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Astrid Pawassar
Probleme mit der Pressefreiheit
Sachsen: PDS-Spitzenkandidat im Streit mit den
Regionalzeitungen
Sachsens PDS-Spitzenkandidat für die bevorstehende
Landtagswahl, Peter Porsch, hat sich heillos mit der Presse
zerstritten. Porsch hatte fünf Regionalzeitungen per
Einstweiliger Verfügung untersagt, über die Behauptung
der Birthler-Behörde zu berichten, er sei Informeller
Mitarbeiter der Stasi gewesen. Unter Bezug auf die neue Aktenlage
hat Sachsens Wissenschaftsminister dem Germanistik-Professor an der
Leipziger Universität fristlos gekündigt.
Zwei Wochen hat der Kandidat gebraucht, um zu begreifen, dass es
besser ist, allmählich zurückzurudern. Er habe in dieser
Sache "nicht alles richtig gemacht", meinte Peter Porsch, der auch
Vorsitzender der PDS-Fraktion im Sächsischen Landtag ist. Aber
so richtig versteht er die Aufregung der versammelten
sächsischen Presse nicht. Schließlich habe er sich doch
gegen Unterstellungen gewehrt und dabei die Mittel des
Rechtsstaates genutzt. Immerhin soll es nun ein Ende haben mit den
Klageandrohungen und Einstweiligen Verfügungen gegen
Journalisten, die aus Akten der Birthler-Behörde zitieren.
Die hatten wissbegierig eine Enthüllung des Magazins
"Focus" aufgenommen und weiterverfolgt. Ein IM "Christoph" hat der
Stasi 1984 über eine Lesung der Schriftstellerin Christa Moog
Bericht erstattet. Die Lesung fand in der Leipziger Wohnung der
damaligen Lebensgefährtin und heutigen Ehefrau von Peter
Porsch statt. "Nach der Lesung bat ich XXX (Name geschwärzt)
so etwas nicht mehr zu organisieren, weil ... wir uns selbst durch
eine solche Einladung strafbar machen können", heißt es
in einem Dokument, aus dem die "Leipziger Volkszeitung" zitierte.
Ein Jahr später hat "Christoph" der Stasi über seine
erfolgreiche Kontaktaufnahme zu dem westdeutschen Journalisten Karl
Corino berichtet: "Ich ging hinter ihm her und klopfte ihm auf die
Schulter und sagte, dass ich ihn doch einmal ansprechen
müsste, er war doch im Vorjahr bei uns in der Wohnung zu einer
Lesung gewesen." Marianne Birthler hegt keinen Zweifel daran, dass
es sich bei dem Genannten um Peter Porsch handelt.
Ihrer Behörde liegt ein Telegramm der Leipziger Stasi an
die HVA XII vor, in dem es heißt: "Dr. Porsch Peter, geb. am
15.10.1944 ... erfasst für Ihre Abteilung ... Inoffiziell
wurde bekannt, dass in der Wohnung des Genannten am 10.3.1984 eine
Lesung feindlich-negativer Schriftsteller geplant ist ... Sollte
die Möglichkeit einer operativen Nutzung des P. bestehen,
bitten wir um Rücksprache mit Gen. Oltn. Opelt ..." Jener
Stasi-Mann hat inzwischen bestätigt, dass er sich im
Frühjahr 1984 mit Porsch getroffen hat. Opelts Treffberichte
finden sich in den Akten der Birthler-Behörde wieder. Darin
sollen auch Informationen über eine DDR-kritische
Äußerung des Schriftstellers Lutz Rathenow bei jener
Lesung in Leipzig enthalten sein.
Peter Porsch behauptet, nie wissentlich mit der Stasi
zusammengearbeitet zu haben. Er habe mit Leuten gesprochen, die
sich als Kripo-Beamte vorgestellt hätten. Als Befürworter
des DDR-Regimes habe er gegen diese Gesprächspartner keinen
Argwohn gehegt. Möglicherweise sei er also "abgeschöpft"
worden. Der gebürtige Österreicher lebte seit 1968 in
Berlin und siedelte 1973 nach Leipzig über - als
überzeugter Kommunist und "der Liebe wegen", wie er stets
betont. Im Sächsischen Landtag glänzte er durchweg mit
launigen, rhetorisch geschliffenen Reden; der Wahlkampf der PDS in
Sachsen ist ganz auf seine Person zugeschnitten. Die
PDS-Kreisverbände und der PDS-Parteirat stellten sich
demonstrativ hinter ihren Kandidaten. In Presseerklärungen
prangern sie die "unerträgliche Inszenierung" eines
angeblichen "Stasi-Skandals" an und werten die Berichterstattung
darüber als Versuch, vom Hauptwahlkampfthema der PDS, den
Auswirkungen der Hartz IV-Gesetze, abzulenken.
Allerdings hat die mangelnde Gelassenheit des Spitzenkandidaten
im Umgang mit der Presse inzwischen Auswirkungen gezeigt, die
manchem Genossen Unbehagen verursachen. Hatte die PDS bei
Wählerumfragen im Juli noch mit 27 Prozentpunkten
geglänzt, so rutschte sie Anfang September auf 22 Prozent. Von
schlechtem Krisenmanagement wurde gemunkelt. Da sollte eine
Pressekonferenz zum Wahlprogramm in der vergangenen Woche wohl den
Befreiungsschlag bringen. Doch mit seinem Eingeständnis, bei
seiner Pressejagd nicht alles richtig gemacht zu haben, wollten die
Journalisten Peter Porsch nicht in die Normalität entlassen.
Ob er denn jetzt auch die fünf Einstweiligen Verfügungen
zurückziehen werde? Nein, so weit wollte er denn doch nicht
gehen. Die anhängigen Prozesse würden
weitergeführt.
Somit sitzt den Blättern immer noch die Forderung von bis
zu 250.000 Euro bei Zuwiderhandlung, sprich: Berichterstattung
über den IM-Verdacht, im Nacken. Eine Erklärung
dafür, weshalb weder der Münchener "Focus" noch
"Leipziger Volkszeitung", die Agenturen und der MDR verklagt
wurden, blieb Porsch schuldig. Auch das "Neue Deutschland" blieb im
übrigen verschont, weil es angeblich "neutral" berichtet
hatte, obwohl selbst dort der Sachverhalt dargestellt worden
ist.
Über das Verhalten der sächsischen PDS gegenüber
der Presse kann Dieter Soika, Chefredakteur der in Chemnitz
erscheinenden "Freien Presse", nur den Kopf schütteln: "So
etwas ist mir in 35 Jahren Journalismus noch nicht passiert."
Für ihn ergänzt diese Erfahrung das Bild von einer
"Superkoalition" der Politiker gegen ihnen unangenehme
Berichterstattung. "Wenn wir nicht mehr aus Akten der
Birthler-Behörde zitieren dürfen, müssen wir uns
nicht wundern, wenn die NPD demnächst fordert, dass wir auch
nicht mehr aus Verfassungsschutzberichten zitieren."
Mit der erneuten Ankündigung, nun wolle er die
Birthler-Behörde tatsächlich verklagen und außerdem
den sächsischen Wissenschaftsminister, der dem Professor nach
einem einstimmigen Votum der zehnköpfigen Personalkommission
der Uni Leipzig die Entlassungspapiere geschickt hatte, gelang es
Porsch nicht, die Presse umzustimmen. Die von ihm inkriminierten
Journalisten verließen die Pressekonferenz, ohne dem
Wahlprogramm der PDS weitere Beachtung zu schenken. Astrid
Pawassar
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