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Florian Kain
Im Kreuzfeuer der Kritik
Hamburg: Umstrittene Uni-Reform
Der radikale Uni-Reformkurs von Wissenschaftssenator Jörg
Dräger sorgt für immer massiver werdenden
öffentlichen Gegenwind: Die Presse der Hansestadt berichtet
zunehmend kritisch, die Opposition schlägt Alarm. Dräger,
dessen Politik über die Grenzen der Hansestadt hinaus für
Aufruhr sorgt, war ursprünglich via FDP-Ticket ins
Senatsgehege gelangt. Doch auch nach den vorgezogenen Neuwahlen in
diesem Frühjahr, die der Union erstmals die absolute Mehrheit
einbrachten, hatte Bürgermeister Ole von Beust an dem
36-jährigen Polit-Seiteneinsteiger ohne Parteibuch
festgehalten. Dräger sei ein "Juwel" und stehe nicht zur
Disposition, so Beusts Ansicht damals.
Ob er das heute noch so wiederholen würde, wagt manch ein
Hamburger Christdemokrat inzwischen zu bezweifeln. Denn
Drägers Pläne für die Entwicklung der hanseatischen
Hochschullandschaft bringen die Wissenschaftspolitik des Senats
bundesweit fast nur noch mit Begriffen wie "Kahlschlag",
"Provinzniveau" und "gesellschaftliche Bankrotterklärung" in
Zusammenhang. Der Regierung droht ein beträchtlicher
Imageschaden, zumal sie in der Vergangenheit immer
größten Wert darauf gelegt hatte, ihre Konzepte als
innovativ und zukunftsgerecht zu kommunizieren.
Worum geht es genau? Der Senator plant unter Bezugnahme auf ein
Gutachten der HIS (Hochschul-Informationssystem) GmbH unter anderem
die Absenkung der Studienplätze in den Geistes-, Kultur- und
Sprachwissenschaften um rund 60 Prozent bis 2012. Dementsprechend
soll von den derzeit 155 Professorenstellen nach Drägers
Vorstellung nur die Hälfte übrig bleiben. Die
unvermeidliche Folge wäre die Schließung ganzer
Studiengänge. Von fast 30 Fächern würden nur wenige
überleben, warnen die Dekane der geisteswissenschaftlichen
Fachbereiche der Universität in einem Brandbrief. Betroffen
wären unter anderem republikweit einmalige Disziplinen wie
Vietnamistik, Äthiopistik und Thaiistik, die sich nur in der
Hansestadt studieren lassen. Ebenfalls vor dem Ende stünden
renommierte und berufsbezogen organisierte Studiengänge wie
Journalistik und Kommunikationswisschaften oder Medienkultur, die
auch zum Winter- semester wieder exorbitant hohe Bewerberzahlen
hatten. Aufgegeben werden müssten zudem die
Sprachlehrforschung, ein Exzellenzbereich in den Ange- wandten
Sprachwissenschaften und der Bereich Gebärdensprache,
ebenfalls einzigartig in Deutschland.
Einzigartige Studiengänge vor dem Aus
Der Senator begründet den Aderlass mit
Arbeitsmarktprognosen, nach denen künftig deutlich mehr
Absolventen aus den Naturwissenschaften gebraucht würden. Die
Hochschule hält derartige Einschätzungen für
methodisch unverantwortlich: Sie könnten nicht tragfähige
Basis einer seriösen Universitätsentwicklung sein.
Tatsächlich ist es vornehmlich der politische Wille des
promovierten Physikers Dräger, der Universität eine
verstärkt naturwissenschaftliche Ausrichtung zu geben. Die
hochschulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Barbara
Brüning, sieht in Drägers Begründung ein
"fragwürdiges Verständnis" von Wissenschaft. Die
Reformpläne des Senators würden dem "einseitigen
Menschenbild des Homo technicus" entspringen; sie müssten
gestoppt werden.
Mit dieser Forderung steht sie nicht allein: Studenten und
Professoren demonstrieren und drohen mit einem "heißen
Herbst". Selbst die Handelskammer macht sich Sorgen darüber,
dass es Fächer wie die Asienwissenschaften oder das
Asien-Afrika-Institut in Hamburg nicht mehr geben könnte. Der
seit Wochen andauernde Protest hat auch Parlamentarier aus der
Regierungsfraktion aufhorchen lassen. CDU-intern ist das
Reformprojekt inzwischen nicht mehr unumstritten. Es bestehe
"Klärungsbedarf", betonte ihr wissenschaftspolitischer
Sprecher Wolfgang Beuß unlängst - während Ole von
Beust sich zurückhält. Dräger steht indes weiter zu
seinem Schrumpfkurs. Florian Kain
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