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Fritz-Jochen Kopka
"Ich war immer hübsch, und ich altere auch
sehr schön"
Warum Männer und Frauen nicht zusammen
passen oder doch
Wie vermutet, fanden sich etliche
Männerbücher in meinen Regalen: "Verständigungstexte
von Männern", Bücher, die ich nicht gekauft, sondern mit
nach Hause genommen hatte, nachdem sie auf Redaktionstische
geflattert waren. Bücher, die ich lesen wollte, aber nicht
lesen konnte, weil sich von der ersten Zeile an abzeichnete, dass
keine Erleuchtungen zu erwarten waren. Man sieht vor lauter Wald
den Baum nicht, oder: Wie man am Mann vorbeiredet, wenn man von
Männern spricht. "Wann ist ein Mann ein Mann?", sang Herbert
Grönemeyer - eine Frage, die ernst gemeint war, aber keiner
Antwort bedurfte.
Laut Volker Elis Pilgrim sind die
Eigenschaften, die dem Mann zugeordnet werden, diese: stark, hart,
strukturiert, konzentriert, willensbetont, planend, zielgerichtet,
selbstbewusst, exakt, scharf, fest, vernunftgesteuert,
folgerichtig, unnachgiebig, tat- und geiststrategisch, bestimmend,
aus sich selbst heraus handelnd, rücksichtslos. Einige Jahre
später leitete ein Amerikaner namens Loren E. Pedersen
folgende Merkmale der Männlichkeit ab: zäh, stark, viril,
unabhängig, realistisch, rational, gefühllos. Des
Weiteren zitiert er gesellschaftliche Gemeinplätze wie:
"Männer können ihre Gefühle nicht ausdrücken",
"Frauen können nicht denken", um bei dem Phänomen zu
landen, dass der Mann eine innere Weiblichkeit, eine Anima, und die
Frau einen männlichen Kern, den Animus, besitze, wobei die
Anima Seele bedeutet und Animus Geist. Diesen inneren Kern mag man
leugnen, unterdrücken oder pflegen, er bereichert oder
schattiert die Persönlichkeit; so mischt sich alles auf
schillernde Weise, aber letzten Endes enttäuschen die
Verallge-meinerungen, und es zählt nur die Empirie.
In Hanley's Hairshop in den Hackeschen
Höfen in Berlin Mitte gibt es keinen Damen- und Herrensalon,
alles ist eins. Es gibt die Friseurin Deborah und ihren Kompagnon
Thomas, der durch seine originellen, meist bunten Beinkleider
auffällt, die man ruhig mal loben darf. Nicht ständig
diese Levi's. Neulich sagte er: "Ich war immer hübsch, und ich
altere auch sehr schön." Neben mir saß eine Frau, die im
selben Haus wie die Friseurin wohnt und langatmig davon berichtete,
dass sie ihren Balkon mit Holzfliesen ausgelegt habe. "Wie breit
sind denn unsere Balkons?", fragte Deborah. Die Kundin unter der
Haube sagte: "Mehr als ein Meter und weniger als 1,20. Man muss
etwas absägen von den Fliesen." Ich sagte in gebotener
Sachlichkeit: "Frauen können nicht messen." Obwohl nicht viele
Personen im Salon weilten, entstand ein Volksgemurmel, dessen
Unterton eindeutig drohend war. Ich meinte, das Wort "Macho"
vernommen zu haben, und fragte mich, ob ich einer Einkerkerung noch
entgehen könnte. Alles wegen eines Missverständnisses.
Denn dass Frauen nicht messen können, zeigt nur, dass sie eine
großzügige Grundtendenz in ihrem Charakter aufzuweisen
haben und der Pedanterie abhold sind. Sie müssen auch nicht
messen können, was daran liegt, dass es doch Männer gibt,
die schon mit einem Bandmaß zur Welt gekommen sind. Deshalb
fügte ich hinzu: "Doch, sie können schon messen! Nur die
Ergebnisse stimmen nicht." Daraufhin hatte man das Interesse an
meiner Person, selbst an meiner Einkerkerung, verloren.
