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Astrid Pawassar
Leuchttürme und andere Lichter in
Sachsen
Wege der Mittelstandsförderung in den neuen
Ländern
Ein Konzertglockenspiel aus Glas ist vermutlich nicht die
Errungenschaft, auf die Sachsen oder gar die Welt gewartet hatte.
Trotzdem hat das sächsische Wirtschaftsministerium auch dem
Meißner Turmuhrbauer in den 90er-Jahren ein paar Mark aus dem
Topf der EU für Forschung und Entwicklung zukommen lassen. Das
Klischee des Gießkannenprinzips bei Fördergeldern ist im
Falle des Freistaates Sachsen aber dennoch eher unterentwickelt. Im
Gegenteil galt hier immer schon die Devise: Einige
"Leuchttürme" sollen das ganze Land in Licht tauchen. So weit
ist man noch lange nicht. Aber die Förderung spezialisierter
Industriezweige in den Ballungsgebieten trägt erste
Früchte. Durch die Ansiedlung der Chipindustrie in Dresden
kann beispielsweise die Landeshauptstadt inzwischen ein
Bevölkerungswachstum verzeichnen.
Mittlerweile sind die staatlichen Wohltäter aber auch bei
den kleineren Fördermaßnahmen etwas kritischer. Hieß
es früher, das Defizit im Bereich Entwicklung und
Patentanmeldung müsse beseitigt werden, so achtet man jetzt
verstärkt darauf, dass sich das Streben nach Innovationen am
Markt orientiert. Am besten mit dem Ziel, neue und bleibende
Arbeitsplätze zu schaffen.
Eine Milliarde Euro hat der Freistaat seit 1991 für
Technologieprojekte in Unternehmen, Forschungseinrichtungen und
Technologiezentren gepumpt. Nicht alles, was dort erfunden wurde,
konnte am Markt platziert werden. Fahrräder aus
Carbonfaser-Verbundstoffen zum Beispiel blieben trotz optimierter
Produktionsverfahren teure Ladenhüter. Andere Erfindungen
fielen gesetzlichen Neubestimmungen zum Opfer - ein Segen, sagen
die betroffenen Mittelständler, dass man dank der staatlichen
Fördermittel deshalb nicht gleich in die Pleite schlitterte.
Dennoch betonte Sachsens Wirtschaftsminister Martin Gillo (CDU) bei
einem Rundgang durch ein Technologiezentrum, man werde noch mehr
darauf achten, dass die geförderten Forschungsprojekte auch
verkaufsfähige, innovative Produkte hervorbringen. So wie eine
neuartige Brennstoffzelle, die im Zentrum für
Technologiestrukturentwicklung in Glaubitz bei Riesa erfunden wurde
und nun in sächsischen Betrieben produziert werden soll.
Know-how zählt
Anders als in den alten Bundesländern sind in Sachsen zu 66
Prozent kleine und mittelständische Betriebe die Motoren
industrieller Forschung und Entwicklung. Sie sind es auch, die
dauerhaft Arbeitsplätze schaffen - in kleinen Schritten zwar,
aber dafür zuverlässig. Das Wirtschaftsministerium
rechnet vor, dass Betriebe, die eine Projektförderung für
Forschung und Entwicklung erhielten, ihre Beschäftigtenzahlen
innerhalb von fünf Jahren um fast ein Drittel steigern
konnten. Ihre Exportquote habe sich mehr als verdoppelt.
In einer Cessna sitzen und sich fühlen wie im großen
Jet, diesen Wunsch verspüren offenbar immer mehr aus der
ständig wachsenden Schar privater Vielflieger. Die Hamburger
Thielert AG bedient dieses Bedürfnis mit modernen Motoren und
einer Cockpit-Ausstattung, wie es sie sonst nur bei großen
Flugzeugen gibt. Ein Fundus an gut ausgebildeten Ingenieuren und
Facharbeitern, die passende Infrastruktur und staatliche
Fördermittel lockten die Hamburger Firma nach Sachsen. Der
Spezialist für Automobil- und Luftfahrttechnik fand in
Lichtenstein bei Zwickau ideale Voraussetzungen. Der
traditionsreiche Werkzeugbau in Westsachsen belieferte in Zeiten,
als Sachsen noch Industrieland erster Güte war, die
Automobilhersteller mit Komponenten. Dort wollte Thielert Hightech
für kleine Flugzeuge entwickeln und produzieren.
"Wir haben uns bewusst für den Standort Südwestsachsen
entschieden, da die Menschen dort traditionell mit dem Maschinenbau
verbunden sind", sagt Firmengründer Frank Thielert. 1999 nahm
die Thielert Aircraft Engines GmbH die Produktion auf. Dass sie bis
heute ihren Mitarbeiterstand von 65 auf 132 verdoppeln konnte,
liegt vor allem auch an einer sächsischen Erfindung. In
Lichtenstein bauten die Ingenieure einen dieselgetriebenen
Automobilmotor zu einem flugtauglichen Antrieb um. Der CENTURION
1.7 ist nicht nur leiser, sondern auch im Verbrauch deutlich
günstiger, als andere Flugzeugmotoren. Dass er wahlweise mit
Diesel oder Kerosin arbeitet, macht die Piloten unabhängiger
von Witterungseinflüssen und Brennstoffangebot an den
jeweiligen Flughäfen. Gegenüber dem wesentlich teureren
Flugbenzin ist der Dieselmotor allemal im Vorteil. Anscheinend
füllt der neue Motor eine Marktlücke, die den ganzen
Betrieb auf Expansionskurs befördert hat. Dabei kam es
entscheidend auf den richtigen Zeitpunkt an. "Der wirtschaftliche
Erfolg von Technologieprodukten hängt von der Produktreife und
dem Zeitpunkt der Vermarktung ab", sagt Geschäftsführer
Frank Thielert. So gesehen hätten die öffentlichen
Fördergelder die Entwicklung des Dieselmotors zur Marktreife
beschleunigt und geholfen, das Bedürfnis der
Luftfahrtindustrie nach einer Ablösung der jahrzehnte alten
Motortechnologie rechtzeitig befriedigen können. 970.000 Euro,
die Hälfte der Entwicklungskosten, hat die Thielert Aircraft
Engines aus sächsischen EU-Mitteln erhalten. Dafür konnte
sie nach der erfolgreichen Einführung des Motors für 13
Millionen Euro eine neue Lager- und Fertigungshalle in Lichtenstein
bauen. Weitere Expansion nicht ausgeschlossen. Astrid Pawassar
Die Autorin ist freie Journalistin in Dresden.
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