Thomas Röhr
"Jede ist ihres Glückes Schmiedin"
Lena Strothmann MdB (CDU/CSU) - First Lady des
deutschen Handwerks
Allein unter Männern: Lena Strothmann ist keine Alibifrau.
Und doch steht es an der Spitze des deutschen Handwerks 53:1 -
gegen Lena Strothmann. Denn sie ist Deutschlands einzige
Handwerkskammerpräsidentin: Die First Lady des deutschen
Handwerks gewissermaßen - im doppelten Sinne. Das klingt nicht
nach Quote. Das klingt nach Qualifikation, Drive und
Durchsetzungskraft. Und dies hat die 51-Jährige längst
unter Beweis gestellt. Denn die Damenschneiderin hat nicht nur den
Meistertitel, sondern auch noch ein Mandat in der Politik: Lena
Strothmann ist CDU-Bundestagsabgeordnete. Ihr Wahlkreis:
Bielefeld.
Präsidentin unter lauter Präsidenten - auf dem
männerdominierten Parkett des Deutschen Handwerkskammertages
bewegt sich Lena Strothmann "völlig normal". Wer sie erlebt,
weiß: Lena Strothmann ist unkompliziert, nett - hat Charme und
kann lachen. Zudem bringt die Spitzenrepräsentantin des
Handwerks in Ostwestfalen-Lippe eines aus ihrer Heimat mit nach
Berlin: Bodenständigkeit. Und genau die kann sie in der
Hauptstadt gut gebrauchen - sowohl beim Handwerkskammertag als auch
im Bundestag. Taktisch mit der Weiblichkeit zu kokettieren, ist
nicht ihr Ding. Ebenso wenig wie das andere Extrem: "Ich habe keine
Ellenbogen eingesetzt und auch nicht gegen Bataillone von
Männern gekämpft", sagt Strothmann. In der
"Männer-Welt" des Handwerks hat sie keine Schwierigkeiten. Als
Frau sei es manchmal vielleicht sogar etwas leichter gewesen, meint
sie.
Mut machen
Stichwort: Frauen-Chance. Lena Strothmann macht Frauen Mut zum
Handwerk: "In vielen Bereichen wird immer weniger körperlicher
Einsatz gefordert. Metallbauer und Werkzeugmacher sind heute
Berufe, in die junge Frauen bedenkenlos einsteigen können.
Computertechnik macht's möglich. Denn hier kommt es eher aufs
Programmieren und weniger auf das Schleppen schwerer Teile an.
Leider ist dies bei vielen aber noch nicht angekommen."
Köpfchen kontra Muskelkraft - eine zusätzliche Chance
für Frauen im Handwerk. Und doch gibt's Hemmnisse: "Viele
Mädchen trauen sich einfach nicht. Und viele haben auch eine
total konservative Einstellung. In Sachen Handwerk kommen sie aus
dem Rollendenken nicht heraus", sagt Lena Strothmann. Etliche
Handwerksberufe würden gleich als "Männer-Job"
abgestempelt. Und oft fehle jungen Frauen auch das Interesse am
Handwerk. So kritisiert die Kammerpräsidentin eine "breite
handwerkliche Wissenslücke" in der Bevölkerung: "Der
Normalbürger kann aus dem Stegreif gerade einmal zehn
Handwerksberufe aufzählen. Es gibt aber mehr als 120." Dies
schränke auch Frauen in ihrer Berufswahl ein.
Und doch ist für Lena Strothmann "Land in Sicht": Frauen
seien in einigen Bereichen des Handwerks dabei, "goldenen
Handwerksboden zu gewinnen". So sind nach Angaben der
Kammerpräsidentin in den vergangenen Jahren Tischlerinnen und
Malerinnen im Kommen. Und bei den Gesellprüfungen gebe es
bereits jetzt deutlich mehr Augenoptikerinnen, Konditorinnen,
Raumausstatterinnen und Zahntechnikerinnen. Hier hätten die
Frauen die Männer längst überholt. Den Schwerpunkt
würden weibliche Auszubildende eben nach wie vor auf die
kreativen Berufe im Dienstleistungssektor legen. Um alles, was in
den Köpfen männlich belegt sei, machten junge Frauen bei
der Berufswahl einen Bogen. "Der Bildhauer ist das typische
Beispiel: ein kreativer Beruf. In den Köpfen der meisten
Frauen steckt aber ein Männerbild dahinter", so Lena
Strothmann.
Je höher man in der Handwerkshierarchie komme, desto
dünner sei der Frauenanteil. "Einer von fünf Gesellen ist
heute weiblich. Aber nur jeder zehnte Meisterbrief geht an eine
Frau", rechnet die Kammerpräsidentin vor. "Wenn Frauen es
jedoch packen, dann sind sie häufig top." Das hat Lena
Strothmann wiederholt bei den "Bestenehrungen" in
Ostwestfalen-Lippe erlebt. Dort sei der Frauenanteil immer
überdurchschnittlich hoch. Egal, ob für männliche
oder weibliche Interessenten - die Spitzenfrau im Handwerk
rührt die Werbetrommel: "Das Handwerk bietet Chancen. Dort
kann man nach oben durchstarten. Man kann Karriere machen, sich
selbständig machen." Jungen Menschen würde Lena
Strothmann immer raten: "Geht ins Handwerk." - Die "Perspektive
Handwerk" verkauft sie offensiv und glaubwürdig.
