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Hartmut Hausmann
Für neue Partnerschaft mit den Nachbarn der
Union
Europaparlament als Forum für die
europäische Verfassung
Der im Juli neu gewählte Präsident des
Europäischen Parlaments, Josep Borrell, hat in seiner
Antrittsrede am 14. September in Straßburg die wichtigsten
Aufgabenbereiche der Europaabgeordneten in den nächsten
Monaten und Jahren skizziert. Besondere Bedeutung habe die Debatte
über die Ratifizierung des Verfassungsvertrages. Hier
müsse das Parlament Impulse geben.
Es müsse der Marktplatz für eine
offene Debatte aller Meinungen in Europa sein. Man müsse dem
Bürger zeigen, worum es in der Verfassung gehe, was sie
aussage und für die Zukunft eines jeden Einzelnen bedeute.
Eine Vermischung mit innenpolitischen Themen der Mitgliedstaaten
müsse vermieden werden. Der Präsident plädierte
dafür, noch vor 2005 einen entsprechenden Text zu
verabschieden.
Zu der zum Jahresende anstehenden
Entscheidung, ob mit der Türkei schon bald
Aufnahmeverhandlungen aufgenommen werden sollen, regte Borrell an,
einen eigenen Bericht des Parlaments als zusätzliche
Entscheidungshilfe zu erarbeiten. Auch wenn die Abgeordneten bei
dem vom Gipfel zu treffenden Beschluss unmittelbar keine Rolle
spielten, gäben Debatten über derart grundsätzliche
Weichenstellungen in der europäischen Politik dem Parlament
erst seine Daseinsberechtigung. Deshalb sollte das Parlament auch
rechtzeitig vor der Entscheidung seine eigene Stellungnahme
beschließen. Vorher, am 23. September, werde der
türkische Premierminister Erdogan vom erweiterten
Präsidium des Europaparlaments, dem auch die
Fraktionsvorsitzenden angehören, zu einem Meinungsaustausch
empfangen.
Unabhängig davon, wie die Entscheidung
zur Türkei ausfalle, mahnte Borrell eine neue Politik der
fairen und engen Partnerschaft gegenüber seinen Nachbarn und
insbesondere gegenüber den islamischen Staaten an. Die
Qualität dieser Politik müsse sich auch darin zeigen, wie
gut die über zehn Millionen islamischen Bürger in der
Union in die europäische Gesellschaft integriert würden.
Hier liege eine der wichtigsten Herausforderungen für Europa,
das seine Grenzen nicht in Abhängigkeit vom Krieg der
Zivilisationen ziehen dürfe, den manche herauf zu
beschwören versuchten.
Ebenso wie EVP-Fraktionschef Hans-Gert
Pöttering, der von einer Spaltung seiner Gruppe in dieser
Frage sprach, räumte auch der Vorsitzende der
sozialdemokratischen Fraktion, Hans-Martin Schulz, unterschiedliche
Auffassungen zur Aufnahme der Türkei in der SPE ein. Es
müsse jedoch auch berücksichtigt werden, dass die EU
nicht 40 Jahre lang Versprechungen machen und dann im letzten
Moment neue Bedingungen stellen könne.
Als nächstliegende Aufgabe, so
kündigte Borrell an, soll das Parlament bei der Einsetzung der
neuen EU-Kommission zur Verdeutlichung klarer Positionsbestimmungen
in der europäischen Politik beitragen und mit den neuen
Kommissaren eine Debatte über die großen Leitlinien
für die Zukunft führen. Bei den in Kürze beginnenden
Anhörungen der 25 designierten Kommissare müsse auch
gegenüber der Öffentlichkeit klar werden, wie die
Kommission verschiedene Probleme anzugehen gedenken. Ein einfaches
Durchwinken dürfe es nicht geben, vielmehr sollten die
Anhörungen zu einem großen Moment der parlamentarischen
Demokratie werden.
Dazu erläuterte Pöttering als
Vorsitzender der christdemokratisch-konservativen EVP-Fraktion in
der anschließenden Debatte einen Zehn-Punkte-Katalog, mit
dessen Hilfe die neuen Kommissare und deren Aussagen beurteilt
werden sollen. Dass der designierte Kommissionspräsident
José Manuel Barroso aus dem bürgerlichen Lager stamme,
bedeute nicht, dass seine Fraktion der Kommission in Vasallentreue
nachlaufe. Die EVP und das Gesamtparlament müssten sich
vielmehr in einer Doppelrolle sehen: einerseits als Verbündete
der Kommission, andererseits als deren Kontrolleure. Zu den
wichtigsten Forderungen des Beurteilungskatalogs gehört die
Anwesenheit eines Kommissionsvertreters während den Sitzungen
des Parlaments.
Pöttering kündigte Gespräche
mit den Vorsitzenden der anderen Fraktionen mit dem Ziel an, eine
gemeinsame Entschließung zur Beurteilung der Kommission zu
erreichen.
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