K. Rüdiger Durth
Wird die PDS stärkste Partei?
Brandenburg: Vor der Wahl
Gespannt blickt die Republik auf das Land Brandenburg, wo am 19.
September 2.133.972 Wähler an die Wahlurnen gerufen werden.
Von nicht unerheblicher Bedeutung wird die Wahlbeteiligung sein,
die bei der ersten Landtagswahl noch bei 67,1 Prozent lag, aber
bereits 1999 nur noch 54,3 Prozent betrug. Sinkt die
Wahlbeteiligung weiter ab, dann könnte dies vor allem auch der
rechten Deutschen Volksunion (DVU) zu gute kommen. Sie
übersprang bereits 1999 die Fünf-Prozent-Hürde, fiel
aber in den zurückliegenden fünf Jahren keineswegs durch
überzeugende parlamentarische Arbeit auf. Die Folge ist, dass
viele Brandenburger längst vergessen haben, dass die DVU
überhaupt im Landtag sitzt. Dennoch sehen sie die Demoskopen
derzeit bei fünf Prozent.
Vor allem richtet sich das Interesse dieser Landtagswahl auf die
PDS, für die nicht der bisherige Fraktionsvorsitzende Lothar
Bisky als Spitzenkandidat antritt, sondern die ehemalige
Bundestagsabgeordnete Dagmar Enkelmann. Bisky will sich
künftig ganz auf seine Aufgabe als Parteichef der PDS
konzentrieren. Demoskopen trauen der PDS in Brandenburg zwischen 33
und 36 Prozent der Wählerstimmen zu. Das würde sie zur
stärksten Partei machen - vor der SPD, der zwischen 28 und 30
Prozent zugetraut werden sowie der CDU mit 24 bis 26 Prozent.
Kleine Parteien mit Chancen
Bei der Landtagswahl 1999 war die SPD mit 39,3 Prozent der
Stimmen noch auf dem ersten Platz gelandet, gefolgt von der CDU mit
26,5 und der PDS mit 23,3 Prozent der Stimmen. Während die DVU
mittels einer beispiellosen Plakatschlacht auf 5,3 Prozent gekommen
war, schafften weder die Grünen noch die Liberalen den Sprung
in den Landtag. Das soll sich am 19. September ändern. Die
beiden kleinen Parteien rechnen sich gute Chancen auf einen
Wiedereinzug aus. Die Grünen setzen ihre Hoffnungen auf den
aus Berlin abgeworbenen ehemaligen Justizsenator Wolfgang
Wieland.
Nach der Wahl 1999 benötigte die SPD einen
Koalitionspartner. Der damalige sozialdemokratische
Ministerpräsident Manfred Stolpe entschloss sich zu einer
Großen Koalition mit der CDU unter Jörg Schönbohm.
Das brachte ihm das politische Zerwürfnis mit der wohl
bekanntesten - und inzwischen verstorbenen - ostdeutschen
Politikerin Regine Hildebrandt ein. Sie wollte in einem Kabinett
nicht mit der CDU an einem Tisch sitzen. Sie galt als das soziale
Gewissen, mit dem nun ausgerechnet die DVU in Fernsehspots Werbung
betreibt. Allerdings verbot das Gericht der Partei die Verwendung
von Bildern und O-Tönen der beliebten Politikerin.
Die SPD setzt in ihrem Wahlkampf ganz auf den
50-jährigen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck, der
als Umweltminister bei der Oderflut 1997 weit über die Grenzen
des Bundeslandes Brandenburg hinaus bekannt wurde. Könnten die
Wähler den Ministerpräsidenten direkt wählen, dann
würde der haushohe Sieger bereits vor der Wahl feststehen. Da
aber Parteien zur Wahl stehen, hat es Platzeck gegenwärtig
nicht leicht: Hartz IV liegt auch den Brandenburgern schwer im
Magen.
Platzeck hat in den vergangenen Monaten vorsichtig Kritik an der
rot-grünen Reformpolitik der Bundesregierung geübt und
einige Änderungen an Hartz IV mit durchgesetzt. Ob ihn das vor
dem "Abstrafen" seitens der Wähler bewahrt, bleibt abzuwarten.
In dieser Frage sitzt er mit seinem größten
Herausforderer Jörg Schönbohm allerdings in einem Boot.
Die CDU hatte sich noch vor Monaten ausgerechnet, erstmals in
Brandenburg die stärkste politische Kraft zu werden. Doch das
hat ihr die PDS wohl verhagelt.
Spekulation um rot-rote Koalition
Kommt es nach dem 19. September in Brandenburg zu einer
rot-roten Koalition, die rein rechnerisch auch schon in der
auslaufenden Legislaturperiode möglich gewesen wäre?
Sollte die PDS die stärkste Fraktion werden, gilt es als
ausgeschlossen, dass Platzeck eine solche Koalition eingeht. Die
PDS ist zwar überzeugt, dass ihre Spitzenkandidatin "das Zeug"
(Bisky) für das Amt des Ministerpräsidenten hat, aber
auch, dass dies mit der SPD nicht machbar ist. Sie würde also
Platzeck den Vortritt lassen. Dann wäre er von der
PDS-Mehrheitsfraktion abhängig - eine kaum denkbare
Konstellation.
Vielmehr könnte ein PDS-Wahlsieg dazu führen, was
eigentlich alle Parteien nicht mehr wollen, nämlich eine
SPD-CDU-Koalition unter Platzeck und Schönbohm. Das Klima
zwischen den beiden Noch-Koalitionspartnern ist nicht mehr
sonderlich gut. Schönbohm fühlt sich von der SPD
schärfer angegriffen als von der PDS. Die SPD wiederum ist der
Überzeugung, die CDU profiliere sich einzig und allein auf
Kosten des bisherigen Partners.
Entscheidend könnte freilich noch ein anderer Faktor
werden: Bei den Kommunalwahlen haben vielerorts spontan entstandene
Bürgerinitiativen oder Freie Wählergemeinschaften
zweistellige Ergebnisse eingefahren. Nun haben sich einige dieser
Wählerbündnisse für die Landtagswahl
zusammengeschlossen und streben in den Landtag, darunter die
Allianz freier Wähler (AfW), die Allianz Unabhängiger
Bürger-Brandenburg (AUB Brandenburg), die 50 Plus -
Bürger- und Wählerinitiative (50 Plus), Ja zu Brandenburg
(Ja) und Pro Brandenburg/Bürger rettet Brandenburg (BRB). Nach
den bisherigen demoskopischen Umfragen haben sie allerdings keine
Chance, in den Landtag zu kommen.
Was sind die wichtigsten Themen in diesem Wahlkampf?
Selbstverständlich die hohe Arbeitslosigkeit, die zum Teil
erfolglose Wirtschaftsansiedlung, die aufgrund des
Geburtenrückgangs notwendige Schließung vieler Schulen,
die Abwanderung nach Westen, die hohe Verschuldung des Landes und
die Frage, wie die ländlichen Regionen am Leben erhalten
werden können. K. Rüdiger Durth
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