Damit gerade Frauen diesem Lockruf folgen, hat sich die
Handwerkskammer in Bielefeld etwas Besonderes einfallen lassen.
Gemeinsam mit der Innungskrankenkasse (IKK) Westfalen stellt sie
einen "Girls-Day" auf die Beine. Eigentlich könnte dieser auch
"Guck-Papa-mal-über-die-Schulter-Tag" heißen. Denn er
richtet sich gezielt an den weiblichen Nachwuchs - an die
"Töchter des Handwerks". Lena Strothmann und der
Politik-Dezernent der IKK Westfalen, Dieter Heidenreich, haben
damit Neuland betreten. Und das mit bundesweitem Vorzeigeeffekt:
"Wir bringen erstmals Mädchen an die Arbeitsstellen ihrer
Väter und geben damit einen wichtigen Impuls", sagt Lena
Strothmann.
Handwerk rekrutiert Handwerker-Nachwuchs beim Handwerk. Und doch
hat dieses Verfahren nichts vom Schmoren im eigenen Saft: Die
Mädchen entdecken die Arbeitswelt des Vaters. Und sie
entdecken, ob der Job des Vaters auch eine Perspektive für sie
wäre. Gezielter und näher kann man weiblichen Nachwuchs
wohl nicht an Männerberufe heranlocken. Für Dieter
Heidenreich von der Spitze der IKK Westfalen ist dies eine
"innovative Idee, bei der Handwerk und Innungskrankenkasse
erfolgreich an einem Strang gezogen haben". - Zwei Partner, die
sich verstehen: "Die Achse zwischen dem Handwerk und der IKK
steht", sagt Heidenreich. Der IKK-Dezernent spricht von einer
"mustergültigen Kooperation", die beiden Partnern helfe:
"Unser Ziel ist es, junge Menschen fürs Handwerk zu begeistern
und so Nachwuchs zu gewinnen." Und Lena Strothmann hat noch einen
weiteren Partner im Visier: "Wir stecken viel Mühe hinein, um
zu überzeugen. Um in den Köpfen von Mädchen und
jungen Frauen aber etwas zu bewegen, brauchen wir auch die
Unterstützung der Schulen."
Das Ziel ist klar: Mehr Wissen übers Handwerk für die
Jugend. - So poliert sich das Image. Und die Attraktivität des
Handwerks soll auch noch steigen: Lena Strothmann spricht sich
dafür aus, über den Meistertitel das Studium zu
versüßen. Der Meisterbrief soll bundesweit
Türöffner für die Hochschulen werden - als
"Abi-Ersatz". Vorreiter hierbei sei Niedersachsen - "und das mit
Erfolg", wie Lena Strothmann betont.
Mehr noch: "Die Qualifikation, die ein Handwerksmeister
mitbringt, sollte ihm im Studium anerkannt werden", sagt die
Präsidentin der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe. Wer seinen
Meister mache, verfüge beispielsweise über
betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Diese sollten im Studium
angerechnet und nicht nochmals abverlangt werden.
Eine vierte Sprosse
Das Handwerk will so junge Menschen mit der Option auf das
vereinfachte Studium für sich gewinnen. Die klassische
Karriereleiter im Handwerk mit ihren drei Sprossen "Lehrling -
Geselle - Meister" bekäme eine vierte hinzu: das Studium. -
Das Handwerk mit integrierter Akademikerpforte. Das schafft Anreiz
und ermöglicht etwas, wofür man bislang einen ganz neuen
Weg gehen muss: den zweiten Bildungsweg.
Dieser Plan kostet Lobbyarbeit. Aber auch dafür gibt es ja
Lena Strothmann - im Parlament. Als Bundestagsabgeordnete tritt sie
für eine gute Ausbildung junger Menschen im Handwerk ein: "Wir
sind ein rohstoffarmes Land und können nur mit Qualifikation
dagegenhalten." Der Wegfall der Meisterpflicht für viele
Handwerksberufe ist für die Kammerpräsidentin "ein herber
Schlag". Zudem brennt ihr die Senkung der Lohnnebenkosten für
Betriebe mit hohem Beschäftigungsanteil auf den Nägeln -
und die Bürokratie, die Selbständige erledigen
müssen: "Der ganze Kleinkram hält enorm auf."
Lena Strothmann weiß, wovon sie redet: Sie leitet als
Geschäftsführerin gemeinsam mit ihrem Ehemann Heinrich
Kleegräfe eine Maßschneiderei und ein Herrenmodehaus im
ostwestfälischen Gütersloh. Der Ehemann schultert im
Moment überwiegend den unternehmerischen Part - während
Lena Strothmann das Ehrenamt der Handwerkskammerpräsidentin
und den schon mehr als Full-Time-Job der Bundestagsabgeordneten
meistert. Thomas Röhr Der Autor ist TV-Redakteur in
Berlin.
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