|
|
Stefan Laurin
Verschiebeeffekt ohne neue
Arbeitsplätze
Strukturförderung hilft wirtschaftlich
schwachen Regionen auf Kosten stärkerer
In den vergangenen Jahrzehnten investierten der Bund, die
Länder und die Europäische Union Milliarden in die
Förderung von strukturschwachen Regionen. Eine Studie belegt
nun den zweifelhaften Erfolg dieser Bemühungen.
Der Zwiebackhersteller Brandt war über Jahrzehnte eng mit
der Geschichte Hagens verbunden, und so ahnte 1999 niemand, was auf
die Stadt zukommen sollte. Seinerzeit stand bei dem Unternehmen der
Ausbau der Fabrikationsanlagen an. Über 100 Jahre wurde in
Hagen Zwieback gebacken - nun schreckte eine Nachricht die Stadt am
Südrand des Ruhrgebiets auf: Brandt hatte beschlossen, nicht
in die Hagener Fabrik zu investieren, sondern in ein neues Werk im
thüringischen Ohrdruf. Der Grund: Fördermittel. 13
Millionen bot Ohrdruf Brandt, Hagen konnte nur sieben Millionen
Euro mobilisieren. Zu wenig. 350 Menschen verloren in Hagen ihren
Arbeitsplatz, nur die Verwaltung blieb am alten Standort. Neue
Arbeitsplätze sind mit den Fördermitteln unterm Strich
indes nicht geschaffen worden. Im Gegenteil: Die neue Fabrik
ermöglichte die Produktion des kantigen Back-werks mit noch
weniger Mitarbeitern als in Hagen. Ganze 180 sind dort noch
beschäftigt.
Für die Wirtschaftswissenschaftler Hans-Friedrich Eckey und
Reinhold Kosfeld aus Kassel ist das Hagener Beispiel keine
Überraschung, sondern das übliche Ergebnis von
Strukturförderung. "Regionaler Wirkungsgrad und räumliche
Ausstrahlungseffekte der Investitionsförderung" heißt die
Arbeit der beiden Ökonomen, mit der sie die
Investitionsförderung in Deutschland untersuchen. Fast sechs
Milliarden Euro wurden in Deutschland für dieses
Förderinstrument zwischen 2000 und 2002 ausgegeben. Mit diesem
Geld sollten in strukturschwachen Regionen Arbeitsplätze
geschaffen und gesichert werden. In unterschiedlicher Höhe kam
beinahe die Hälfte des Bundesgebietes in den Genuss dieser
Mittel, besonders hoch waren sie natürlich in den neuen
Ländern, dem wirtschaftlich noch immer schwächsten Teil
des Landes.
Welche wirtschaftlichen Effekte lösten die
Fördermittel aus? Die beiden Wissenschaftler untersuchten
nicht nur die Ergebnisse der Investitionen in den Zielregionen,
sondern auch in deren Umland. Beispielhaft taten sie dies für
die Region Eisenach. Das Ergebnis: Die Investionsförderung
bewirkt dort vor allem Standortentscheidungen von Unternehmen
zugunsten der Förderregion. Statt neue Arbeitskräfte zu
schaffen, verlagern Unternehmen ihren Produktionsstandort mitsamt
den Jobs in die Region mit der attraktiven Förderung. "96
Prozent der Investitionsfördermittel bundesweit führen
nur zur Verlagerung von Arbeitsplätzen", fasst Kosfeld die
Ergebnisse der Arbeit zusammen. Lediglich vier Prozent der Mittel
erreichten die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
In Modellrechnungen zeigen Eckey und Kosfeld die Effekte vier
verschiedener Szenarien für alle Wirtschaftsregionen
Deutschlands auf. Die Annahme des ersten Modells, in dem die
Förderung der Region Eisenach um 100 Euro pro Einwohner
reduziert ist, belegt mit seinen positiven Wirkungen auf die
westlichen Nachbarregionen deutlich die These der Kasseler
Ökonomen, dass die Förderung vor allem einen
Verschiebeeffekt verursacht. Eine zweite Modellrechnung zeigt die
Auswirkungen auf die Wirtschaftsregionen unter der Annahme, dass
die Förderung gänzlich eingestellt wird: Für die
gesamte Bundesrepublik wären die Auswirkungen kaum
spürbar, wohl aber für die Förderregionen.
Da die beiden Wirtschaftswissenschaftler jedoch davon ausgingen,
dass dieses Szenario politisch nicht gewollt ist, entwickelten sie
zwei weitere Modellrechnungen: Ein Modell, bei dem die
Investitionsförderung nur für die neuen Länder
gelten würde, und eines, bei dem die Mittel für die
Regionen allein nach dem Kriterium der relativen Armut
unabhängig von ihrer geografischen Lage in Ost oder West zur
Verfügung gestellt werden.
Bei aller wissenschaftlichen Zurückhaltung raten die
Autoren zu der letzten Variante. "Es darf nicht mehr auf die Lage
ankommen, sondern allein auf die Stärke oder Schwäche der
Wirtschaftsstruktur", so Eckey, der auf Regionen wie Leipzig oder
Dresden, die wirtschaftlich mittlerweile einige westdeutsche
Regionen überholt haben, verweist.
Auch wenn die Invenstitionsförderungen bundesweit gesehen
wirtschaftlich kaum positive Auswirkungen auf das Wachstum und die
Zahl der Arbeitsplätze haben, seien sie jedoch in einem Punkt
erfolgreich: Sie tragen dazu bei, die Unterschiede zwischen den
wirtschaftlich starken und schwachen Regionen zu verringern. "Man
kann nicht sagen, dass Investitionsförderung keinen Erfolg
hat. Sie schafft nur, volkswirtschaftlich gesehen, keine
zusätzlichen Jobs", so Kosfeld. "Allerdings leistet sie einen
Beitrag zur Annäherung der Lebensverhältnisse in den
verschiedenen Regionen Deutschlands, und das ist immerhin ein
Verfassungsgebot." Stefan Laurin
Zurück zur
Übersicht
|