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Andreas Elter
Die Raucher spielen nicht mit
Einnahmen aus dem blauen Dunst: Wie effizient
ist die Tabaksteuer?
Im Dezember steht die zweite Stufe bei der
Erhöhung der Tabaksteuer an. Raucher müssen dann 1,2 Cent
pro Zigarette mehr bezahlen, im September 2005 dann noch einmal
dasselbe. Zwischenzeitlich war von einer Aussetzung der
Erhöhung die Rede. Bei der letzten Haushaltsdebatte im
Bundestag stellte Finanzminister Eichel dann aber klar: Die
Erhöhung bleibt! Doch wie effizient ist die Tabaksteuer
überhaupt?
In seiner jüngsten Ausgabe kommt der
Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln
(IW) zu der Einschätzung, dass im ersten Halbjahr 2004 die
Einnahmen aus der Tabaksteuer um 200 Millionen Euro gegenüber
dem gleichen Vorjahreszeitraum zurückgegangen sind. Die
Hoffnung des Bundes, durch die Erhöhung zunächst eine
Milliarde und langfristig sogar 2,7 Milliarden pro Jahr mehr in das
Staatssäckel zu bekommen, hätten sich vorerst in Rauch
aufgelöst. Denn im Gegensatz zu den vorhergehenden
Steuererhöhungen habe sich das Konsumverhalten der
Endverbraucher geändert. Der Einkauf über das Internet,
beim Schwarzhändler oder jenseits der Grenzen, zum Beispiel in
Polen, sei in den letzten Jahren explodiert. Außerdem griffen
immer mehr Raucher zum günstigeren Feinschnitt. Der Staat habe
die Rechnung einfach ohne die Raucher gemacht.
Kristina vanDeuverden vom Institut für
Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) kennt solche
Seitwärtsbewegungen. So habe es beispielsweise schon 1992
einen enormen Einbruch bei den Fertigzigaretten gegeben, als die
Industrie als Alternative zum gewohnten Glimmstengel aus der
Schachtel die Rollzigaretten einführte. Dieser Rückgang
sei aber nur kurzfristig gewesen, die Raucher seien
schließlich doch wieder zur Schachtel zurückgekehrt, und
die Steuereinnahmen sind danach wieder gestiegen. Ein
ähnlicher Effekt sei eigentlich bei jeder
Tabak-Steuererhöhung zu verzeichnen, meint auch Alfred Boss
vom Kieler Institut für Weltwirtschaft: "Der Preis hält
einen eingefleischten Raucher nicht vom Rauchen ab, das Geld wird
dann eben bei anderen Dingen eingespart". Auch die Industrie stelle
sich rechtzeitig auf die jeweils kommenden Erhöhungen ein, um
die Effekte abzufangen. Vor der ersten Stufe der aktuellen
Erhöhung im März 2003 hätten die Hersteller 100
Prozent mehr Steuerbanderolen gekauft als im selben Monat des
Vorjahres. "Die Industrie hat sich einfach rechtzeitig vor der
Erhöhung noch mit den alten Steuermarken eingedeckt", so Boss.
Das geht deshalb, weil die Steuerzeichen bei der Zentralen
Steuerzeichenstelle Bünde nicht sofort, sondern erst innerhalb
bestimmter Fristen nach ihrem Steuerwert bezahlt werden
müssen. Doch selbst mit solchen legalen Tricks lassen sich die
Ausweichbewegungen nicht gänzlich auffangen. Kurzfristig
änderten die Raucher ihr Verhalten immer, so Boss: "Vor einer
Erhöhung steigt der Konsum, weil auch die Konsumenten auf
Halde kaufen, danach fällt er dann automatisch. Das hat
langfristig gesehen aber keine große Wirkung auf die
Steuereinnahmen."
Grundsätzlich sind die Einnahmen aus der
Tabaksteuer, wie bei jeder Verbrauchssteuer, nur sehr schwer zu
kalkulieren. Denn man hat nur die Entwicklungen der Vergangenheit
als Bewertungsgrundlage zu Verfügung, erklärt Kristina
vanDeuverden. Die Steuerschätzerin vom IWH hat die
Einnahmeveränderungen bei der Tabaksteuer seit der
Wiedervereinigung untersucht. Dabei konnte sie feststellen, dass
mittel- und langfristig die Steuereinnahmen immer gestiegen sind.
