Sven Rademacher
Starthilfen für den stotternden
Konjunkturmotor
Aufbau Ost
Mit dem im Juni dieses Jahres vorgelegten
Bericht der Dohnanyi-Kommission zum Aufbau Ost ist das Problem der
wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Ländern wieder ins
Zentrum einer breiten öffentlichen Diskussion gerückt.
Die vom ehemaligen Hamburger Bürgermeister geleitete
Kommission macht hier Vorschläge, wie sich in Ostdeutschland
ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum entwickeln kann. Der Streit
unter den einzelnen Kommissionsmitgliedern über die richtigen
Konzepte zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in
Ostdeutschland zeigt, wie komplex dieses Thema ist.
In den neuen Ländern ist mit der
deutschen Vereinigung vor 14 Jahren ein umfassender
Modernisierungsprozess in Gang gesetzt worden, der die
Lebensumstände jedes Einzelnen tiefgreifend verändert
hat. Dies gilt natürlich auch für den Übergang von
der staatlich gelenkten Planwirtschaft in die Soziale
Marktwirtschaft westdeutscher Prägung.
Die wirtschaftlichen Bedingungen 1989/90 in
der DDR waren ernüchternd. Eine im Oktober 1989 als geheime
Verschlusssache deklarierte Analyse der ökonomischen Lage der
DDR belegt dies. Der letzte Vorsitzende der DDR-Planungskommission
Gerhard Schürer zeichnete im Auftrag des
SED-Generalsekretärs Egon Krenz ein ungeschminktes Bild der
wirtschaftlichen Realität: Erwartete Zahlungsunfähigkeit
des Staates bis Ende 1990; notwendige Kompensierung durch Senkung
des Lebensstandards um 25 bis 30 Prozent. Zu Beginn der 90er-Jahre
waren rund 70 Prozent der ostdeutschen Industrie
zusammengebrochen.
In der wichtigen Aufbauarbeit nach 1990 hat
der Mittelstand eine wichtige Rolle als Motor der wirtschaftlichen
Entwicklung in den neuen Ländern gespielt. Ziel war immer die
Angleichung der Lebensverhältnisse an das Niveau im Westen.
Dafür waren von Anfang an hohe Investitionen als Starthilfe
für den stotternden Konjunkturmotor notwendig.
Nahezu jede zweite Existenzgründung in
den neuen Ländern ist durch öffentliche Mittel
gefördert worden. Im Jahr 2000 gab es in den neuen
Bundesländern nach Angaben des Bonner Instituts für
Mittelstandsforschung (IfM) 530.000 Unternehmen, davon
gehörten mehr als 110.000 zum Handwerk. Seit 1990 wurden mehr
als 941.000 Firmen gegründet, denen 496.000 Liquidationen
gegenüberstehen.
Schwierige Bedingungen
Die Zahl der jährlichen
Unternehmensgründungen hat sich auf rund 90.000 eingependelt.
Angestiegen ist aber auch die Zahl der Unternehmensliquidationen,
die nach Aussage der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) seit
1997 bei mehr als 80.000 liegt. Dies sei ein Reflex des
vorangegangenen Gründungsbooms. Zum anderen sei die
Unternehmensfluktuation notwendiger Bestandteil eines
marktwirtschaftlichen Systems.
KfW-Chef Hans Reich weist darauf hin, dass es
bei der Mittelstandförderung in den neuen Ländern nach
wie vor in erster Linie um die Erhöhung des Bestandes an
Unternehmen gehe. Allerdings seien Existenzgründungen allein
kein Allheilmittel gegen Arbeitslosigkeit und für
wirtschaftlichen Aufschwung. Viele der neuen Unternehmen
könnten sich nicht am Markt behaupten. Zudem müssten
bestehende Unternehmen beim Wachsen und Expandieren
unterstützt werden.
Gerade in den ersten Jahren nach der
Vereinigung hatte die KfW ihre Förderprogramme mit einer Reihe
von Sonderkonditionen für Investitionen in den neuen
Ländern ausgestattet. Hierzu zählten zusätzliche
Zinsverbilligungen, längere Kreditlaufzeiten und eine
höhere Anzahl von tilgungsfreien Anlaufjahren. Insgesamt hat
die KfW inklusive der Deutschen Ausgleichsbank seit 1990 zur
Förderung von Investitionen und Innovationen von kleinen und
mittleren Unternehmen, insbesondere des industriellen Mittelstands,
Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro nach Ostdeutschland
vergeben.
Ein zentrales Problem für den
ostdeutschen Mittelstand ist die geringe Eigenkapitalquote.
Für KfW-Chef Reich ist der Hauptgrund für die
Eigenkapitalschwäche Ostdeutschlands der Mangel an
Großbetrieben. Ein weiteres Problem sei, dass die ostdeutschen
Betriebe ihr Potenzial beim Außenhandel noch nicht
ausschöpfen würden. Derzeit würden sie nur etwas
mehr als fünf Prozent zum gesamtdeutschen Export
beitragen.
Auch die Politik versucht seit Jahren, mit
Investitionen in mittelstandsorientierte Förderung von
Forschung und Innovation den ostdeutschen Wirtschaftsmotor auf
Touren zu bringen. So hat die Bundesregierung mit dem Forschungs-
und Entwicklungs- Sonderprogramm (FuE) von 1999 bis Ende 2003 rund
3.200 Forschungsprojekte unterstützt. Mit den
InnoRegio-Programmen wurden in den neuen Ländern bislang in 36
regionalen Innovationsbündnissen mehr als 700 Forschungs-,
Entwicklungs- und Bildungsprojekte gefördert. Rund 70 Prozent
der bis 2006 bewilligten Fördermittel fließen dabei in
kleine und mittlere Unternehmen. Derzeit werden jährlich 98
Millionen Euro in die InnoRegio-Förderprogramme
investiert.
Mit dem im Januar 2004 gestarteten Programm
"Förderung von Forschung und Entwicklung bei
Wachstumsträgern in benachteiligten Regionen - INNO-WATT" soll
die Konzentration auf so genannte Wachstumsträger
verstärkt werden. Das Programm wird in begründeten
Fällen für größere Mittelständler
(Jahresumsatz bis 125 Millionen Euro) geöffnet.
Strukturelle Defizite
Trotz aller Förder- und
Investitionsprogramme sind mit Blick auf die Unternehmenslandschaft
Ostdeutschlands immer noch strukturelle Defizite festzustellen. Die
Experten der KfW fordern daher weiterhin die Förderung von
Neugründungen und Ansiedlung von Industriebetrieben sowie die
Stabilisierung und Wachstumsförderung des bereits
existierenden Unternehmensbestandes.
Aber natürlich gibt es auch
Wachstumsregionen in den neuen Ländern, in denen viele
Unternehmen fest auf eigenen Füßen stehen und im
internationalen Wettbewerb erfolgreich sind. Damit solche Wege des
Erfolges in Ostdeutschland weiter beschritten werden können,
rät der wissenschaftliche Geschäftsführer des IfM,
Gunter Kayser, den Innovationsunternehmen am Standort Ost,
zielstrebig bis fordernd auf die Wissenschaft zuzugehen.
Ostdeutschland habe einen hervorragenden Bestand an Hochschulen,
die gerade für die Bedürfnisse des Mittelstands offen
seien.
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