvorschriften regional begrenzt und befristet ausgesetzt oder
modifiziert, die die Zusammenarbeit von öffentlichem und
privatem Sektor betreffen. In erster Linie geht es dabei um die
Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren,
Erleichterung für Existenzgründer, Deregulierung im
Statistikbereich. Das besondere Konzept der Modellregion
Ostwestfalen-Lippe liegt darin, dass sie als eine von drei
Testregionen in Deutschland den Abbau von Bundesvorschriften
mitgestaltet und durch eigene Initiative voranbringt, in der Region
die Qualität behördlicher Leistungen weiter umfassend
verbessert und Menschen in der Region mobilisiert, in
Eigenverantwortung in ihrem Gestaltungsbereich die Grundidee des
Bürokratieabbaus aufzugreifen und eigene Aktivitäten zu
entfalten. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat
bereits die Vorschläge der Region im Gesetz zum
Bürokratieabbau in der Modellregion Ostwestfalen-Lippe
(Bürokratieabbaugesetz OWL) vom 16. März 2004 (GVBl. NRW
S. 134) aufgegriffen, die in die Zuständigkeit des Landes
fallen. Die OWL Marketing GmbH hat im Rahmen ihrer Initiative
"Wirtschaftsnahe Verwaltung" aus ihren Erfahrungen mit den
Mustervorschriften Vorschläge erarbeitet, das Bundeskabinett
hat anschließend neun der Vorschläge aus
Ostwestfalen-Lippe in die Gesetzesänderungen
aufgenommen.
Fazit
In den vergangenen Jahren hat die
rot-grüne Bundesregierung bereits zahlreiche Maßnahmen
auf den Weg gebracht, damit sich die Rahmenbedingungen für den
Mittelstand auch langfristig verbessern. Kleine und mittlere
Unternehmen haben schon jetzt durch die Einkommen- und
Körperschaftssteuerpolitik große Entlastung erhalten. Die
Konsolidierung der öffentlichen Haushalte muss fortgesetzt
werden, damit das Zinsniveau weiterhin niedrig bleibt und somit
insbesondere den Mittelstand durch zinsgünstige Kredite
entlastet. Die Schaffung der Mittelstandsbank war eine wichtige
Maßnahme, um unbürokratisch und flexibel
Förderkredite an mittelständische Unternehmen
auszuzahlen. Auch wenn dies in der Praxis noch Schwierigkeiten
bereitet, bleibt zu hoffen, dass die Gründung einer
Kreditfabrik und die mit ihr verbundene kostengünstige
Abwicklung der Kreditvergabe eine Lösung darstellt. Die
einzelnen Vorschläge der Innovationsregionen für einen
Bürokratieabbau sind ein wichtiger Schritt, um bundesweit
überflüssige und unübersichtliche Rechtsvorschriften
zu streichen. Nicht nur dem Mittelstand wird die Reduzierung
bürokratischer Prozesse langfristig Entlastung
bringen.
Der Autor ist Mitglied der
SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzender des Ausschusses für
Wirtschaft und Arbeit.
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