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Gerhard Amendt
Über die These von der Verdammnis durch die
Frauen
Alle Männer sind schlecht - und warum sie
sich nicht gegen diese Behauptung wehren
Niemand kann sagen, dass Männer auf den
Verdammungsfeminismus im Gefolge der Frauenbewegung nicht reagiert
hätten. Die Frage ist allerdings, ob sich dadurch die
Beziehungen von Männern und Frauen in wünschenswerter
Weise verändert haben. Dagegen spricht, dass sich in den
letzten 20 Jahren eine diffuse Feindseligkeit gegenüber
Männern breitgemacht hat. Man begegnet ihr besonders oft an
Universitäten, aber ebenso in TV-Redaktionen für
Frauenbelange und vor allem in Gleichstellungsbürokratien. Das
Feindselige ist so alltäglich geworden, dass schon kleine
Jungen als Monster vorgestellt werden. Wie in einer Plakataktion
des Bundesfamilienministeriums unter dem Titel "Mehr Respekt vor
Kindern" geschehen, die Jungen als die Gewalttäter der Zukunft
porträtieren.
Niemand hat sich bis heute Gedanken
darüber gemacht, warum Männer auf die
verdammungsfeministischen Abwertungen nicht zornig reagiert haben.
Statt dessen stehen sie der wabernden Verdammungskultur schweigend
gegenüber. Aber für das beredte Schweigen gibt es keine
einfachen Antworten, denn das Schweigen der Männer hat
unendlich viele Gesichter. Die meisten haben ihre Etikettierung als
Unholde im privaten und als Schuldige im öffentlichen Leben
nicht einmal mitbekommen oder sie nur kopfschüttelnd
angehört. Andere gehen mit ihren Partnerinnen oder allein ihre
eigenen Wege, die das Althergebrachte fortsetzen oder es
unauffällig Ände-rungen unterziehen. Wenige nur bieten
der Verdam-mungskultur die Stirn.
Trotz des vielgestaltigen Schweigens lassen
sich zwei Richtungen herauskristallisieren. Die eine nennen wir
"progressiv" die andere "bewahrend". Es sind Selbstbilder von
Männlichkeit jenseits von Parteipräferenzen. In der
Öffentlichkeit gilt eher, dass die Progressiven aus der
Frauenbewegung zumindest etwas, die Bewahrenden hingegen gar nichts
gelernt haben. Die These ist fragwürdig, zumal nicht klar ist,
was Männer "lernen" sollen. Erstaunlicherweise folgen auch
progressive Männer letztlich dem klassischen Selbstbild eines
Versorgers von Frau und Kind. Der abschätzigen Kritik an der
Männlichkeit geben sie grundsätzlich Recht; besonders
dass Gewalt nur vom Mann ausgeht und keine von der Frau. Was im
Widerspruch zur Forschung steht. Sie sehen für sich nur eine
Zukunft, wenn sie sich dem Verdammungsfeminismus unterwerfen und
die Männlichkeit wie einen ver-schlissenen Mantel ablegen. So
als hätten sie keine guten Väter gehabt, die vorbildhaft
für gute Männlichkeit waren und keine Mütter, die
die Väter geliebt hätten.
Damit ihnen die Sinnstiftung nicht abhanden
kommt, unterwerfen sie sich dem Urteil, nach dem sie an allem
Schuld sind, was Frauen unbefriedigt lässt. Dazu zählt
fast alles: die Verantwortung für die instrumentelle Vernunft,
die angeblich nur männlich ist, die zerstörte Umwelt, die
fehlenden Windkrafträder, die Benachteiligung der Mädchen
in der Schule, die Kriege natürlich ebenso, wie die
Frauendiskriminierung, der Verlust der Religion, die Pornografie,
die Gewalt in Partnerschaften und gegen Kinder, die Verarmung der
Frauen nach der Scheidung etcetera - und dass alle Männer
potentielle Vergewaltiger seien! Für sie entsteht Schuld, weil
sie beim Beglücken der Frauen versagen. So haben progressive
Männer den Verdammungsfeminismus - nicht die Frauenbewegung -
verstanden.
