Magnus Jung
Problem Nr. 1 - hohe Arbeitskosten
Beispiel: Die Situation im Saarland
Die Auftragseingänge entwickeln sich sehr gut, die Preise
sind jedoch wegen des immer schärferen internationalen
Wettbewerbs mehr als schlecht." Rainer Kuhn kommt gerade aus
Rumänien, für ihn ist Globalisierung Alltag. Sein
mittelständisches Unternehmen ist Komponentenhersteller
für die Automobilindustrie sowie für landwirtschaftliche
Fahrzeuge und Lastkraftwagen und beschäftigt 660 Mitarbeiter,
davon mehr als die Hälfte an der Saar.
Kuhn ist Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes in der Metall-
und Elektroindustrie an der Saar und steht gleichzeitig an der
Spitze des Arbeitskreises Wirtschaft, eines Netzwerkes kleiner und
mittlerer Unternehmen. Die hohen Arbeitskosten sieht er als Problem
Nr. 1 für den Mittelstand.
In Deutschland koste eine Arbeitsstunde 28 Euro, in Polen sechs
Euro und in Rumänien zwei Euro. Bei arbeitsintensiven
Pruduktionen seien viele mittelständische Unternehmen
gezwungen, die Fertigung teilweise ins osteuropäische Ausland
zu verlagern. Nur eine Mischkalkulation der Arbeitskosten
ermögliche es, die Preise international konkurrenzfähig
zu halten. Dies zeige, wie dramatisch sich die Rahmenbedingungen
für viele mittelständische Unternehmen in den letzten
Jahren verändert hätten.
Grundlegende Übereinstimmungen
Dabei wissen im Saarland alle, von der Regierung über die
Parteien bis zu den Kammern, dass das Land vor allem auf gute
Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen
angewiesen ist. Zwar entwickelt sich die Arbeitslosigkeit im
kleinsten deutschen Flächenland seit 1993 relativ besser als
im Bund, die Zahl der Selbständigen liegt jedoch weit unter
dem Bundesdurchschnitt und ist nach Angaben der Arbeitskammer in
den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Die Kammer
sieht daher das zentrale Ziel von Ministerpräsident Peter
Müller, die Schaffung von 60.000 neuen Arbeitsplätzen bis
2010, als kaum noch erreichbar.
Im zurückliegenden Landtagswahlkampf bemühten sich
alle Parteien besonders, ihre Kompetenz in der Mittelstandspolitik
herauszustellen. So verwies der Landtagsabgeorndete Jürgen
Presser als Vorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung an der
Saar auf eine Studie von "Ernst & Young" vom Frühjahr des
Jahres, nach der die saarländischen Mittelständler ihre
Geschäftslage besser beurteilen als ihre Kollegen in allen
anderen Bundesländern.
Die CDU habe seit 1999 viel für die Standortaufwertung
getan: Entbürokratisierung wie die Neufassung der
Landesbauordnung oder die Abschaffung der Sperrstunde habe für
Erleichterungen gesorgt. Der Zugang mittelständischer
Unternehmen und Existenzgründer zu Darlehen und
Zuschüssen sei durch die Bündelung der
Förderprogramme erleichtert worden.
So kommen die Unternehmen teilweise direkt bei der
Saarländischen Investitionskreditbank (SIKB), also ohne
Einschaltung einer Hausbank, an Geld heran. Zur Stärkung der
Eigenkapitalquote hat sich die CDU-Landesregierung im Bundesrat
für die Steuerfreiheit von einbehaltenen Gewinnen bis zu einer
Quote von 25 Prozent stark gemacht. Verschärfte
Prüfungsbedingungen und die Einführung des
achtjährigen Gymnasiums sollen zu einem leistungsorientierten
Klima beitragen.
Die FDP, die seit 1994 nicht mehr im Landtag vertreten ist, will
zur Stärkung des Mittelstandes die Entlastung kleiner und
mittlerer Unternehmen von staatlichen Pflichtdiensten im Bereich
Sozial-, Steuer-, Umwelt- und Arbeitsrecht sowie von amtlicher
Statistik durchsetzen. Für den Landesvorsitzenden Christoph
Hartmann (MdB), selbst Chef eines kleinen Recyclingunternehmens,
ist eine unternehmens- und unternehmerfreundliche Wirtschaftpolitik
Voraussetzung für Koalitionen. Dazu gehöre auch eine
Bildungspolitik, die Hochbegabte stärker fördert und die
Studienschwerpunkte der Universität am saarländischen
Arbeitsmarkt orientiert.
Die Saar-SPD sieht keinen Widerspruch zwischen einer aktiven
Wirtschaftspolitik für die industriellen Kerne der
Automobilindustrie, der Stahlindustrie und des Bergbaus und einer
effizienten Mittelstandspolitik. Landeschef Maas verweist hierbei
gerne auf die Entwicklung eines Zulieferparks rund um das Fordwerk
in Saarlouis, die als einer der Erfolge der letzten
sozialdemokratischen Wirtschafsministerin Christiane Krajewski
gilt.
