Karl Peetz
Die Ablehnung eines Kredites wäre oft besser
gewesen
Aus der Sicht eines Bankers
Seit einigen Jahren mehren sich die Stimmen aus Politik,
Handwerk und Mittelstand darüber, dass die Banken die
Kreditbremse angezogen haben. Schaut man sich die Kreditentwicklung
der letzten zehn Jahre an, dann könnte dieser Eindruck
bestätigt werden. Allerdings wäre dies aus meiner Sicht
ein voreiliger Schluss. Deshalb ist es notwendig, dieser Frage ein
wenig intensiver nachzugehen. Während von 1992 bis Ende 1997
laut Bundesbankbericht die Kredite an das Handwerk und den Handel
von 192,5 Milliarden Euro um 26 Prozent auf 242,7 Milliarden Euro
anstiegen, reduzierten sie sich bis Ende 2003 um elf Prozent auf
220 Milliarden Euro.
Der vordergründige Eindruck, dies liege vor allem an einer
restriktiven Kreditpolitik der Banken, trifft aber nicht zu. Denn
wenn man sich die konjunkturelle Situation der Wirtschaft in diesem
Zeitraum anschaut, wird einem der Hauptgrund für diese
Entwicklung schnell bewusst: In Zeiten boomender Konjunktur war die
Kreditnachfrage durch erfolgversprechende Investitionen und durch
einen betriebswirtschaftlich gerechtfertigten
Betriebsmittelkreditbedarf entsprechend höher als in den
vergangenen vier bis fünf Jahren, in denen die Konjunktur
lahmte. Erfolgversprechende Investitionen sind auf ein Minimum
zurückgegangen. Auch der betriebswirtschaftlich
gerechtfertigte Betriebsmittelkreditbedarf ist naturgemäß
eher rückläufig.
Nicht zu verhehlen ist selbstverständlich, dass die
gravierenden Kreditausfälle der letzten Jahre nicht ohne
Auswirkungen bei den Banken bleiben konnten. Wenn es um die
Klärung der Frage der Zuverlässigkeit der Banken geht,
kann sich diese nur auf die Kreditentscheidungen für
erfolgversprechende Investitionen beziehungsweise
betriebswirtschaftlich gerechtfertigten Betriebmittelkreditbedarf
beziehen. Finanzierungen von zweifelhaften Investitionen
beziehungs- weise gar Verlustfinanzierungen würden für
alle Beteiligten einem Bärendienst gleichkommen.
Kernaufgabe der Banken muss es sein, die Erfolgsaussicht der
Kreditierung kompetent zu beurteilen. Mit einer leichtfertigen
Finanzierung, die später notleidend wird, schadet die Bank
sich selbst. Aber erst recht dem Kreditkunden. Bei vielen
Kreditierungen in der Vergangenheit wäre eine Ablehnung
für den Kunden im Nachhinein besser gewesen.
Damit die Bank eine richtige Entscheidung treffen kann, ist eine
sorgfältige und systematische Auswertung aussagefähiger
Unterlagen unumgänglich. Die Vorwürfe der
Zuverlässigkeit kommen verstärkt von den Kunden, die -
obwohl sie sich in Liquiditätsnöten befinden - ihr
Rechnungswesen nicht auf dem Laufenden halten. Obwohl gerade hier
eine sorgfältige und systematische Prüfung der Bank
erforderlich ist, liegen oft keine aktuellen Unterlagen vor, die
eine exakte Beurteilung der Sinnhaftigkeit der Kreditierung
rechtfertigen.
Nachdem sich in der Vergangenheit manche Jahresschluss-Testate
der Wirtschaftsprüfer bei den Banken als fehlerhaft erwiesen
haben, sind die Anforderungen der Wirtschaftsprüfer
hinsichtlich des Umfangs der Beurteilungsunterlagen zu den Krediten
ausgeweitet worden. Auch die Wertansätze der Sicherheiten
wurden weiter verschärft.
Auch der administrative Regelungsdruck durch Basel II und die
Einführung der Mindestanforderungen zum Kreditgeschäft
(neue Vorschrift der Bundesanstalt für Finanzaufsicht für
die Kreditinstitute) eignen sich wenig dazu, den persönlichen
Erfahrungs- und Ermessenspielraum bei den Banken zu
fördern.
In Basel II sind die Eigenkapitalvorschriften der
Kreditinstitute neu geregelt. Ziel von Basel II ist es, die
Stabilität des internationalen Finanzsystems zu erhöhen.
Hierzu sollen die Risiken im Kreditgeschäft besser erfasst und
die Eigenkapitalvorsorge der Kreditinstitute risikogerechter
ausgestattet werden. Das hat die Auswirkung, dass die
Kreditinstitute um so mehr Eigenkapital vorhalten müssen, je
höher das Risiko des Kreditnehmers ist.
Sowohl Basel II als auch die Einführung der
Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft ändern nichts
daran, dass bei Kreditentscheidungen von den Verantwortlichen ein
hohes Maß an Fachkompetenz gefordert wird. Je mehr
administrativ geregelt wird, um so größer wird die
Gefahr, dass die individuelle Beurteilung leidet oder keine
ausreichende Beachtung findet - was die Persönlichkeit des
Kreditnehmers beziehungsweise seiner Geschäftsführung
betrifft.
Da das Kreditgeschäft für die meisten Banken eine
existentielle Auswirkung auf die Ertragslage hat, sind und bleiben
die Banken auf ein aktives Kreditgeschäft angewiesen. Sie
werden auch in Zukunft zuverlässige Partner für Handwerk
und Mittelstand sein. Wer kann schon den Ast absägen, auf dem
er sitzt? Karl Peetz
Der Autor war bis Juli Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Bonn
eG.
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