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O. Ulrich Weidner
Zwischen Schulden und Schuldzuweisungen
Generaldebatte zum Haushalt 2005 offenbart tiefe
Kluft im Bundestag
Die parlamentarische Sommerpause dieses Jahres
ging mit einem großen politischen Paukenschlag zu Ende:
Traditionell ist die erste Sitzungswoche im September der Beratung
des Haushaltes für das kommende Jahr vorbehalten. Das
Etatrecht ist das Königsrecht des Parlaments, hier haben die
Abgeordneten die Möglichkeiten, an den finanziellen Planungen
der Bundesregierung Veränderungen und Akzentverschiebungen
vorzunehmen. Und Regierung und Opposition ziehen Bilanz der
bisherigen Politik und geben Ausblicke auf das kommende
Geschehen.
Der Etat des Kanzleramtes ist die
Gelegenheit, die jeweiligen Positionen öffentlich in
großen Reden darzustellen. So begann am vergangenen Mittwoch
der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Michael Glos, mit einem
heftigen Angriff auf die Bundesregierung und den Kanzler. Glos
zeichnete ein düsteres Bild der deutschen Wirtschaft und
beklagte einen Ausverkauf deutscher Firmen und Banken an
ausländische Anleger. Schuld auch an der Verlagerung von
Arbeitsplätzen seien die hohen Arbeits- und Lohnzusatzkosten.
Seit Jahren würden "illusionäre Konjunktur- und
Wachstumsprognosen" von der Regierung präsentiert. Dies habe
zu einer großen Vertrauenkrise in Deutschland geführt,
die "Wahlkampfwunderwaffe" Hartz IV habe sich als Rohrkrepierer
erwiesen. Den Haushalt von Finanzminister Eichel, der Weltmeister
im Schuldenmachen sei, nannte Glos "geschönt und
gefälscht". Deutschland sitze in der Schuldenfalle, man
brauche einen Neuanfang auf der Basis von Wahrheit und
Klarheit.
Bundeskanzler Gerhard Schröder wies die
Vorwürfe engagiert zurück und ging auf die drei Probleme,
die man in Europa hat, ein: Terrorismus, Globalisierung und der
veränderte demographische Aufbau der Bevölkerung. Auf die
beiden letzten Punkte habe man mit der Agenda 2010 geantwortet.
Allerdings sei der Reformprozess noch nicht abgeschlossen. Der
Kanzler vermied es, wie übrigens auch die nachfolgenden Redner
der Opposition, auf konkrete Maßnahmen einzugehen. Zu sehr ist
wohl das Wort Reform diskreditiert. So ging es eher um
Nachhaltigkeit, Transparenz, Eigenverantwortung, Zahnersatz und
Hartz IV, dabei um Schonvermögen, zumutbare Arbeit. Man sei
weit davon entfernt, ein rosiges Bild zu malen, aber zu sagen,
"dieses Land sei ein einziges Jammertal, nur weil Ihnen die
Regierung nicht passt, das ist hanebüchener Unsinn". Nach
innen müsse man den Umbau der sozialen Sicherungssysteme
voranbringen, weil sie nur so auf Dauer zu sichern
seien.
Für die FDP-Fraktion widersprach Guido
Westerwelle dem Kanzler: Das Problem dieser Regierung sei, dass sie
viel verspreche, aber nichts halte, "deswegen laufen Ihnen auch die
Menschen davon". Die Opposition verhalte sich, zum Beispiel im
Vermittlungsverfahren, konstruktiv, deswegen könne man sie
auch für die derzeitige Lage nicht verantwortlich machen. Das
wahre Problem sei, dass man permanent mit neuen Vorschlägen
komme. Widerstand leiste die Bevölkerung nicht, weil die
Reformen durchgesetzt werden, sondern weil man keine
verlässliche Politik betreibe. Als Beispiel nannte Westerwelle
das Hakenschlagen in der Frage der Ausbildungsplatzabgabe. Bei
allen Reformen sei man auf halbem Wege stehen geblieben. Hartz
werden nicht tragen und ausreichen, "wenn Sie Ihre
Wirtschaftspolitik nicht korrigieren und an die Stelle Ihrer
Verteilungsstrategie eine Wachstumsstrategie setzen", meinte der
liberale Politiker.
