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K. Rüdiger Durth
Matthias Platzeck hat die Qual der Wahl
Brandenburg: Bei der Landtagswahl verliert die
SPD deutlich, bleibt aber stärkste Kraft
Mitte Oktober soll die neue brandenburgische
Regierung stehen. So hat es sich der alte und neue
Ministerpräsident des Landes, Matthias Platzeck (SPD),
vorgenommen. Ob er freilich weiter mit der CDU unter ihrem
Vorsitzenden Jörg Schönbohm oder mit der PDS unter deren
Spitzenkandidatin Dagmar Enkelmann regieren will, war bis
Redaktionsschluss noch offen. Platzeck, dessen SPD mit 31,9 Prozent
der Stimmen und 33 Sitzen stärkste Fraktion im Potsdamer
Landtag geblieben ist, sprach mit beiden Parteien über eine
Zusammenarbeit. Allerdings scheint er zu einer Fortsetzung der
rot-schwarzen Koalition zu neigen.
Das Wahlergebnis vom 19. September hat
für alle Parteien Überraschungen gebracht. So
fürchtete die SPD nach dem Debakel an der Saar vom 5.
September den freien Fall, hoffte die CDU, endlich in Brandenburg
stärkste oder zumindest zweitstärkste Partei zu werden,
und freute sich die PDS bereits auf die Regierungsübernahme.
Doch es kam ganz anders. Nicht zuletzt durch den unermüdlichen
Wahlkampf von Matthias Platzeck. Der Regierungschef stand selbst in
den entlegensten Orten des Landes den Bürgern Rede und Antwort
und bewog auch Bundeskanzler Gerhard Schröder zum
Wiederkommen, obwohl jener in Brandenburg jüngst mit Eiern
beworfen worden war.
Bereits die Hochrechnungen am Wahlabend
machten deutlich, was der Wahlleiter in der Nacht dann
bestätigte: Bei einer von 54,3 (1999) auf 56,6 Prozent
gestiegenen Wahlbeteiligung blieb die SPD stärkste Partei,
auch wenn sie gegenüber 1999 rund sieben Prozentpunkte verlor.
Die PDS, denen die Demoskopen bis zu 36 Prozent prophezeit hatten,
musste sich mit 28 Prozent (1999: 23,3 Prozent) begnügen. Und
die CDU, die im Sommer noch von "35 plus" geträumt hatte, fiel
auf 19,4 Prozent (1999: 26,5 Prozent) zurück. Dabei verloren
SPD und CDU in etwa gleichviel Stimmen, wie Jörg
Schönbohm kurz nach der Wahl nicht müde wurde, zu
betonen.
Die Parteistrategen mussten am Wahlabend tief
Luft holen. Wieder einmal hatte der Wähler alle Zahlenspiele
im Vorfeld auf den Kopf gestellt. Es war doch noch eine
Platzeck-Wahl geworden. Wobei man wissen muss, dass der
Ministerpräsident der populärste Politiker im Land ist.
Erfolg hatte die SPD nicht zuletzt mit ihrer Plakat-Aktion
"Zweitstimme ist Platzeck-Stimme". Denn bei den Erststimmen lag die
PDS in Führung, die auch die meisten der 44 Wahlkreise direkt
eroberte. Die CDU errang vier Wahlkreise, doppelt so viele wie
1999. Nur knapp konnte sich der Regierungschef im Wahlkreis Potsdam
II vor dem PDS-Kandidaten behaupten. CDU-Chef Schönbohm wurde
über die Landesliste gewählt.
Die FDP unter ihrem Spitzenkandidaten Heinz
Lanfermann und die Grünen unter dem Berlin-Import Wolfgang
Wieland kämpften zwar verbissen, letztlich allerdings
vergeblich. Sie erreichten lediglich 3,3 beziehungsweise 3,6
Prozent und verpassten damit erneut den Einzug in den Landtag. Im
Gegensatz zur DVU, die in den letzten Wochen des Wahlkampfes das
Land mit 97.000 Plakaten zupflasterte, damit auf 6,1 (bislang 5,3)
Prozent kam und künftig mit sechs (statt bislang fünf)
Abgeordneten vertreten sein wird. Die zahlreich angetretenen
Bürgerinitiativen hatten ebenso wie die weiteren Parteien -
insgesamt waren 15 Parteien zur Wahl zugelassen - keine Chance. Sie
kamen zusammen auf 7,7 Prozent. Nachdem das Wahlergebnis feststand,
meldete sich die Evangelische Kirche zu Wort. Der für
Brandenburg zuständige Bischof Wolfgang Huber sprach von einem
"großen Unglück", womit er den Erfolg der rechten DVU
meinte.