Das deckt sich mit den Beobachtungen des IW Köln. Es hat
errechnet, dass vom Verkaufspreis jeder Schachtel Zigaretten
inzwischen 74 Prozent an den Staat gehen, das seien 50 Prozent mehr
als noch vor vier Jahren. Die Berechnung im Nachhinein ist aber
nicht das Problem, sondern die Kalkulation vor einer
Steuererhöhung. Vor allem wenn die Einnahmen aus der Steuer
schon für Ausgaben im Bundeshalt eingeplant sind. "2001 haben
wir für die Sicherheit geraucht, jetzt rauchen wir für
die Sanierung der gesetzlichen Krankenkassen", erläutert
vanDeuverden. Wie viel dabei hereinkommen wird, sei aber eben nur
zu schätzen. Und das werde immer schwieriger, meint die
Expertin: "Wir hatten von 2000 bis 2005 insgesamt fünf
Tabaksteuererhöhungen. Das hatten wir vorher noch nie." Die
historischen Vergleichsgrößen fehlen; es kann fast nicht
mehr zwischen kurz- und langfristigen Effekten unterschieden
werden. Eine genaue Kalkulation der möglichen Einnahmen ist
daher kaum noch möglich.
Das wird auch der Finanzminister wissen.
Deshalb hat er verbal Vorsorge getroffen und erklärt: "2005
wird im Lichte der tatsächlichen Entwicklung der
Tabaksteuereinnahmen geprüft, ob der Zuschuss an die
Krankenkassen so geleistet werden kann." Gesundheitsexperten werfen
Eichel daher Politik nach Kassenlage vor. Der
Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für
Suchtfragen (DHS) Rolf Hüllinghorst kritisierte kurz nach der
Einführung der aktuellen Drei-Stufen-Erhöhung im Mai
2003: "Es geht nur noch um die Verbesserung der Finanzen, und wir
hatten uns schon auf eine Erhöhung gefreut, die positive
gesundheitspolitische Auswirkungen hat." Er hatte sich für
eine schlagartige Erhöhungen um einen Euro pro Packung
ausgesprochen. Nur damit sei eine Schockwirkung zu erzielen
gewesen, mit der die Leute vom Rauchen hätten abgebracht
werden können. Aber ist das überhaupt erwünscht?
Denn wenn es tatsächlich adhoc immer weniger Raucher gibt,
müssten andere Steuern erhöht werden, um die
Einnahmeausfälle bei der Tabaksteuer zu decken.
Kristina vanDeuverden will sich als gelernte
Ökonomin nicht im Detail auf so eine werte-orientierte Debatte
einlassen. Sie glaubt: "Rauchen ist eine Sucht." Mit
Tabaksteuererhöhungen könnten allenfalls Jugendliche vom
Einstieg in die Sucht abgehalten werden. Wie sich das
steuerpolitisch auswirke, sei aber nicht vorherzusehen. "Vielleicht
sinken dann in 30 Jahren die Einnahmen aus der
Tabaksteuer."
Auch die Zahl der jungen Raucher steigt, und
ihr Einstiegsalter ist immer weiter gesunken, hat die DHS
ermittelt. Die Lenkungswirkung verpufft also offensichtlich.
Gesundheitsexperten finden den Lenkungsgedanken aber dennoch
grundsätzlich richtig. Sie verweisen auf die
volkswirtschaftlichen Schäden des Rauchens. Der Kieler
Wirtschaftswissenschaftler Alfred Boss bezweifelt das nicht. Er
verweist aber noch auf einen anderen Aspekt: "Die meisten
Krankheiten entstehen im Alter, Raucher werden aber im Durchschnitt
nicht so alt wie Nichtraucher. Ganz genau gegengerechnet, hat das
wohl noch keiner." Wenn man diesen Gedanken konsequent zu Ende
denkt und dabei einen gewissen Zynismus nicht scheut, kommt noch
eines hinzu: Raucher sterben früher und entlasten somit die
Ausgaben der Rentenkasse. Bis dahin aber zahlen sie
Tabaksteuer.
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