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Hartmut Hausmann
Kein Beitritt im Galopp möglich
Juncker zur Frage der Türkei
Der Luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker
hat am 15. September bei einer Aussprache mit den Abgeordneten der
deutschen Gruppe in der EVP-Fraktion in Straßburg für
eine vorsichtige Reform des Europäischen Stabilitäts-
pakts auf der Grundlage der Kommissionsvorschläge geworben.
Dabei sprach er sich anschließend vor der Presse aber
eindeutig gegen eine Ausklammerung bestimmter Ausgabenposten aus
der Berechnung der Neuverschuldung der Mitgliedsstaaten aus, wie
für Bildung oder Arbeitsmarktreformen im Sinne des von der EU
beschlossenen Lissabon-Prozesses. Ein solches Vorgehen, wie es von
einigen Mitgliedsländern vorgeschlagen werde, käme dem
Öffnen der Büchse der Pandora gleich, weil andere dann
auf die Idee kommen könnten, auch ihre besonderen
Verteidigungsausgaben oder die grenzüberschreitenden
Investitionen, und wieder andere ihre Nettozahlungen an die EU
geltend zu machen. Viel wichtiger seien eine Koordinierung und
gemeinsame Beschlussfassung in der Finanz- und Wirtschaftspolitik.
Wenn ein Land sich an solche, gemeinsam beschlossene Vorgaben halte
und dennoch ein Defizit von über drei Prozent erreiche, dann
sollte es auch keine Sanktionen geben. Unter Anspielung auf
Deutschland meinte er, dass unter solchen Voraussetzungen auch der
Fall einer nicht anspringen wollenden Binnennachfrage fallen
würde.
Keine Grundsatzdiskussion mehr
Eindeutig erteilte Juncker in der Frage des
Türkei-Beitritts allen Versuchen, besonders der konservativen
Parteien in Deutschland und Frankreich, eine Absage, jetzt noch
eine Grundsatzdiskussion darüber zu führen, wie ein
Beitritt noch vermieden werden könne. Diese Diskussion
hätte geführt werden müssen, bevor das Land 1997 als
mögliches Beitrittsland akzeptiert wurde und 1999 den
offiziellen Kandidatenstatus erhielt. Er selbst habe sich damals
als Einziger gegen diese Beschlüsse ausgesprochen, aber
niemand habe die Diskussion ernsthaft führen wollen. Jetzt sei
der Zug abgefahren.
Zu wenig bekannt über die Türkei
Mit einem baldigen Beitritt der Türkei rechnet Juncker
dennoch nicht, da die Beitrittsverhandlungen sehr viel länger
als bei andern Ländern dauern würden. Viel zu wenig sei
über das Land, seine Strukturen in Wirtschaft und
Landwirtschaft oder über seine Verwaltungskapazität
bekannt. Hier bedürfe es sehr aufwändiger Untersuchungen.
Ein "Beitritt der Türkei im Galopp" sei deshalb undenkbar.
Außerdem stehe noch die Frage der späteren Ratifizierung
des Beitrittsvertrages an. Nachdem die Verfassung in mindestens
zwölf Ländern durch ein Referendum legitimiert werde,
könne man in dieser Frage die Volkssouveränität
nicht wieder außer Kraft setzen. H. H.
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