Der stellvertretende Vorsitzende der Saar-SPD, Alfons Lauer, im
zurückliegenden Wahlkampf für die Wirtschaftspolitik
verantwortlich, hat ein differenziertes Zehn-Punkte-Prgoramm
für den saarländischen Mittelstand vorgelegt.
Stärkung des Eigenkapitals und Kreditversorgung müssten
so organisiert werden, dass sie auch kleine Betriebe erreichten und
bloße Mitnahmeeffekte reduziert werden.
Lauer hat keine Angst davor, mittelständischen Unternehmen
in Krisen unter die Arme zu greifen. "Wenn ein Unternehmen in
Schwierigkeiten gerät, weil ein großer Kunde nicht zahlt,
ist es besser mit einer Bürgschaft zu helfen als tatenlos
zuzusehen, wie es den scheinbar heiligen Marktgesetzen zum Opfer
fällt." Aktive Wirtschaftspolitik will die Saar-SPD auch mit
einem kommunalen Investitionsprogramm machen.
Hubert Ulrich, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die
Grünen und wirtschaftspolitischer Sprecher der grünen
Bundtagsfraktion, setzt ebenfalls auf den Mittelstand. Das Geld
für Existenzgründung und Förderung von Wagniskapital
für kleinere und mittlere Unternehmen soll von den
Kohlesubventionen abgeknapst werden, denn die Grünen wollen so
schnell wie möglich raus aus dem Bergbau.
Mit der Reduzierung der Lohnnebenkosten und dem neuen
Insolvenzrecht sehen sie positive Impulse der Bundespolitik
für den Mittelstand. Diese müssten durch eine konsequente
Bekämpfung der Schwarzarbeit ergänzt werden.
Viel grundsätzliche Übereinstimmung zwischen den
Parteien. Für heftige Auseinandersetzungen sorgen jedoch zwei
Politikentwürfe des saarländischen Wirtschaftsministers
Hanspeter Georgi, der bis 1999 Hauptgeschäftsführer der
Industrie- und Handeslkammer (IHK) war. So finanziert das Land den
Kommunen seit 2001 ein auf fünf Jahre befristetes Programm zur
Gewerbesteuerabsenkung, dessen Gesamtvolumen auf 60 Millionen Euro
geschätzt wird. Gewerkschaften, Arbeitskammer und Opposition
sehen darin reine Geldverschwendung ohne
Beschäftigungseffekte, weil große ertragsstarke Betriebe
überdurchschnittlich profitierten, während viele kleine
Handwerker leer ausgingen. Wie das Programm dauerhaft implementiert
werden soll, ist gegenwärtig noch offen.
Die IHK befürwortet das Programm dagegen, weil es die
Rentabilität der Unternehmen und die Finanzierbarkeit von
Investitionen verbessert habe. "Das Saarland hat in den vergangenen
Jahren bei der Standortaufwertung deutliche Fortschritte erreicht.
Diesen Kurs gilt es künftig konsequent und beherzt
fortzusetzen. Dann hat das Saarland gute Chancen, seine Position im
Ranking der Bundesländer weiter zu verbessern", so
IHK-Präsident Richard Weber und
IHK-Hauptgeschäftsführer Volker Giersch.
Auch in der CDU umstritten ist die Absicht von Minister Georgi
zur (Teil)Privatisierung der Sparkassen - nicht zuletzt wegen der
befürchteten Auswirkungen auf den Mittelstand. Denn im
Gegensatz zu den Großbanken seien die Sparkassen bisher zu
einer ausreichenden Kreditversorgung der kleinen und mittleren
Betriebe bereit. Eine Öffnung der Eigentümerstruktur der
Sparkassen für private Institute werde dazu führen, dass
viele Unternehmen in Zukunft nicht mehr an die notwendigen Kredite
herankämen, meint der Sozialdemokrat Alfons Lauer.
Rainer Kuhn weiß, dass die Politik auch in Zeiten der
Globalisierung wichtige Rahmenbedingen für kleinere und
mittlere Unternehmen bestimmt: Bildung, Infrastruktur,
Bürokratie, Steuern und Abgaben sind für ihn die
wichtigsten Felder. Allerdings sieht er die Betriebe auch selbst
gefordert und geht mit gutem Beispiel voran: Im Herbst startet sein
Unternehmen einen neuen Ausbildungszweig für zwölf junge
Menschen im gewerblichen Bereich:
Neben den üblichen Ausbildungsinhalten der dualisierten
Ausbildung werden sie zusätzlich in Englisch und
interkultureller Kommunikation unterrichtet. Qualifizierte,
flexible und mobile Mitarbeiter, die europaweit eingesetzt werden
können, seien für den Unternehmenserfolg am Standort
Deutschland entscheidend. Magnus Jung
Der Autor arbeitet als freier Journalist in
Nonnweiler/Saarland.
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