vom
Geplantes "Sonderrecht" für Presseverlage
stößt auf Kritik
Anhörung zur Kartellrechtsreform
Wirtschaft und Arbeit. Das Bundeskartellamt und die
Monopolkommission haben sich am 20. September gegen ein
"Sonderrecht" für Presseverlage ausgesprochen. In der
Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zur
Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (15/3640)
sagte Kartellamtspräsident Ulf Böge, ein Eingreifen des
Staates hätte längerfristige Auswirkungen, die nicht ohne
Weiteres revidierbar wären. Die Bundesregierung plant,
Anzeigenkooperationen von Presseunternehmen vom Kartellverbot
freizustellen und die Fusion von Zeitungen und Zeitungsverlagen
unter bestimmten Voraussetzungen zu ermöglichen, selbst wenn
dies zu einer marktbeherrschenden Stellung führt. Damit will
die Regierung nach eigenen Angaben die vielfältige deutsche
Presselandschaft unter veränderten wirtschaftlichen
Bedingungen und trotz der Konkurrenz anderer Medien erhalten.
Durch die Erhöhung der so genannten Aufgreifschwelle von 25
Millionen Euro auf 50 Millionen Euro würden sich
gegenüber dem Status quo rund 50 Zeitungsverlage (ohne
Anzeigenblätter) kontrollfrei zusammenschließen
können. Durch die Einführung einer Bagatellklausel von 2
Millionen Euro könnten zudem 30 selbstständige
Zeitungsverlage kontrollfrei aufgekauft werden. Böge sagte,
wenn die Marktmacht nicht mehr das entscheidende Kriterium bei
einer Fusion sei, habe man ein Sonderrecht. Professor Martin
Hellwig von der Monopolkommission sah in erster Linie
konjunkturelle Gründe für die dramatische Entwicklung auf
dem Zeitungsmarkt. Gerade in dieser Branche habe sich die
Fusionskontrolle bewährt. Es sei problematisch, für einen
Sektor ein eigenes Wettbewerbsrecht zu schaffen.
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und die
Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck sprachen dagegen von einer
strukturellen Krise, von gewaltigen Einbrüchen im
Anzeigengeschäft, Auflagenrückgang und verändertem
Konsumentenverhalten - weg von den Print- und hin zu den
elektronischen Medien. Die Lockerung der Fusionsregelungen sei
daher zu begrüßen. Hermann Balle vom Straubinger Tagblatt
befürwortete Anzeigenkooperationen, während Josef Propst,
Verlagsgeschäftsführer bei Axel Springer, in ihnen kein
Allheilmittel sah. Erforderlich sei vielmehr Sicherheit im
ordnungspolitischen Rechtsrahmen. Der Deutsche Journalistenverband
plädierte für Umsatzschwellen, bis zu denen Kooperationen
akzeptiert werden können.
Im Mittelpunkt des ersten Teils der Anhörung stand die
Anpassung des deutschen Kartellrechts an das europäische
Wettbewerbsrecht. Wie im europäischen Recht soll das bisherige
Anmelde- und Genehmigungssystem für Vereinbarungen, die den
Wettbewerb beschränken, abgeschafft und durch ein System der
"Legalausnahme" ersetzt werden. Wettbewerbsbeschränkende
Vereinbarungen gelten danach automatisch als freigestellt, wenn sie
die Voraussetzungen des EG-Vertrages erfüllen. Die
Sachverständigen begrüßten diese Systemumstellung.
Begründet wurde dies überwiegend mit dem Erfordernis
einheitlicher Regelungen.
Altverlegerregelung nicht akzeptiert
Der Ausschuss nahm die Beratung der Novelle am 22. September
auf. Die Sozialdemokraten äußerten den Wunsch, wie bei
vorangegangenen GWB-Änderungen zu einer Verständigung mit
der Opposition zu kommen und ein Vermittlungsverfahren zu
vermeiden. Nach Meinung der Union können die Probleme der
Presse nicht durch eine Schwächung des kartellrechtlichen
Schutzniveaus zu Lasten kleiner und mittelständischer Verlage
und zu Gunsten einer Handvoll großer Presseunternehmen
gelöst werden. Einzusehen sei, die
Kooperationsmöglichkeiten zu erweitern.
Die so genannte "Altverlegerregelung" sei jedoch nicht zu
akzeptieren. Danach sind Fusionen von Zeitungsverlagen dann
erlaubt, wenn der "Altverleger" oder unabhängige Dritte mehr
als 25 Prozent der Kapital- und Stimmrechte halten, die Titelrechte
besitzen sowie Mitbestimmungs- und Vetorechte für
Entscheidungen haben, die für eine eigenständige
redaktionelle Einheit wesentlich sind. In der Anhörung war in
diesem Zusammenhang auf die Gefahr von
"Strohmänner"-Regelungen hingewiesen worden.
Die SPD unterstrich, sie sei für bessere Lösungen
offen. Ziel sei es, die redaktionelle Vielfalt zu erhalten. Die FDP
wandte sich gegen ein Branchen-Sonderrecht, da auch andere
Wirtschaftszweige mit strukturellen Problemen zu kämpfen
hätten. vom
Zurück zur
Übersicht
|