Wenige Monate später widerfuhr mir an
gleicher Stelle ein lächerliches Vorkommnis. Ich saß,
schon mit nassen Haaren, auf dem Friseurstuhl, als ich im Spiegel
meinen Freund Eugen den Salon betreten und sich nähern sah. Es
ging alles sehr schnell. Eugen legte die Hand auf meine Schulter,
beugte sich über mich und zwitscherte: "Richtig, Schatz! Lass
dich schön machen für mich, paar Löckchen und so.
Ich warte im Café Cinema auf dich." "Das war mein Freund
Eugen", erklärte ich (der Macho) lasch, "seine Frau ist heute
nach Amerika geflogen, deshalb wollen wir einen saufen, aber wie
ich höre und rieche, hat er schon ohne mich angefangen." Nun
gelte ich wohl in Hanley's Hairshop als Tiger, der als Bettvorleger
gelandet ist. Wer weiß, wozu das gut sein kann. Im
Zusammenhang mit solchen Ereignissen habe ich den Eindruck
gewonnen, dass das Schimpfwort "Macho" weniger sticht (und immer
noch einen Kern Anerkennung birgt) als die Ausdrücke "Softie",
"Weichei" oder gar "Frauenversteher". Den tradierten Rollenbildern
sind eben die Frauen genau so verfallen wie die Männer und
manchmal geben sie das auch zu. Wer wird nicht einen sanften Mann
loben? Doch wird ihn jeder lieben? Nein.
Eben dieser Eugen, der in jüngeren
Jahren in der Lage war, mit einem einzigen Armzug den ganzen Tisch
leer zu fegen, wenn etwa seine Frau eine Flasche Schnaps zu
späterem Verzehr versteckt hatte, ist wie auch Hemingway der
Meinung, dass Frauen streng sein müssen. "Mary war streng,
aber gütig. Lass dir nichts erzählen. Strenge Frauen sind
die einzigen, die zählen", sagte Hemingway. Allein gelassene
Männer sind ein mindestens ebenso großes
Sicherheitsrisiko wie allein gelassene Kinder. Es sei denn, man hat
ihnen eine überschaubare Aufgabe übertragen. "Frauen
müssen streng sein", sagt Eugen, "sonst gehen wir unter."
Männer allein neigen zur Verwahrlosung. "Verwahrlosung ist ein
innerer Zustand, der allein lebende Männer mittleren Alters
trifft, nicht Frauen", schreibt E. L. Doctorow. "Allein lebende
Frauen mittleren Alters werden lebhaft und bleiben geschäftig.
Sie bleiben sauber und ordentlich und ändern von Zeit zu Zeit
ihre Frisur." Nichts wäre lächerlicher als ein Mann in
mittleren Jahren mit häufig wechselnder Frisur. Außerdem
haben verwahrloste Männer eine gute Chance, von Frauen
gerettet zu werden, während verwahrloste Frauen wohl kaum
Objekte von männlichem Heroismus werden. Andererseits kann
sich jeder Mann, auch jeder homosexuelle Mann, vorstellen, sich
für eine schlaflose Marilyn Monroe zu opfern.
Versuchen wir, Männer anders zu
beschreiben als durch Wörter wie "stark" oder "rational".
Männer sind Wesen, die keine Ahnung von Frauen haben. Oder?
Männer sind Wesen, die in der Küche stehen, sich die
Hände reiben und damit Frauen zur Weißglut treiben. Oder
nicht? Männer sind Wesen, die schlurfen und schlürfen,
ich weiß auch, was Frauen mehr aufregt, beides, immer das, was
gerade praktiziert wird. Männer verspüren wenig Neigung,
sich selbst zu erforschen, sind aber begnadete Hypochonder. Gerade
in Krisensituationen sind Männer von erhebli-cher Bedeutung
für Frauen, selbst wenn sie schlafen oder ihre
Fingernägel betrachten. Denn es ist dieses männliche
Talent zur Apathie in angespannten Lagen, das schließlich auch
den Frauen Ruhe einflößt. Nicht weniger pragmatisch ist
der männliche Hang zu Nebensachen. Wenn die großen Dinge
misslingen, kann sich der Mann voller Hingabe in das aktuelle
Bundesliga-Tabellenbild vertiefen; einer Frau ist das nicht
gegeben. Frauen begehren übrigens nur Männer, die sie
einer anderen Frau wegnehmen können, keine Singles. Sie sehen
sich einerseits als Teil einer weltumspannenden schwesterlichen
Frauenbewegung, andererseits wollen sie über Männer, also
im verdeckten Kampf, immer auch Geschlechtsgenossinnen besiegen, um
scheinheilig zu fragen: "Kann ich was dafür, wenn er sich in
mich verliebt? Ich weiß ja auch nicht, was ich an mir habe,
das Männer so anzieht. Ich finde dich viel hübscher." Und
sie wollen einen beziehungstechnisch ausgebildeten Mann. Sie
möchten nicht noch mal von vorn anfangen. Der Mann muss schon
eine abgeschlossene Geschlechtsausbildung haben, sonst wird es zu
mühsam.
