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Andreas Elter
Vertrauen ist gut, aber trotzdem ist Kontrolle
besser
Wie erfolgreich sind freiwillige Verpflichtungen
der Wirtschaft tatsächlich?
Ausbildungspakt, Verhaltenskodex der
Kaffeewirtschaft, Verbände-Vereinbarungen: Wie erfolgreich
sind solche Selbstverpflichtungen, und können sie gar ein
Modell für ein neues Verhältnis zwischen Staat und
Wirtschaft sein? Eine Bestandsaufnahme.
Der Ausbildungspakt zeigt Wirkung. Dieses
Fazit zog der Präsident des Deutschen Industrie- und
Handelskammertages Ludwig Georg Braun am 21. September. Es seien
10.800 Ausbildungsverträge mehr als im Vorjahr abgeschlossen
worden. Allerdings hätten andere Betriebe Lehrstellen wegen
der schlechten wirtschaftlichen Situation gestrichen. Somit bleibe
immer noch eine Lücke von etwa 20.200 Ausbildungsplätzen.
Beim deutschen Gewerkschaftsbund heißt es, diese Zahlen wolle
man nicht kommentieren. Man warte die Statistik der Bundesagentur
für Arbeit ab. Dort wiederum bekommt man die Antwort, genaue
Zahlen könnten von der BA gar nicht kommen, da nur eine
Geschäftsstatistik und keine Vermittlungsstatistik
geführt werde. Der stellvertretende VERDI-Vorsitzende Frank
Werneke spricht dann am Nachmittag von 150.000 fehlenden
Lehrstellen und fordert eine gesetzliche Ausbildungsabgabe. Woher
er die Zahlen hat, sagt er nicht. Und die Wirtschaft wiederum
verspricht , trotz der jetzigen Lehrstellenlücke, werde bis
Ende des Jahres in der Nachvermittlung jeder ausbildungsfähige
Jugendliche eine Stelle oder eine Qualifizierung bekommen. Ist der
Ausbildungspakt also nun ein Erfolg oder ein Flop? Reine
Glaubenssache offensichtlich.
Den Ökonomen Dieter Schmidtchen von der
Universität Saarbrücken kann das nicht verwundern. Er
hatte ohnehin grundsätzliche, systemimmanente Zweifel am
Konstrukt Ausbildungspakt. Denn er glaubt, dass der Pakt lediglich
auf der Appell-Ebene greifen kann. Die Sanktionsmechanismen seien
einfach zu schwach. So könne beispielsweise der
Handwerkspräsident ja nicht dem Malermeister X oder Y
vorschreiben, wen er nun einstellt oder nicht. Und falls der
Malermeister eben keine Ausbildungsplätze schafft, werde er
deswegen nicht aus dem Verband ausgeschlossen, so Schmidtchen:
"Kein Verband wird die Basis, auf der er steht, verkleinern." Im
Medienzeitalter, in dem auch die Wirtschaftsverbände immer
stärker unter öffentlicher Beobachtung stünden,
dienten daher Selbstverpflichtungen eher der Imagepflege: "Der
Ausbildungspakt ist eine PR-Aktion."
Modell Selbstregulierung
Anders sei dies schon bei Selbstregulierungen
wie den Verbände-Vereinbarungen (VV) der Energiewirtschaft.
Hier ging es darum, den Netzzugang für alternative
Stromanbieter zu gewährleisten und die Entgelte für die
Durchleitung zu fixieren. Im Gegensatz zur reinen
Selbstverpflichtung habe es hier aber ein Drohpotenzial des Staates
gegeben, sagt Schmidtchen. Seit 1998 habe der Wirtschaftsminister
die Möglichkeit gehabt, notfalls regulativ einzugreifen. Unter
diesem Druck hätten alle Beteiligten stets verbesserte
Vereinbarungen ausgehandelt, die letztlich immer mehr in Richtung
Wettbewerb gegangen wären. Seit 2003 gibt es aber eine
EU-Beschleunigungsrichtlinie, die festgelegt hat, dass ab dem
kommenden Jahr die Regulierungsbehörde für Post und
Telekommunikation zuständig ist. Schmidtchen glaubt, dass dies
aber gar nicht nötig gewesen wäre: "Die Stromunternehmen
waren schon auf dem Weg zu einer VV Drei, ließen diese aber
fallen, als die EU-Beschleunigungsrichtlinie kam. Ohne diese
Richtlinie, wäre die Verbände-Vereinbarung nicht
gekippt."
