Gunter Holzweißig
Militarisierte DDR-Gesellschaft
Kurz notiert
Dass die "bewaffneten Organe der DDR" inzwischen zu den am
besten erforschten militärischen Formationen der ehemaligen
Ostblockstaaten gehören, ist zweifellos auch das Verdienst des
Potsdamer Militärgeschichtlichen Forschungsamts (MFGA) der
Bundeswehr. Das MFGA betrachtet sich zu Recht als eine
wissenschaftliche Institution, die eine moderne
Militärgeschichtsforschung betreibt und sich nicht mehr
ausschließlich auf eine deskriptive und anwendungsorientierte
Kriegs- und Wehrgeschichte beschränkt.
Um diese methodische Öffnung haben sich insbesondere Hans
Ehlert und Matthias Rogg, MFGA-Historiker und Herausgeber des
anzuzeigenden Sammelbandes, verdient gemacht. Sie markieren
einleitend ihr Forschungsinteresse: "Ohne genaue Kenntnisse
über das Verhältnis von Militär, Staat und
Gesellschaft ist eine kritische Aufarbeitung der SED-Diktatur und
ihre historische Bewertung kaum möglich." Unter dieser
Prämisse haben die Herausgeber den Band, an dem 36 fachkundige
Autoren mitgewirkt haben, überzeugend in acht Abschnitte
unterteilt, ohne sich dabei der Gefahr der Beliebigkeit
auszusetzen.
Behandelt werden die Rolle der NVA im Kalten Krieg, im
Spannungsfeld zwischen Fremd- und Selbstbestimmung und als
Herrschaftsinstrument der SED. Außerdem werden das
Verhältnis zwischen militärischer und ziviler
Gesellschaft sowie zwischen Kirche und Militär, der
Soldatenalltag und die Militärpropaganda am Beispiel der
Instrumentalisierung des Spielfilms beleuchtet.
Der letzte Abschnitt führt in die Gegenwart. Hier geht es
um das Ende der NVA, den Neuanfang für eine Minderheit ihrer
Soldaten in der Bundeswehr, aber auch um die Probleme derer, denen
die Rückkehr ins Zivilleben schwer gefallen ist. Fünf
umfangreichere Abschnitte werden von ausgewiesenen DDR-Spezialisten
- unter ihnen Rolf Steininger und Hermann Weber - durch
Aufsätze mit Überblickscharakter eingeleitet. Insgesamt
ein gelungener, auch für die politische Bildungsarbeit
hervorragend geeigneter Beitrag zur Aufarbeitung der SED-Diktatur,
der auch um Verständnis für andersartig erscheinende
ostdeutsche Lebensbezüge wirbt. Gunter Holzweißig
Hans Ehlert, Matthias Rogg (Hrsg.)
Militär, Staat und Gesellschaft in der DDR.
Forschungsfelder, Ergebnisse, Perspektiven.
Ch. Links Verlag, Berlin 2004; 740 S.,34,80 Euro
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