Horst Eggers
Ständige Anpassungen erforderlich
Ausbildung im Handwerk
Gerade der Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass
Qualifikation nach wie vor einer der wichtigsten
Wettbewerbsvorteile unseres Wirtschaftsstandorts Deutschland ist.
Die Handwerkskammer für Oberfranken hat vor wenigen Wochen
eine Marktstudie zu den Chancen des deutschen Bau- und
Ausbaugewerbes im Nachbarland Tschechien vorgestellt. Ein
wesentliches Ergebnis war: Obwohl der durchschnittliche Monatslohn
für einen Bauarbeiter in Tschechien bei 550 Euro liegt, haben
deutsche Bau- und Ausbaufirmen in Tschechien Marktchancen. Warum?
Weil das Lohngefälle zwischen beiden Ländern nur einen
Kostenfaktor darstellt, und deutsche Bau- und Ausbaufirmen dieses
Lohngefälle durch bessere Effektivität, Qualität,
bessere Projektplanung und -abwicklung nahezu ausgleichen
können.
So liegt zum Beispiel der Quadratmeter-Preis einer
Dreizimmerwohnung (Neubau) in Karlsbad (Tschechien) derzeit bei
1.200 Euro und damit auf einem ähnlichen Niveau wie in
Oberfranken. "Für diesem Preis kann ich das auch", lautete der
Kommentar eines deutschen Bauunternehmers bei der Vorstellung der
Marktstudie.
Duales System
Bessere Projektplanung und -abwicklung, bessere
Effektivität, bessere Qualität, bessere Arbeitsleistung:
Letztendlich heißt dies nichts anderes als bessere
Qualifikation. Woher die bessere Qualifikation in Deutschland
kommt? Aus dem dualen Ausbildungssystem. In Deutschland findet die
Ausbildung der Lehrlinge generell in den Betrieben, in den
Berufsschulen und im Rahmen der überbetrieblichen
Lehrlingsunterweisung bei den Handwerkskammern statt. Die
Lehrstelle und die Arbeit im Betrieb sind dabei der zentrale
Ansatzpunkt.
In Tschechien ist ein ganz anderes System eingeführt. Die
Berufsausbildung beginnt und bleibt in der Schule. Praxis ist zwar
vorgesehen, Umfang und Qualität variieren allerdings stark.
Verstaatlichte Schulsysteme laufen Gefahr, Jugendliche in Bereichen
auszubilden, die auf dem Arbeitsmarkt nicht benötigt werden.
Das duale Ausbildungssystem in Deutschland orientiert sich dagegen
schon von seinem Grundansatz her direkt am Arbeitsmarkt: Zuerst
kommen die Lehrstelle und der Arbeitsplatz bei einem Betrieb und
danach erst die Anmeldung zur (Berufs-)Schule.
Ein Außenstehender kann den eklatanten Unterschied zwischen
dem dualen Ausbildungssystem in Deutschland und dem System einer
verschulten Ausbildung nur schwer einschätzen. Auf den Punkt
gebracht, hat ein 18-jähriger Jugendlicher mit abgeschlossener
Berufsausbildung in Deutschland bereits drei Jahre Praxiserfahrung
im Betrieb gesammelt, was seinem 18-jährigen tschechischen
Kollegen so gut wie komplett fehlt. Ein deutscher Bauunternehmer
kann das unterschiedliche Lohnniveau durch die bessere
Qualifikation seiner Mitarbeiter nahezu ausgleichen.
Noch gar nicht angesprochen bei diesem Ländervergleich ist
die grundlegende Notwendigkeit der permanenten Anpassung der
Ausbildungsinhalte an den technischen Fortschritt und die neuen
Anforderungen des Markts. Jedem dürfte klar sein, dass ein
staatliches, verschultes Ausbildungssystem dies nicht leisten kann,
und gerade hier zeigen sich wieder die großen Vorzüge des
dualen Ausbildungssystems in Deutschland: Die Ausbildung erfolgt
ganz nahe an den Markterfordernissen. Der Staat gibt zwar einen
Handlungsrahmen vor, überlässt es aber den
Selbstverwaltungsgremien des Handwerks (bestehend aus Arbeitnehmern
und Unternehmern, die wissen worum es geht), die Ausbildungsinhalte
ständig an die Berufspraxis anzupassen. Die Folge ist ein
Qualifikationsniveau im Bereich der beruflichen Bildung, um das uns
die ganze Welt beneidet.
Übrigens: Auch um den Handwerksmeister beneidet uns die
ganze Welt. Und natürlich spielt der Handwerksmeister die
zentrale Rolle für die Qualität der Ausbildung in
Deutschland. Dass der Handwerksmeister politisch geschwächt
worden ist, ist für uns völlig unverständlich. Wie
wir aus dem Lebensweg unserer Meisterschüler wissen, greifen
selbst international tätige Unternehmen gern auf Meister als
Führungskräfte zurück. Warum? Weil Meister an dem
Tag, an dem sie ihr Meisterzeugnis in der Hand halten, schon
fünf oder sechs Jahre Berufspraxis nachweisen können und
eine hochwertige Berufsausbildung durchlaufen haben. Horst
Eggers
Der Autor ist Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer
für Oberfranken.
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