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Peter Wilhelm
Eine Gründung aus Protest
Aktionsgemeinschaft Wirtschaftlicher
Mittelstand
Es war 1973: Das sprach sich die SPD auf einem Bundesparteitag
in Hannover dafür aus, den Maklerberuf zu verbieten und statt
dessen kommunale Wohnungsvermittlungsstellen einzurichten. Das
Verbot trat nie in Kraft, der Vorstoß verlief im Sande; doch
der Widerstand, der sich gegen die Pläne formierte,
mündete in einer dauerhaften Organisation.
Denn auf Initiative des Rings Deutscher Makler und des
Bundesverbandes der deutschen Versicherungskaufleute war damals
eine Aktionsgemeinschaft gegen das Maklerverbot ins Leben gerufen
worden, aus der später der Dachverband für die
mittelständische Dienstleistungsgewerkschaft hervorging. Den
Kontext ihrer Entstehung trägt die Aktionsgemeinschaft
Wirtschaftlicher Mittelstand e.V., kurz AWM, bis heute in ihrem
Namen. 100.000 Firmen gehören der AWM an, und zwar meist
mittelbar über die jeweiligen Berufsverbände. Das
Spektrum ist breit gefächert und umfasst mehr als 20 Branchen,
vom Architekten und Zahntechniker, über den Wachschutz und
Kantinenpächter, bis hin zum Sozial- und Finanzdienstleister.
Auch Einzelmitgliedschaften sind möglich. Die einzelnen
Berufsgruppen sind durch Spitzenvertreter ihrer Verbände im
erweiterten AWM-Präsidium, dem 31-köpfigen
Präsidialrat, repräsentiert.
Für all ihre Mitglieder will die Aktionsgemeinschaft
wirtschaftlicher Mittelstand "Sprachrohr, Beobachter und
Interessenvertretung" sein, was in der Praxis nichts anderes als
klassische Lobbyarbeit bedeutet, mit dem Ziel, die öffentliche
Meinungsbildung und politische Entscheidungsfindung zu
beeinflussen. "Wir befinden uns da allesamt in einem
Überzeugungswettbewerb", sagt
AWM-Bundesgeschäftsführer Markus Guhl. Dabei betont der
Verein seine parteipolitische und weltanschauliche
Unabhängigkeit.
In der Sache geht es der AWM um günstige Rahmenbedingungen
für kleine und mittlere Dienstleistungsbetriebe, die sie unter
dem Postulat von mehr Eigenverantwortung und Deregulierung
durchzusetzen versucht - "Subsidiarität" lautet das
Schlagwort, und der Weg dahin führt vor allem über eine
rege Kontaktpflege. So ist die AWM stets um das Gespräch mit
Ministerien und Abgeordneten bemüht.
Im Sommer vergangenen Jahres ging der Verband mit einer neuen
Aktion auf die gewählten Volksvertreter zu, und bot ihnen
Praktikumsplätze in Betrieben an. Hintergrund war eine
Diskussion über die Wirklichkeitsnähe beziehungsweise
-ferne der Parlamentarier. "Dass viele Politiker nicht wissen, wie
es in einem Betrieb aussieht, können wir aus unserer
politischen Arbeit nur bestätigen, bemängelte
AWM-Präsident Günter Schmitt-Bosslet. Viele von ihnen
hätten die Bodenhaftung verloren und oft keine Ahnung von den
Nöten und Sorgen der Firmen. Die AWM zog inzwischen eine
positive Bilanz der Aktion: Mehr als 30 Abgeordnete absolvierten
laut Bundesgeschäftsführer Guhl ein Praktikum, in diesem
Sommer sei die Nachfrage sogar noch gestiegen, betont er.
Einfluss auf die Gesetzgebung
Auch wenn es um das konkrete Gesetzgebungsverfahren geht, wird
die AWM aktiv. Sie erarbeitet eigene Positionspapiere, nimmt an
parlamentarischen Anhörungen teil und bezieht Stellung zu
Gesetzentwürfen. So verbucht die Organisation unter anderem
die Neuregelung bei den geringfügigen
Beschäftigungsverhältnissen, den so genannten Minijobs,
nicht zuletzt als eigenen Erfolg: "Mehr als vier Jahre haben wir
gekämpft und Überzeugungsarbeit geleistet, bis sich die
Regierung entschlossen hatte, dem Mittelstand wieder eine
praktikable Regelung anzubieten", so Guhl. Auch in der Diskussion
um die Arbeitsmarktreform Hartz IV meldet sich die AWM kritisch zu
Wort. Was bei dem Vorhaben fehle, seien "die Arbeitsplätze, in
die man die Hilfebezieher vermitteln" könne, sagt
Verbandspräsident Schmitt-Bosslet. Er plädiert für
einen Niedriglohnsektor, vor allem für haushaltsnahe
Tätigkeiten, wobei die Löhne durch staatliche
Zuschüsse zum Lebensunterhalt aufgestockt werden sollten.
Staatlich verordnete Mindestlöhne oder so genannte
Ein-Euro-Jobs wären für die AWM aber der falsche Weg.
Unverständnis zeigt man für die Proteste gegen Hartz
IV. Den so genannten Montagsdemonstrationen will er Kundgebungen
für die Reformpolitik entgegensetzen, Motto: "Bündnis
für Freiheit". Derzeit befinde man sich noch in einer Phase
des "Auslotens", sagt AWM-Geschäftsführer Guhl. Eines
macht er aber unmissverständlich klar: Den Hartz-Gegnern
dürfe man nicht "die Straßen überlassen". Peter
Wilhelm
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