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Alexander Weinlein
... aufgekehrt
Helmut Kohl bekommt im Nachhinein nun doch noch Recht - sofern
er sich jemals im Unrecht gefühlt haben sollte. Nein, keine
Angst, es geht nicht um das liebe Geld, sondern um ein viel
höheres Gut: die deutsche Sprache. Einst wurde der Altkanzler
verspottet und gescholten, dass seine Englischkenntnisse angeblich
nicht ausreichten, um mit den Großen, Kleinen und
Gleichgestellten der internationalen Politik mehr als zwei
Sätze in der Weltsprache zu wechseln. Von Französisch
oder anderen Sprachen ganz zu schweigen. Die Witze über das
linguale Defizit des "tumben Pfälzers aus Oggersheim" sind
Legion - meist gepaart mit wehmütigen Erinnerungen an den
großen, eleganten und gebildeten Staatsmann Helmut Schmidt,
der so weltmännisch mit den Staatenlenkern anderer Nationen
englisch parlierte.
Und nun? Nun erklärt uns der Deutsche Germanistentag in
München dieser Tage, dass genau dies wohl ein Fehler gewesen
sei. Denn - so unsere Hüter des geschriebenen und gesprochenen
Wortes - der deutschen Sprache droht innerhalb Europas ein
Schattendasein: Deutsch sei zwar mit "97 Millionen Sprechern die
größte Sprechergruppe innerhalb der Europäischen
Union", im Vergleich zu den EU-Amtssprachen Englisch und
Französisch nehme die Sprache der Dichter und Denker aber nur
eine Randposition ein, regt sich Professor Konrad Ehrlich von der
Ludwig-Maximilians-Universität in München auf. "Wenn wir
nichts dagegen tun, wird das Deutsche zu einer Regionalsprache auf
einer Stufe mit dem Schwäbischen oder dem Sächsischen",
so der besorgte Lehrstuhlinhaber und Vorsitzende des
Germanistenverbandes.
Irgendwie rührend - nachdem die Damen und Herren in ihren
wissenschaftlichen Elfenbeintürmen kräftig mit daran
gebastelt haben, dass kein Deutscher mehr so recht weiß, wie
er die 26 Buchstaben des Alphabets aneinanderreihen muss, damit er
nicht als reformunfreudiger Legastheniker gilt, stürzen sie
sich jetzt mit Verve darauf, dass die deutsche Sprache nicht aus
dem kollektiven Bewusstsein des Abendlandes verschwindet.
Und sie präsentieren uns auch entsprechende
Vorschläge, damit aus den 97 Millionen Deutsch-Sprechern keine
europäischen Kultur-Underdogs werden: Zum einen sollten
deutsche Politiker im Ausland - jetzt kommt es, verehrter Herr
Altbundeskanzler! - nicht englisch sprechen, sondern in ihrer
Muttersprache reden. Zum anderen soll - jetzt kommt ein wirklich
überraschender Vorschlag - eine "Agentur für die deutsche
Sprache" gegründet werden. Im korrekten Germanistendeutsch
lautet und schreibt sich dies wie folgt: "Wir brauchen auf
Bundesebene eine arbeitsfähige Repräsentanz der deutschen
Sprache für den europäischen Raum." Viele Politiker
befleißigen sich übrigens einer ganz ähnlichen
Sprache, deswegen werden sie auch von immer weniger Menschen
verstanden - ganz gleich ob in Englisch, Französisch oder der
Regionalsprache Deutsch. Alexander Weinlein
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