Moderne Frauen trinken täglich ein
enormes Quan-tum Wasser, bewegen sich mehr mit den Ellenbogen als
mit den Beinen fort und lernen andere Frauen durch die Vermittlung
ihrer Hunde kennen. Vom
Powerwalking zur Powerfrau ist es nur ein
Schritt. Zu Terminen kommen Frauen zu spät, weil sie von der
Annahme ausgehen, dass Pünktlichkeit unweiblich sei. Frauen
verübeln Männern, dass es denen erlaubt ist, jeden Tag
dieselbe Hose und dasselbe Jackett zu tragen, während sie sich
jeden Morgen voller Fragen und Zweifel vor dem Kleiderschrank
aufhalten müssen.
In einem Gespräch, das André
Müller mit Loriot führte, findet sich folgende
bemerkenswerte Passage: "Ein häufig wiederkehrendes Thema in
Ihrer Arbeit ist der zur Groteske gesteigerte, meist katastrophal
endende Ehestreit." "Ja, ich bin der Meinung, dass Mann und Frau
nicht zusammen passen." "Warum nicht?" "Das habe ich noch nicht
herausgefunden." "Sind Frauen sanftmütiger?" "Das ganz
bestimmt nicht. Ich bin überzeugt, dass die Frauen, wenn ihre
Jahrtausende alte Benachteiligung gegenüber dem Mann erst
einmal überwunden ist, all die schlechten Eigenschaften, die
man heute den Männern zuschreibt, genauso entwickeln" (Die
Zeit, 7. 2. 1992).
Im Krieg zwischen Mann und Frau, Verzeihung,
Frau und Mann, geht es in der Regel um kleine Dinge wie das zu
hartgekochte Frühstücksei, die jedoch für
große, mit Vorliebe ausgesparte Probleme wie Penis- und
Gebärneid stehen, oder gar darum, dass Frauen auf Dauer nicht
damit leben wollen, dass Männer sich nicht öffnen
können. Wie oft musste ich das in meinem Leben vernehmen. Du
kannst dich nicht öffnen. Ja, sollte man antworten, wär
schön, wenn du dich auch nicht öffnen könntest.
Andererseits lässt sich nicht leugnen, dass Männer und
Frauen stellenweise sehr gut zusammen passen. Es ist auch zu
fragen, was denn von lebenden Subjekten auf Dauer überhaupt
zusammen passe und sich nicht auf die Nerven gehe. Was hat sich
Loriot bei seiner Bemerkung gedacht, ein Mann, der seit langem gut
verheiratet zu sein scheint? Soll man seinen Satz als
Arbeitshypothese auffassen, eine Quelle, aus der Humor und Satire
sprudeln? Nicht auszuschließen. Offenbar stecken Frauen
hüfthoch in dem Wahn, dass man alles aussprechen und
ausdiskutieren könne; insofern sind sie wie die Marxisten
historische Optimisten. Wenn aber die Kommunikation nicht zum Ziel
führt oder gar überhaupt nicht stattfindet, dann liegt
das am Mann, der ein historischer Pessimist ist, denn er bemerkt
sensibler als die Frau, deren Optimismus blind macht (oder taub),
wenn Gespräche anfangen, sich im Kreis zu drehen. Männer,
darf ich sagen, wissen um die begrenzte Nützlichkeit von
Gesprächen, fürchten das Zerstörerische von Dialogen
etwa im sexuellen Bereich. (Doch kaum war ihm das Wort entfahren,
möchte er's im Busen gern bewahren.) Also nichts von wegen
"benannt - gebannt". Auf die immer gleichen Insists folgen die
immer gleichen Blockaden. Warum vertrauen, wenn Beziehungen in die
Jahre kommen, so wenige Frauen auf nonverbale Kommunikation? Bei
bestimmten The-men geht es Männern und Frauen im Dialog so wie
Trinkern und Nichttrinkern: Sie sprechen einfach nicht über
dieselbe Sache.
