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Götz Hausding
Die Regelungen zur Haftung bleiben weiter
umstritten
Bundesrat lehnt Gentechnikgesetz erneut
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Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf
des Gentechnikgesetzes findet auch im zweiten Anlauf keine Mehrheit
in der Länderkammer. Als "innovationsfeindlich" und
"europarechtswidrig" bezeichnete der bayerische Staatsminister
Erwin Huber (CSU) in der Sitzung am 5. November 2004 das Gesetz,
welches seiner Meinung nach keinen Bestand haben werde. Sowohl der
schleswig-holsteinische Umweltminister Klaus Müller
(Bündnis 90/Die Grünen), als auch die
Bundesumweltministerin Renate Künast (Grüne) sahen
hingegen eine gelungene Regelung, mit der "Koexistenz und
Wahlfreiheit" für Produzenten und Verbraucher gesichert
werde.
Das Gesetz basiert auf einer EU-Richtlinie
und soll die Freisetzung von gentechnisch veränderten
Organismen zu Erprobungs- und Forschungszwecken sowie deren
In-Verkehr-Bringen regeln. Damit soll die Koexistenz von
konventioneller und ökologischer Landwirtschaft und die
Gentechnik nutzender Landwirtschaft gewährleistet werden.
Gleichzeitig wird auch die Haftung für solche Schäden
geregelt, die sich durch ungewollte Auskreuzungen ergeben. Dabei
ist eine verschuldensunabhängige gesamtschuldnerische Haftung
von Gentechnik-Nutzern für Schäden auf gentechnikfreien
Nachbarfeldern vorgesehen.
Nach Ansicht von Bayerns Staatsminister Huber
verstößt der Gesetzentwurf gegen die grundgesetzlich
geschützte Chancengleichheit, das Recht auf freie
Berufsausübung und europarechtliche Normen. Daher habe die
EU-Kommission den Entwurf auch schon offiziell gerügt.
Kritisiert werde, so Huber, dass Deutschland verbindliche und
bereits beschlossene EU-Normen durch eigenen nationale Vorschriften
untergrabe, beispielsweise mit dem Konzept der
verschuldensunabhängigen Haftung, welche zu einem hohen und
unkalkulierbaren Risiko für Landwirte führe. Er warf der
Bundesregierung vor, sie lasse eine seriöse Abwägung der
Gesundheits- und Verbraucherschutzaspekte bei der Gentechnik
vermissen. Obwohl selbst von der Deutschen Akademie der
Wissenschaften unmissverständlich darauf hingewiesen wurde,
dass beim Genuss von in der Europäischen Union zugelassenen
Lebensmitteln kein erhöhtes Gesundheitsrisiko gegenüber
konventionell angebauten Produkten bestehe, schürten weite
Teile der Bundesregierung unter dem Deckmantel des
Verbraucherschutzes weiterhin ungerechtfertigt Ängste unter
der Bevölkerung.
Die Sicherheit von Mensch und Umwelt habe
oberste Priorität, so Huber, der darauf hinwies, dass die EU
über die weltweit schärfsten Sicherheitsanforderungen
für Gentechnik verfüge. Das deutlich darüber
hinausgehende rot-grüne Gentechnikgesetz blockiere Forschung
und Entwicklung in Deutschland und führe zum Verlust weiterer
Arbeitsplätze in einer Branche, die als Zukunftstechnologie
eigentlich Arbeitsplätze schaffen könnte, kritisierte der
bayerische Staatminister. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn der
Bundeskanzler einerseits ein neues Bewusstsein für die
Möglichkeiten der Gentechnik fordere, aber andererseits das
Spielfeld seiner grünen Landwirtschaftsministerin für
ideologische Grabenkämpfe überlasse. Diese, für die
Bundesregierung aus seiner Sicht typische Diskrepanz zwischen Reden
und Handeln, schade den Zukunftschancen des Landes, sagte Huber und
forderte eine grundlegende Überarbeitung der
Vorlage.
Freiheit, so der schleswig-holsteinische
Umweltminister Müller, sei nicht nur die Freiheit der
Gentechnikbefürworter, das zu realisieren, was technisch
möglich sei. Es sei auch die Freiheit der konventionellen
Landwirte und Biobauern, weiterhin gentechnikfreie Produkte anbauen
zu können. Nicht zuletzt sei es auch die Freiheit des
Verbrauchers, zu entscheiden, ob er gentechnisch veränderte
oder gentechnikfrei erzeugte Lebensmittel im Supermarkt finden
wolle. Diese Koexistenz in der Landwirtschaft sei ein wesentliches
Ziel der europäischen Freisetzungsrichtlinie gewesen und werde
mit dem vorliegenden Gesetzentwurf auch erreicht, so Müller.
Die gentechnikfreie Landwirtschaft und der ökologische Landbau
erhielten darin von Seiten des Staates einen angemessenen Schutz,
nicht mehr und nicht weniger.
Strittigster Punkt im neuen Gesetz, das
räumte der Minister ein, sei die Frage der Haftung. Die
verschuldensunabhängige und gesamtschuldnerische Haftung
gewährleiste am ehesten eine Entschädigung für
konventionell oder ökologisch produzierende Landwirte, deren
Aussaaten durch Genpflanzen von Nachbarfeldern verunreinigt
würden. Dem zuletzt ins Gespräch gebrachten Haftungsfond
von Gentechnikanwendern stehe er durchaus aufgeschlossen
gegenüber. Keinesfalls könne dieser jedoch, wie von
einigen Ländern gefordert, staatlich subventioniert werden,
stellte Müller klar und warb noch einmal für die
Zustimmung zu dem Entwurf, nicht zuletzt auch, um endlich Klarheit
und sichere Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Verbraucher
zu schaffen.
Die Bundesregierung habe ihre Hausaufgaben
gemacht und die europäische Richtlinie in einem Gesetz
umgesetzt, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Renate
Künast. Die Koexistenz in der Landwirtschaft und die
Klärung der Haftungsfragen hätten dabei im Mittelpunkt
gestanden. Für Gentechniknutzer und gentechnikfreie
Produzenten herrsche nun Klarheit, sagte Künast, die das
politische Ziel des Gesetzes erfüllt sieht. Es enthalte eine
Abwägung zwischen beiden Seiten und garantiere die
Wahlfreiheit für Bauern und Verbraucher. Damit schaffe man
auch die Vorraussetzungen für eine Stärkung des Standorts
Deutschland, so Renate Künast.
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