Fördern als zentrale Rolle
Für die Bündnisgrünen sprach
die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt. Sie zeigte
auf, was die Regierungskoalition zur Halbzeit der Legislaturperiode
bereits alles erreicht habe: Stabilität bei der
Rentenversicherung, Steuersenkung, Gesundheitsreform. In der
Gesundheitspolitik wolle man jetzt die Bürgerversicherung,
"eine Versicherung für alle". Natürlich gingen viele
Menschen gerade in Ostdeutschland auf die Straße, weil sie
verunsichert seien und berechtigte Ängste hätten. Aber
wenn man genau hinhöre, sei festzustellen: Hartz IV sei
richtig und müsse nicht verändert werden, "aber wir
müssen bei der Umsetzung darauf achten, dass das Fördern
tatsächlich eine zentrale Rolle spielt". Als Positivpunkte
nannte Göring-Eckardt auch die Schaffung von
Arbeitsplätzen im Bereich der Umwelttechnologie in
Ostdeutschland.
Die Vorsitzende der Unionsfraktion, Angela
Merkel, zog eine düstere Halbzeitbilanz der Bundesregierung:
Die meisten Menschen in Deutschland seien reicher geworden, reicher
an Enttäuschungen und ärmer an Hoffnungen. Wie wolle man
den Menschen erklären, dass jahrelang mangelndes Wachstum mit
schwächelnder Weltkonjunktur begründet wird, dann aber,
wenn die Weltwirtschaft boomt, die Realeinkommen in Deutschland
trotzdem nicht steigen? So sei man zwar Exportweltmeister, aber
jetzt müsse die Binnenkonjunktur wieder in Gang gebracht
werden. Mit dem Programm "Kapital für Arbeit", dem Jobfloater,
habe man sich jährlich 120.000 neue Arbeitsplätze
versprochen, geschaffen wurden aber in zwei Jahren nur 12.000 - das
sei "völliges Versagen eines hochgejubelten
Instruments".
Merkel ging auch besonders auf die Lage in
Ostdeutschland ein: Die Menschen in den neuen Bundesländern
spürten, dass die Schere zwischen Ost und West seit 1998
wieder aufgegangen ist, obwohl der Kanzler in jenem Jahr den Aufbau
Ost zur Chefsache gemacht habe. Man könne doch bei Hartz IV
nicht stehen bleiben und hoffen, dass der Wind der Weltkonjunktur
hilft, man brauche weitere Schritte, eine Weiterentwicklung des
Arbeitsrechts, Innovationen und eine Entbürokratisierung. Dazu
wolle die Union eine Politik aus einem Guss.
Franz Müntefehring, Vorsitzender der
SPD-Fraktion, antwortete, dies sei eine "hochmütige
Rechtfertigungsrede" gewesen. Man habe das Gefühl, die Union
wolle das ganze Land schlecht- und herunterreden und es mies
machen. Das sei völlig unangemessen und werde
zurückgewiesen. Müntefering warnte davor, Deutschland
"auseinanderdividieren" zu wollen: "Wir sind ein Deutschland. Wir
müssen Politik für ganz Deutschland machen. Wir
müssen aufhören, Ost- und Westdeutschland gegeneinander
zu stellen." Die Agenda 2010 beginne zu wirken, das zeige sich
deutlich bei der Gesundheitsreform, aber auch bei den
Hartz-Gesetzen, "vor allem beim Vierten Gesetz für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt". Müntefering erklärte
abschließend, die rot-grüne Koalition werde Deutschland
in eine gute Zukunft führen.
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