Ich weiß von saturierten
Charlottenburg-Friedenauer Kreisen, in denen behauptet wird, dass
Männer stinken. Ein Totschlagargument. Real richtet es sich
gegen den Umstand, dass Männer kein Parfüm verwenden.
Darüber müssen wir hier auch noch sprechen. Wer auf
Waldwegen joggt und dabei Damen begegnet, hat längst
gespürt, welcher unnatürliche, unheilvolle Geruch diese
umgibt; es gibt billige, teure und sündhaft teure
Parfüms, wirklich gute gibt es nicht und kann es nicht geben.
Wann werden Frauen das einsehen, wann werden sie ihrem Körper
und ihrem Stoffwechsel trauen? Aus einer Familie im Bekanntenkreis
höre ich, dass die Frau und Mutter ihren Söhnen
verbietet, im Stehen zu pinkeln. Wie sollen sie's denn sonst
machen, frage ich verständnislos, im Liegen? Nein, im Sitzen,
antwortet der Mann finster, und ich ahne, dass ihn dieses Verdikt
ebenfalls trifft. Im Stehen pinkeln zu können, das ist
vielleicht das letzte Privileg, das uns verblieben ist, sagt der
oben erwähnte Eugen, das dürfen wir nicht hergeben. Was
für ein Vorzug, sich nicht auf jede besudelte Brille mit dem
nackten Hintern setzen zu müssen, natürlich erregt so was
Neid und Missgunst.
So ist es zwischen Männern und Frauen.
Manches sieht auf den ersten Blick ungerecht aus. Männer haben
zum Beispiel bessere, nämlich natürliche
Möglichkeiten, ihre Figur zu verbessern. Sport macht
männliche Körper ansehnlicher, aber weibliche Leiber
männlicher. Das heißt ja aber wohl nur, dass der
weibliche Körper das geheimnisvollere Gut, die kompliziertere
Kreation ist, der von Menschenhand nicht beizukommen ist. In seiner
Erzählung "Auf der Farm" schreibt John Updike: "Meine Frau ist
weit, weithüftig großflächig, und, von oben
betrachtet, vermittelt sie den Eindruck eines Terrains, eines
Gutes, dessen Besitz in meinem eigenen Leib ein süßes
Dehnen bewirkt; wenn man in sie eintritt, bietet sie eine
Mannigfaltigkeit von Landschaften dar." Um alles Weiblichkeit
Vernichtende mache ich einen großen Bogen, um Gewichtheben,
Boxen, Ringen, Hammerwerfen, ich sehe mir das im Fernsehen nicht
an, Männerboxen schon. Boxer sind, wie man weiß,
äußerst gefühlvoll, haben nah am Wasser gebaut. So
nah sind sich die Geschlechter, und so fern. Wir müssen nicht
alles können, was die anderen können. Ein Rest Fremdheit
bleibt zwischen Frauen und Männern, und was ist schlecht
daran?
Männer sind, zum guten Schluss, nur
Projektions-flächen. Es zählt nicht, wie sie
charakterlich beschaffen sind, es zählt nur, was Frauen in sie
hineinphantasieren können. Damit müssen wir leben, damit
haben wir manchmal Glück und manchmal nicht. Vielleicht ist es
umgekehrt nicht anders. Welcher Mann weiß schon, was wirklich
in seinem Kopf vorgeht und warum. Du bist wie 'ne Frau, sagt Eugen,
Frauen müssen auch immer das letzte Wort haben.
Ja. Nein. Das letzte Wort und das
vorletzte.
Fritz-Jochen Kopka ist Schriftsteller in
Berlin
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