Dass dessen Idee patriarchaler Macht
problema-tisch, manipuliert und weitgehend widerlegt ist,
änderte nichts an ihrer Unterwerfung. Dass matriarchale Macht
der männlichen gegenübersteht, kommt dem progressiven
Männertyp nicht in den Sinn. Deshalb halten sie am
verheißungsvollen Matriarchat fest. Sie träumen mit
Verdammungsfeministen von einer Welt weiblicher Friedfertigkeit und
einer besseren Zukunft der Menschheit. Männer werden wieder
"gut", wenn sie an diese Utopie glauben. Weil dieser
öffentlichkeitswirksame Feminismus von großer Sehnsucht
nach dem ohnmächtigen Martyrium beherrscht ist, bleibt
rätselhaft, wie denn Frauen eine bessere Gesellschaft
bewerkstelligen könnten. Es bleibt allenfalls übrig, dass
die "bösen Täter" es übernehmen, Frauen als den
"armen Opfern" auf die Sprünge zu helfen. Aber wo gab es das,
dass "Täter" ihren "Opfern" freiwillig die Macht
übergaben, von der ihre Herrschaft zehrt? Nichts
Überzeugendes hat demnach die Männer veranlasst, sich dem
verdammenden Feminismus anzu-schließen. Eher sind es
Gefühle einer peinigenden Bringschuld. So endet der Ausflug
der Progressisten bei der alten Beschützerfunktion
gegenüber Frauen. Aber Unterwerfung hat weder für
Männer noch für Frauen je Freiheit gebracht.
So hängt das passive Selbstbild dieser
Feministinnen, das sie mit aktiver Leidenschaft propagieren, eng
mit dem Wunsch zusammen, der Mann möge wie bisher
funktionieren. Es werden weibliche Passivität - Opfer sein -
und männliche Aktivität wieder zu einer Einheit
verschmolzen. Das modern sich Gebende ist in Wirklichkeit das
Althergebrachte. Denn die Opfer-Täter-Polarität
entspricht dem alten Gegensatz von aktiven Männern und
passiven Frauen.
Wodurch unterscheidet sich nun der bewahrende
Männertyp vom progressiven? An den Traditionen wollen sie
ebenfalls nichts ändern. So soll Frauen keine allzu große
Verantwortung aufgebürdet werden. Ins feindliche Leben hinaus
muss der Mann, um Frauen den behüteten Platz im Hause zu
sichern. Wenn Frauen arbeiten, dann weil die Männer es allein
nicht schaffen. Dass sich Frauen außerhäuslich
betätigen möchten, weil sie im Hause nicht mehr allein
herrschen wollen, kommt ihnen weniger in den Sinn.
Berufstätige Frauen stehen bei ihnen eher nicht für
Verwirklichungsstreben. Durch die höhere Bedeutung von Ehe und
Familie begreifen sie ihre Pflichten als Versprechen an die Frau.
Die sie allerdings nicht eingehalten haben. So verkündet es
der Feminismus, und so akzeptieren sie es auch. Ihr Versprechen ist
ihre Pflicht, für die Frau zu sorgen, damit sie nicht arbeiten
gehen muss, sondern die Kinder versorgen kann. Das beschreibt die
Wunschvorstellung des treusorgenden "Good Provider". Sein
Selbstbild und das der Ehefrau von ihm bilden ein deckungsgleiches
Lebensarrangement. Dieses Geschlechterarrangement hat Bestand,
solange darüber zwischen beiden Konsens besteht.