Henning Klodt vom Kieler Institut für
Weltwirtschaft schätzt dies etwas anders ein: "Staat und
Wirtschaft sind keine natürlichen Partner." Seinem
Staatsverständnis zufolge dürfen Selbstverpflichtungen
der Wirtschaft die staatliche Kontrolle nicht ersetzen. Unter ganz
genau definierten Rahmenbedingungen könnten aber
Selbstregulierungen dennoch Sinn machen. Wenn ein Staatsziel vom
Gesetzgeber vorgegeben werde, zum Beispiel, den Ausstoß an CO2
zu senken, und es dann den Unternehmen überlassen werde, wie
sie dieses Ziel erreichen, sei dies ein gangbarer Weg. Absolut
essentiell seien dann aber, so Klodt, im Falle eines Versagens der
Wirtschaft auch staatliche Sanktionsmechanismen.
Vorreiter Umweltschutz?
Beim Umweltschutz gibt es zahlreiche
Bereiche, in denen neben staatlicher Regulierung das Thema
Selbstverpflichtung immer wichtiger wird. Der gemeinnützige
Verein Germanwatch informiert auf seiner Internetseite
(www.germanwatch.org) regelmäßig über die neuesten
Entwicklungen. Nicht immer werden die Selbstverpflichtungen dort
als Erfolg gewertet. Vielsprechend sei aber durchaus die
jüngste Vereinbarung in der Kaffeewirtschaft, wo es neben dem
Umweltschutz auch um den sozialen Schutz von
Arbeitsverhältnissen weltweit geht. Mehr als 70 Vertreter der
Kaffeeproduzenten, Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften
legten sich Anfang des Monats auf einen "Common Code for the Coffee
Community" fest. Darin sind verbindliche soziale und
ökologische Standards für mehr Nachhaltigkeit beim Anbau,
Verarbeitung und Handel mit Rohkaffee festgeschrieben. Diese
Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft wurde als
öffentliche-privatwirtschaftliche Partnerschaft vom
Entwicklungsministerium gemeinsam mit dem Deutschen Kaffeeverband
initiiert. Zur Zeit läuft die Testphase.
Der Saarbrücker Ökonom Dieter
Schmidtchen kann sich durchaus mehr solcher Vereinbarungen auf
anderen Ebenen vorstellen. In diesem Zusammenhang spricht er vom
"Konsensualstaat". Statt wie beim Hoheitsstaat gesetzliche Regeln
zu oktroyieren, könnten Gesetzesinhalte durch Vereinbarungen
zwischen den Beteiligten herbeigeführt werden. Das habe dann
den entscheidenden Vorteil, dass sich im Nachhinein keiner
beschweren könne. Im Prinzip gibt es so etwas vor allem auf
kommunaler Ebene schon. Bürgeranhörungen sind fester
Bestandteil eines jeden Planfeststellstellungsverfahrens.
Allerdings hat hier letztlich die Kommune das entscheidende Wort.
So muss zum Beispiel beim Neubau einer Fabrik der Unternehmer vor
dem Bau ein Genehmigungsverfahren durchlaufen. Stattdessen
könne es aber auch umgekehrt geregelt werden, meint
Schmidtchen. Der Unternehmer baut und wenn er dabei gegen Auflagen
und Gesetze verstößt, wird er zur Rechenschaft gezogen
und mit hohen Haftungspflichten belegt. Henning Klodt aus Kiel
sieht hingegen dabei mindestens ein Problem: "Was machen wir, wenn
ein Unternehmen pleite ist und die Haftung nicht eingefordert
werden kann?" So gilt bei Selbstverpflichtungen und
Selbstregulierung in der Wirtschaft also wohl genau dasselbe wie im
übrigen Leben auch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist
besser.
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