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Heinrich Bortfeldt
Gute Wünsche für den
deutsch-amerikanischen Dialog
28. Jahrestagung der German Studies Association
in Washington
Während Clinton und Kohl wie auch Clinton und Schröder
dreimal wöchentlich miteinander telefonierten, haben Bush und
Schröder gerade dreimal in 18 Monaten miteinander gesprochen.
Dieser Zustand ist angesichts gegenwärtiger und künftiger
Bedrohungen und Herausforderungen unverantwortlich". Mit diesen
Worten machte sich Ronald Asmus, Deutschland-Spezialist in der
Clinton-Administration und jetzt zum Kerry-Beraterstab
gehörend, erst einmal Luft.
Diese Nicht-Kommunikation auf höchster Ebene gilt für
die German Studies Association (GSA) ganz und gar nicht. Sie ist
eine nicht mehr wegzudenkende Institution im deutsch-amerikanischen
Dialog. Gäbe es sie nicht - man müsste sie erfinden! Denn
sie ist wichtiger denn je. Die GSA kann auf eine 28-jährige
äußerst erfolgreiche Tradition zurückblicken und ist
die weltweit größte Organisation von Deutschlandexperten
mit Sitz in den USA.
Die diesjährige Jahreskonferenz fand vom 7. bis zum 10.
Oktober in Washington, D.C. statt. Rund 700 Wissenschaftler,
Politiker und andere Interessenten waren dazu unter andnerem aus
den USA, Kanada, Deutschland, Österreich, der Schweiz, Polen,
Tschechien, Holland Dänemark und Großbritannien
angereist. In Washington gab es Gelegenheit, in 160 Panels neueste
Forschungsergebnisse hauptsächlich zur deutschen Politik,
Geschichte, Kunst und Kultur vorzustellen und darüber zu
diskutieren. Damit erreichte die GSA-Tagung eine Breite, die auf
dem amerikanischen Kontinent ihresgleichen sucht. Allerdings ist
sie damit auch an gewisse Grenzen gestoßen: bis auf die
letzten Sitzungen liefen 20 Panels parallel.
Angesichts der gegenwärtig angespannten
deutsch-amerikanischen Beziehungen konzentrierten sich
naturgemäß viele Fragen auf dieses Thema. Gleich einer
der ersten Themenkreise widmete sich der Frage, ob der
Anti-Amerikanismus in Deutschland alt oder neu sei, ob er nicht im
Grunde genommen ein Anti-Bush-Amerikanismus sei, eher ein Problem
der Medien als der gesamten Öffentlichkeit, ob es sich um ein
kurz- oder eher langfristiges Phänomen handele, ob es tief in
der deutschen Kultur verwurzelt sei und ob der Atlantizismus eine
Generationsfrage sei, die sich mit dem Ende des Kalten Krieges
ausgelebt hat. Schließlich wurde festgestellt, dass der
Begriff "amerikanische Verhältnisse", den man öfter in
Deutschland höre, abwertend sei und weit über die
Beschreibung amerikanischer ökonomischer Verhältnisse
hinausgehe.
Im deutschen politischen Sprachgebrauch, so eine Untersuchung,
finden sich traditionelle, abwertende Schlagworte und negativ
eingefärbte Begriffe wie "amerikanische Unkultur",
"Oberflächlichkeit", "Dollarimperialismus". Ziemlich neu ist
die Tatsache, dass die USA verstärkt an ihren eigenen Werten
und Begriffen wie Freiheit, Bürger- und Menschenrechte
gemessen werden und ihnen angesichts der Bilder aus den
Gefängnissen von Guantanamo und Abu Ghraib Heuchelei und
Verrat vorgeworfen werden.
Trotz all dieser Dinge gäbe es immer noch eine dominierende
positive Amerikastimmung, wurde konstatiert. So gesehen, sei die
Kritik nicht alarmierend. Gleichwohl sei eine fundamentale
Amerika-Kritik - die nicht notwendigerweise Anti-Amerikanismus
bedeuten müsse - mittlerweile tief ins bürgerliche Lager
eingedrungen, also weit über entsprechende traditionelle SPD-
und Grünen- Milieus hinaus.
Zahlreiche Beiträge widmeten sich der Analyse und
Beschreibung der gegenwärtigen deutsch-amerikanischen
Beziehungen. Man merkte ihnen die große Unzufriedenheit
über den derzeitigen Zustand an. Dabei ging es weniger um
Schuldzuweisungen, sondern vielmehr um den Versuch eines
Neubeginns, denn weltpolitisch seien die Beziehungen so wichtig,
dass man sich das gegenwärtige Zerwürfnis nicht leisten
könne.
Wayne C. Thompson, zur Zeit Gastprofessor an der
Europa-Universität in Brügge, ein erfahrener Deutschland-
und Europaexperte, versuchte eine Brücke zu bauen zwischen dem
"alten Europa" und den USA. Er stellte die gegenwärtigen
Spannungen in eine historische Perspektive, erinnerte an die
Reaktionen auf den Vietnamkrieg und an die gewaltigen
Anti-Reagan-Demonstrationen wegen der Raketenstationierung Anfang
der 80-er Jahre. Das führte ihn zu dem Schluss, man solle die
gegenwärtigen Probleme nicht überbewerten,
schließlich gäbe es viele historische, kulturelle und
Werte-Gemeinsamkeiten. Die meisten Amerikaner wie Europäer
wollten enge und gute Beziehungen. Thompson forderte seine
Regierung auf, einen Neubeginn verbesserter Beziehungen zu Europa
zu wagen. Blieb die Frage, ob unter Bush mit dem alten Personal
überhaupt ein Neubeginn möglich sei.
