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Karl-Otto Sattler
Roter Farbtupfer im schwarzen Land
Saarland: Charlotte Britz (SPD) wird
Saarbrückens Oberbürgermeisterin
Nein, dies ist kein zum Erfolg uminterpretiertes Minus bei den
Prozentpunkten, dies ist endlich wieder ein richtiger Sieg: Die
SPD-Politikerin Charlotte Britz hat die Saarbrücker
Oberbürgermeisterwahl am 19. September mit 53,7 Prozent
überraschend klar gegen den CDU-Kandidaten Josef Hecken
gewonnen, der entgegen hochfliegenden Erwartungen mit 46,3 Prozent
gescheitert ist. Die Sozialdemokraten können noch Wahlen
für sich entscheiden: ein republikweites Signal - hat doch der
Rathauschef in der 180.000-Einwohner- Hauptstadt, wo fast ein
Fünftel der Saar-Bevölkerung lebt, das zweitwichtigste
und damit ein prestigeträchtiges Amt im Land inne.
Die Genossen hatten also allen Grund, die 46-jährige
Siegerin zu feiern. Selbst der SPD-Oppositionsführer im
Landtag, Heiko Maas, reiste zum Gratulieren an: Schließlich
war sein Kalkül aufgegangen, zwei Wochen nach dem SPD-Absturz
bei der Landtagswahl Revanche zu nehmen. Von Saarbrücken aus
will Maas nun den Wiederaufbau der Landes-SPD einläuten - in
der Hauptstadt hatte in den Siebzigern auch ein gewisser Oskar
Lafontaine als Rathausregent seinen Aufstieg gestartet. Die
OB-Neuwahl war notwendig geworden, weil SPD-Amtsinhaber Hajo
Hoffmann nach einer Verurteilung wegen Untreue zurückgetreten
war.
Die Sozialdemokraten können den Triumph von Charlotte Britz
durchaus auch als landespolitischen Konter herausstellen: Vor der
Stichwahl zwischen der bisherigen städtischen
Sozialdezernentin und dem CDU-Staatssekretär im
Sozialministerium hatten Ministerpräsident Peter Müller,
dessen Kabinettsriege und die Unions-Landtagsfraktion für den
45-jährigen Hecken Wahlkampf gemacht. Beim ersten Durchgang
der OB-Wahl, der am gleichen Tag wie die Landtagswahl stattfand,
hatte Hecken mit 41 Prozent vor Britz (38,6 Prozent) rangiert. Zur
Wahl der SPD-Frau in der zweiten Runde rief der am 5. September mit
9,3 Prozent ausgeschiedene Grüne Kajo Breuer auf, während
die FDP-Bewerberin Karin Nehl (4,2 Prozent) den CDU-Kandidaten
unterstützte. Das Saarland wird also doch nicht gänzlich
schwarz eingefärbt - so wie es sich die Union nach ihrem
Erfolg bei der Landtagswahl erträumt hatte. Enttäuscht
meinte Norbert Blüms einstiger Büroleiter Hecken nach
seiner Niederlage, Demokratie könne "hart" sein.
Bei näherem Hinsehen entpuppt sich der prozentual klare
Sieg von Charlotte Britz indes als keineswegs glanzvoll:
Tatsächlich wurde sie nur von knapp 21 Prozent der 140.000
Wahlberechtigten ins Amt gehievt (für Hecken entschieden sich
annähernd 18 Prozent). Trotz der Spannung, die eigentlich
über der Stichwahl lag, sank die Beteiligung gegenüber
der ersten Runde mit bereits niedrigen 49,3 Prozent noch einmal auf
bescheidene 38,5 Prozent - lediglich 54.000 Saarbrücker gaben
einen Stimmzettel ab. Über drei Fünftel der Bürger
zeigten sowohl der SPD wie der CDU die kalte Schulter: Diese extrem
geringe Wahlbeteiligung markiert in der saarländischen
Geschichte einen historischen Tiefpunkt.
Im Politikbetrieb heißt es gleich wieder business as usual.
Die neue OB will sich um eine Kooperation von CDU und SPD
bemühen - die Mehrheitsfindung im Stadtrat dürfte
schwierig werden, haben doch Union und FDP eine hauchdünne
Mehrheit von einem Sitz gegenüber rot-grün.
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