Der bewahrende Mann neigt auch nicht dazu,
den "Softi" als Ausdruck neuer Männlichkeit, noch den "neuen
Vater" mit Windel- und Müllentsorgung zu verwechseln oder die
Teilnahme an der Geburt zum Standard zu erheben. Im "Softi" sehen
sie das Ergebnis einer Unterwerfung. Die Selbstwahrnehmung des
traditionellen Mannes ist eindeutiger und selbstgewisser. Er nimmt
die verdammungsfeministische Kritik an der unvollkommenen Welt wie
die Progressiven vorbehaltlos ernst. Er reagiert mit einer Frage:
Was will die Frau, was sie nicht bekommt? Und was mache ich falsch?
Deshalb versteht er den Verdammungsfeminismus als verkapptes
Lamento darüber, dass Männer nicht so sind, wie Frauen
sie haben wollen. Die amerikanische Philosophin und Feministin
Bethke Elshtain folgert verständnisvoll daraus, dass "Mythen
der männlichen Macht oft dann gerne behauptet würden,
wenn Männer gerade nicht in den selbstsicheren Weisen
dominieren, wie der Mythos es verheißt". Demnach würde an
die männliche Omnipotenz appelliert, die es in Wirklichkeit
noch nie gegeben hat. Deshalb könnte der Mythos auch als Angst
der Frauen vor der Freiheit der Selbstständigkeit verstanden
werden. Sie müssten selber tun, was sie Männern
zuschieben, was diese wiederum glauben, freiwillig leisten zu
können. So versteht der traditionelle Männertyp den
verdammenden Feminismus eher als Erinnerung an gute alte Illusionen
männlicher Allmacht.
Dann entstehen Schuldgefühle, die dem
Bejammerten ein Ende bereiten wollen. Statt an den Rand zu treten,
rücken Verpflichtungen gegenüber Frauen abermals in den
Mittelpunkt. Sie werden zum Trumpf, der ihnen in die Hand
gedrückt wird und den sie pflichtversessen annehmen. Daraus
ist in den USA eine politische Wiedergutmachungsbewegung
entstanden. Unter dem Namen "Promise Keepers" - "die ihre
Versprechen halten" - arbeiten traditionelle Männer mit
aktivem Zuspruch ihrer Frauen daran, es diesen recht zu machen. Was
sie dazu ändern müssen, ist in den Vorwürfen des
Verdammungsfeminismus festgelegt. Mit ihren Ehefrauen bilden sie
eine Massenbewegung, die Stadien füllt.
Anders als die gleichheitspolitische
Frauenbewe-gung hat der nachfolgende Verdammungsfeminismus die
Menschheitsgeschichte in schuldige und unschuldige Teilnehmer
auseinanderdividiert. Viele Männer hat das in ihrem
konservativen Verständnis von Männlichkeit bestärkt,
zumal ihre "empfangend-erwartungsvollen" Frauen sie dabei ermutigt
haben.
Offensichtlich eint beide Richtungen die
grundsätzliche Bereitschaft Frauen zu versorgen. Weil der
Verdammungsfeminismus auf Konservatives zusteuert, kam es weder zu
einer Auseinandersetzungen über die Machtformen, die
Männer und Frauen im Berufsleben ausüben, noch wie sie
typisch für beide in ihrem Verhalten in Beziehungen sind.
Diese zukunftsweisende Debatte hat noch nicht einmal
begonnen.
Wenn das Geschlechterarrangement in seiner
Polarisierung und Konfliktunfähigkeit gemildert werden soll,
bedarf es vertrauensbildender Diskurse. Die müssen sich erst
bilden, denn zur Zeit verharren wir in trostlosen Polarisierungen,
die sich im Kampf um moralische Überlegenheit der einen
über die anderen erschöpfen. Sie sind auch aus dem
desinteressierten, bedrückten oder mutlosen Schweigen der
Männer zum Verdammungsfeminismus entstanden.
Prof. Dr. Gerhard Amendt arbeitet am Institut
für Geschlechter- und Generationenforschung der
Universität Bremen.
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