Anderen Teilnehmern waren die historische Einordnung und der
"good will"-Ansatz nicht unsympathisch, sie verwiesen jedoch auf
strukturelle Defizite und darauf, dass eine Gegenpolbildung, wie
sie derzeit besteht, in der Zeit des Kalten Krieges unmöglich
war. Nach dessen Ende hätten sich neue geopolitische
Bedingungen herausgebildet. Eine Mitarbeiterin des State Department
meinte, es handele sich schon um einen fundamentalen Bruch, wenn
einer in den Krieg ziehe und der engste Verbündete sage: Nein!
Das Wort "Puzzle Germany" machte die Runde. Unsicherheit gab es auf
amerikanischer Seite darüber, welche Rolle Deutschland
künftig in der Weltpolitik spielen wolle. So gebe es
gravierende Meinungsverschiedenheiten um den Gebrauch von Macht,
dessen Verständnis in Deutschland immer noch vom sogenannten
Genscherismus geprägt sei. Deutschland wolle den
Ständigen Sitz im Sicherheitsrat nur dazu benutzen, um sein
Verständnis von Multilateralismus durchzusetzen. Deshalb sei
auch die amerikanische Haltung dazu reserviert.
Demgegenüber, so das Gegenargument, könne man aus
deutscher Sicht auch vom "Puzzle America" sprechen. Elizabeth Pond,
eine angesehene Autorin und "transatlantische Wanderin", sprach von
einer erheblichen gegenseitigen Entfremdung, die sie sowohl in
Deutschland als auch in den USA spüre. Im Vorfeld der Wahl
hätten deutsche Freunde gesagt: "Falls Bush wiedergewählt
werden sollte, werden wir Anti-Amerikaner. Bislang hatten wir eine
Anti-Bush-Einstellung". Es klang fast wie ein Appell, als sie
verlangte, amerikanische Politik müsse wieder Vertrauen
schaffen und die nötige Legitimation zurückgewinnen. Die
sei nämlich von Bush völlig falsch eingeschätzt
worden nach dem Motto: Wenn wir energisch genug führen, werden
uns die anderen schon folgen.
Auch Ronald Asmus registrierte eine Polarisierung auf beiden
Seiten des Atlantiks: "Während wir uns über
Anti-Amerikanismus unterhalten, könnten wir auch einen Panel
machen über anti-französische oder anti-deutsche
Stimmungen in den USA." Die Kosten einer derart divergierenden
Politik seien jetzt schon sehr hoch und angesichts der Tatsache,
dass die Welt nicht friedlicher, sondern gefährlicher werde,
unerträglich. "Wir sahen die guten Beziehungen zu Deutschland
als selbstverständlich an; nun erscheint uns Deutschland als
undankbar." Auch er mahnte dringend an, die Koalition wieder
zusammenzuschmieden, Europa mehr Aufmerksamkeit zu schenken und das
gemeinsame Schiff wieder auf neuen Kurs zu bringen.
Angesichts der Präsidentschaftswahlen wurde auf die
Bedeutung künftiger Personalentscheidungen verwiesen, die auch
immer Richtungsentscheidungen seien. Bowman Miller,
Europaanalytiker im State Department und langjähriger
Deutschlandexperte, meinte, ohne Powell wäre die Situation
noch schlimmer. Viel hänge vom künftigen
Außenminister ab. Powell werde jedoch nicht mehr zur
Verfügung stehen. Condoleezza Rice werden Ambitionen auf das
Amt nachgesagt. Sie sei aber zugleich die große Unbekannte,
denn keiner wisse, wofür sie eigentlich stehe. Bei einem
Wahlsieg Kerrys wurden dem ehemaligen Botschafter in Deutschland,
Holbrooke, gute Chancen eingeräumt. Er verfüge über
langjährige außenpolitische Erfahrungen und sei ein enger
Freund Kerrys. Der Demokrat verstünde die europäischen
Partner besser, er würde die Diplomatie und Konsultation
wiederbeleben, die Bedeutung der NATO anheben - und von den
Europäern mehr Anstrengungen im internationalen
Krisenmanagement erwarten. Auch Miller als ausgewiesener Demokrat,
kritisierte die gegenwärtige amerikanische Politik: "Wir
müssen die Europäer als Partner betrachten und
dürfen keine weitere Entfremdung zulassen. Unsere Politik
basiert auf Angst. Das ist kein tragendes Konzept."
Schließlich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die
amerikanische Nation in diesen Fragen selbst gespalten ist.
Insgesamt gab es viele besorgte Fragen, kritische
Zustandsbeschreibungen, aber auch den Willen, die
deutsch-amerikanischen Beziehungen neu zu beleben. Gleichwohl war
es vielen Teilnehmern anzumerken, dass man zunächst auf den
Ausgang der Wahlen und die ersten Monaten danach schauen wollte, um
klarer zu sehen, wohin die Reise geht.
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