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Ulrike von Leszczynski, dpa
Auf Spurensuche im Führerbunker
"Der Untergang" weckt Neugierde
Auf den Griffen der Gabeln ist noch "NSDAP Gau Berlin"
eingraviert. Verrostete Stahlhelme sind von Kugeln durchsiebt, und
die stabilen Holzbänke sollen aus dem Führerbunker
stammen. Bunkerforscher Dietmar Arnold lässt diese Sammlung,
die er nach der Wende im Berliner Regierungsviertel ausgegraben
hat, ziemlich kalt. Er hat schon viele Kriegsrelikte aus dem
Berliner Untergrund ans Licht geholt. Eine Begebenheit hat jedoch
auch ihn erschaudern lassen. Es war der Tag, an dem Schauspieler
Bruno Ganz bei den Dreharbeiten zum Film "Der Untergang" (Kinostart
war vergangene Woche) die Treppe im nachgebauten Führerbunker
hinunterstieg. Das schien so täuschend echt, erinnert sich
Arnold, als ob er Hitler begegnete.
Der Führerbunker und die Schlacht um Berlin - über sie
wird wieder diskutiert, seit Bernd Eichingers Film über
Hitlers letzte Tage in die Kinos kam. Dietmar Arnold hat Anfang der
90er-Jahre die Reste des gesprengten Führerbunkers vermessen
und die Pläne gezeichnet, nach denen die Filmkulissen-Bauer
die unterirdische Welt wiedererstehen ließen. Seit 18 Jahren
ist Arnold der Faszination des Berliner Untergrunds erlegen - den
Bunkern, den Fluchttunneln, der Rohrpost oder der U-Bahn. Ein
Ergebnis seiner Leidenschaft sind zwei Bücher über
"dunkle Welten".
Vom Tabu- zum Modethema
In Berlin sind die Bunker seit dem Mauerfall ein Modethema
geworden. Es gibt Stadtführer wie Jürgen Kuhl, die
Touristen zu den Orten der Nazi-Bunker nahe der Wilhelmstraße
führen und dann ihre Bildermappen mit historischen Fotos
hervorziehen. Zu sehen gibt es nichts mehr, zu berichten viel.
Enthusiasten wie Dietmar Arnold ärgert, dass es hier, inmitten
des Plattenbau-Wohngebiets der 80er-Jahre, keinen Hinweis auf
Hitlers Bunker gibt; keine Schautafel, die einen Grundriss zeigt
oder mehrsprachige Erläuterungen bietet. "Es geht ja nicht
darum, den Tätern ein Denkmal zu setzen", betont der 40 Jahre
alte Stadtplaner. Es gehe um sachliche Informationen über
einen authentischen Ort. Doch der liegt an einer heiklen Stelle. In
der Nähe des ehemaligen Führerbunkers entsteht heute das
Holocaust-Mahnmal.
Auch wenn die verbliebenen Nazi-Bunker nahe der
Wilhelmstraße heute versiegelt sind, wird ihre Existenz nicht
mehr verschwiegen. Die Tourist-Information verkauft den
englischsprachigen Stadtplan "The Third Reich", auf dem sowohl die
Lage des Hitler-Bunkers als auch Gedenkstätten und Museen
eingetragen sind. Das Interesse an Orten der
nationalsozialistischen Vergangenheit sei in den vergangenen Jahren
stetig gewachsen, besonders bei Jugendlichen aus dem Ausland, sagt
Natascha Kompatzki, Sprecherin der Berliner Tourismus Marketing.
Amerikanische und britische Touristen stellen oft zwei Fragen: Wo
stand die Mauer? Wo war der Führerbunker?
Stadtführer und Heimatforscher Jürgen Kuhl trifft bei
seinen Berlin-Rundgängen "Geschichte(n) im Vorübergehen"
meist auf deutsche Senioren. Ihnen berichtet der 69-Jährige
dann, dass er zu DDR-Zeiten das Wort Nazi-Bunker bei seinen
Führungen durch Ost-Berlin nicht erwähnen durfte. "Das
war ein absolutes Tabu-Thema", sagt er.
Das Tabu ist lange gebrochen, auch Dank des Vereins "Berliner
Unterwelten", der im Wedding einen großen Zivilschutzbunker
gepachtet hat. 25.000 Besucher hat der Verein, den Forscher Dietmar
Arnold mitgegründet hat, im Jahr 2003 durch die verwinkelte
Anlage geführt. Bei diesen Rundgängen geht es nicht um
Mythen oder Gruseleffekte. Es geht um Kriegsalltag in Berlin, um
beklemmende Gefühle, grausame Enge und Angst. Ulrike von
Leszczynski, dpa
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