|
|
Barbara Minderjahn
Windenergie: Nur eine Spielerei?
Litauens ungenutzte Potenziale
Energie ist teuer weil rar. Doch es gibt verschiedene
Möglichkeiten, die Versorgungslage zu verbessern. Einer davon
ist es, sich neue Energiequellen zu erschließen. Die deutsche
Bundesregierung versucht, diese Suche mit umweltpolitischen Zielen
zu verknüpfen und propagiert den so genannten Energiewandel.
Die Europäische Union unterstützt die Strategie und setzt
ebenfalls auf erneuerbare Energien. Sie hat ihre Mitgliedsstaaten
dazu verpflichtet, einen Teil des Verbrauchs durch die so genannten
renewables zu decken. Gerade in den zehn neuen EU-Ländern
liegen zwischen Absicht und Umsetzung jedoch oft Welten.
Litauen ist ein Land zwischen Dünen und Wäldern.
Dazwischen liegen große Wiesen und Felder, und fast immer weht
hier der Wind. Doch Windräder gibt es nur wenige, und das
obwohl sich Litauen im Zuge der EU-Erweiterung und des
Kyoto-Protokolls dazu verpflichtet hat, bis 2010 sieben Prozent der
Primärenergie aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen. Man
dis-kutiere noch darüber, verschiedene Windparks in der Ostsee
zu bauen, erklären die Vertreter des Wirtschaftsministeriums.
Doch auch die Bedenken liefern sie gleich mit. "Es gibt kaum
Möglichkeiten, Windenergie industriell zu produzieren", sagt
Vladas Gagilas, Leiter des Energieressorts im litauischen
Wirtschaftsministerium. "Solche Anlagen können wir nur an der
Küste bauen, aber die ist sehr kurz, und es gibt nur wenige
Stellen, wo man derartige Projekte installieren kann. Es ist ein
Erholungs- und Wohngebiet." Die Erklärung klingt plausibel.
Doch auch in anderen Bereichen, wo die Europäische Kommission
dem baltischen Staat ideale Voraussetzungen für die Erzeugung
von alternativer Energie bescheinigt, sieht die Lage nicht viel
besser aus. Bei Wasserkraft beispielsweise besitzt Litauen, genauso
wie Ungarn und Slowenien große Potenziale, aber sie werden
kaum genutzt.
Abhängigkeit von Russland
Dabei müssten die Litauer auch aus eigenen
energiepolitischen Überlegungen ein Interesse daran haben,
alternative Energiequellen zu erschließen. So versucht Litauen
seit der Wirtschaftsblockade zu Beginn der 90er-Jahre, die
Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. Die heimischen
Ressourcen Wind, Biomasse oder Wasserkraft stärker zu nutzen,
könnte dazu beitragen. Vladas Gagilas erklärt: "Unsere
Energie kommt vor allem aus Russland. Nur die Ölversorgung
konnten wir in den ersten Jahren der Unabhängigkeit
diversifizieren." Der kleine Ostseestaat fördert Erdöl in
geringen Mengen selbst. Bei Gas dagegen ist die Macht des
großen Nachbarn vollkommen. "Wir importieren unser Gas zu 100
Prozent aus Russland." Trotzdem setzt die Regierung auch weiterhin
auf den Ausbau des Gassektors, zum Beispiel, wenn es um die
Schließung des Kernkraftwerkes Ignalina geht. Die
Europäische Union hält den alten Atommeiler für
unsicher und hat Litauen bei der Aufnahme dazu verpflichtet, die
Anlage bis 2009 stillzulegen. Mit Gas betriebene Kraftwerke sollen
das Land in Zukunft mit Strom versorgen.
Die Beispiele zeigen, dass es im Bereich der erneuerbaren
Energien vor allem an politischem Willen und Unterstützung
mangelt. Und Litauen ist kein Einzelfall. Mit ihrem EU-Beitritt
haben alle neuen Mitglieder Verpflichtungen im Bereich der
erneuerbaren Energien übernommen. Die natürlichen
Voraussetzungen, diese zu erfüllen, sind nach
Einschätzung der Europäischen Kommission gut. Die
Slowakei, Lettland, Litauen und Estland beispielsweise besitzen
ausgedehnte Wälder und eine gut ausgebaute Forstwirtschaft.
Biomassekraftwerke könnten die Holzabfälle verbrennen, um
Strom und Wärme zu generieren. Doch die Länder tun sich
schwer, die nötigen Rahmenbedingungen für den
Energiewandel zu schaffen. Die heimische Industrie besitzt selten
das nötige know-how und das Interesse für die neuen
Brennstoffe. Der Direktor des Atomkraftwerkes Ignalina
beispielsweise sagt: "Wir sollten nicht so sehr an Windenergie
glauben, es ist nicht mehr als Spielerei." Er spricht vielen
Litauern aus der Seele, die anstelle von Ignalina gern ein neues
Kernkraftwerk bauen würden. "Wenn wir 50 Windmühlen
bauen, bekommen wir bei idealen Windverhältnissen insgesamt
rund 75 Megawatt Strom. Ein Atomkraftwerk liefert 1.000
Megawatt."
Die Angst vor zu hohen Preisen
Doch auch internationale, auf regenerative Ressourcen
spezialisierte Unternehmen, halten sich zurück. Der
Einspeisepreis für Energie ist vielerorts nicht verlockend
genug. Der Leiter der Kontrollkommission für Preise und
Energie, Vidmantas Jankauskas, rechtfertigt diese Haltung: "Das
Ministerium hat Angst, dass die Endverbraucherpreise für Strom
zu sehr steigen. Derzeit liegen die durchschnittlichen
Herstellungskosten lediglich bei neun litauischen Cent. Der Preis
für Windenergie beträgt dagegen rund 22 Cent. Je
höher der Anteil von Windenergie ist, desto stärker
steigt der Preis für den Endverbraucher. Denn der Gesetzgeber
hat uns dazu verpflichtet, sämtlichen, durch regenerative
Quellen erzeugten Strom aufzukaufen."
Durch gezielte Investitionsförderung könnten die
Regierungen der neuen Mitgliedsstaaten die Wirtschaft auch bei
niedrigen Strompreisen zu mehr Engagement motivieren. Doch dazu
fehlt das Geld. Mit gesonderter finanzieller Unterstützung
seitens der EU konnten sie bislang nicht rechnen. "Die Gemeinschaft
hat nur begrenzte Mittel, um erneuerbare Energien zu fördern.
Sie kann nur als Katalysator einspringen", heißt es in einem
entsprechenden Bericht der Europäischen Kommission zu
regenerativen Energien vom Mai 2004.
Das Geld, das die neuen Mitgliedsstaaten aus den regulären
Fördertöpfen erhalten, brauchen sie allerdings dringender
für andere Infrastrukturprojekte, zum Beispiel für den
Bau neuer Verkehrswege. Wenn erneuerbare Energie jene Bedeutung
gewinnen soll, die ihr zugedacht ist, müssen diese Länder
noch einen weiten Weg zurücklegen.
Zurück zur
Übersicht
|