Was bestimmte die Wahl in Brandenburg? Alles
beherrschendes Thema war auch hier Hartz IV, was sich vor allem PDS
und DVU zunutze machten. Gegenüber diesem beherrschenden Thema
(einschließlich der Sorge wegen der hohen Arbeitslosigkeit)
hatten es landespolitische Anliegen schwer. Das scheint auch ein
Grund zu sein, warum die Freien Wählergemeinschaften keine
wirkliche Chance hatten, obwohl sie in den Kommunen so stark
sind.
Auch wenn die SPD ihre Mehrheit im Landtag
behaupten konnte, musste sie doch schmerzliche Verluste hinnehmen.
Wohin sind am 19. September die früheren SPD-Wähler
gewandert? Untersuchungen zeigen, dass es vor allem die
Nichtwähler waren, die die SPD abstürzen ließen
(79.000 Stimmen). Umgekehrt erhielt sie 15.000 Stimmen von der CDU.
Abgeben musste die SPD 7.000 Stimmen an die PDS und 2.000 an die
Grünen. Das Problem von FDP und Grünen in Brandenburg ist
vor allem die niedrige Mitgliederzahl, die eine hohe Mobilisierung
ihrer Wähler sehr schwer macht.
Die wichtigsten Themen der bevorstehenden
Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU sowie der PDS werden
sein: Die SPD besteht auf einer weiteren sechsjährigen
Grundschule, die die Union gern zugunsten einer vierjährigen
Grundschule mit anschließender Differenzierung in Hauptschule,
Realschule und Gymnasium auflösen möchte. Einig sind sich
Sozial- und Christdemokraten in der Notwendigkeit des Baus des
Flughafens Berlin Brandenburg International (BBI) in
Schönefeld. Die PDS steht diesem Projekt skeptisch bis
ablehnend gegenüber. Offen ist die Frage einer erneuten
Volksbefragung über eine Fusion von Brandenburg mit Berlin,
die bislang noch für 2006 vorgesehen ist. Allerdings bekommen
die Brandenburger zunehmend kalte Füße, weil sie
fürchten, von Berlin geschluckt zu werden.
17 Milliarden Euro Schulden drücken das
kleine Land, was weitere drastische Sparmaßnahmen zur Folge
hat. Doch wo kann und muss gespart werden? Offen ist die weitere
Unterstützung der ländlichen Gebiete Brandenburgs, die
besonders stark von der Abwanderung betroffen sind. In diesem
Zusammenhang spielt die hohe Arbeitslosigkeit eine große
Rolle. Bisherige Industrieansiedlungen haben zum Teil nicht das
gebracht, was man sich von ihnen im Blick auf den Arbeitsmarkt
versprochen hatte. Geld zum Verteilen wird auch die künftige
Landesregierung nicht haben. Das Regieren wird in Potsdam nicht
leichter. Nicht wegen des Wahlergebnisses, das mehrere Koalitionen
ermöglicht, sondern wegen des mangelnden Geldes.
Schon jetzt steht fest, dass sich ein
Politiker aus dem Potsdamer Rampenlicht zurückziehen wird,
obwohl er wieder (über die Landesliste) in den Landtag
gewählt worden ist: Lothar Bisky. Der bisherige
PDS-Fraktionsvorsitzende wird dieses Amt abgeben und sich ganz auf
das des PDS-Bundesvorsitzenden konzent-rieren. Sein Ziel ist es,
die PDS 2006 in den Bundestag zurückzuführen. Und von
überall her erhalten die Potsdamer Sozialdemokraten gute
Ratschläge. Die einen raten zu einer rot-roten Koalition, die
anderen zu einer Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der CDU.
Platzeck wird die Entscheidung nicht leichtfallen. Und welche
Koalition wollen die Bürger? Eine kurz nach der Wahl
veröffentlichte Infratest dimap-Umfrage zeigt, dass die
Brandenburger nichts gegen eine SPD/CDU-Koalition haben, die laut
der Erhebung von 36 Prozent gewünscht wurde. Den gleichen
Prozentsatz erreichte in dieser Umfrage, in der Mehrfachnennungen
möglich waren, allerdings auch eine
SPD/PDS-Koalition.
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