Andreas Elter
Eine Lobby für Männer nötig
Gleiches Recht:
Männerbeauftragte
Als Thomas Schröder sich 1998 bei der Gemeinde Drochtersen
für den Posten des Männerbeauftragten bewarb, hielt das
die Verwaltung zunächst für einen Scherz. In der Presse
sorgte Schröder mit seiner Bewerbung zwar für einige
Schlagzeilen und wurde zum regionalen Medienstar -
Männerbeauftragter wurde er nicht.
In Deutschland gibt es das Bundesministerium für Familie,
Frauen, Kinder und Senioren. Die Bevölkerungsgruppe
Männer fehlt in diesem Titel. Nun könnte man annehmen,
dass Männer zum Bereich Familie gezählt werden (was dann
wiederum die allein stehenden Männer nicht
berücksichtigen würde) und dass sie vielleicht keinen
eigenen Bereich in diesem Ministerium bräuchten. Aber das
würde auch für Frauen gelten, diese
Bevölkerungsgruppe ist explizit im Titel erwähnt.
Offensichtlich hält die Politik eine eigene Politik für
Männer nicht für notwendig. Zur Entlastung des
Ministeriums muss erwähnt werden, dass es den Posten der
Gleichstellungsbeauftragten gibt.
Dieser Begriff legt nahe, dass es auf das Geschlecht gar nicht
mehr ankommt und dass sich Männer hier genauso zu Hause
fühlen könnten wie Frauen. Kön-nen sie aber nicht.
Denn das Bundesgleichstellungsdurchsetzungsgesetz legt fest, dass
nur Frauen diesen Posten innehaben dürfen und dass die
Gleichstellungsbeauftragte nur von Frauen gewählt werden kann.
Ein weiteres Beispiel für die bestehenden Unterschiede bei der
staatlichen Behandlung von Frauen und Männern ist das Thema
Gesundheit. Während die Bundesregierung jährlich einen
Frauengesundheitsbericht vorlegt, gibt es kein entsprechendes
Äquivalent für Männer. Und das obwohl Männer,
glaubt man den Statistiken, siebenmal häufiger an AIDS oder
dreimal häufiger an Herz- und Kreislauferkrankungen sterben.
Doppelt so häufig wie Frauen kommen sie durch Selbstmord ums
Leben. Diese Zahlen genauer zu untersuchen und die Gründe
dafür zu erforschen, um dann sinnvolle
Präventionsmaßnahmen daraus zu entwickeln, stellt aus
staatlicher Sicht offenbar kein lohnendes Ziel dar.
Zahlreiche Männerforen, die sich unter dem Dach der Kirchen
oder privat organisiert haben, beklagen, dass der Staat sie bei
ihren Anliegen im Stich lässt. Für den anderen Teil der
männlichen Bevölkerung, stellt sich dieses Problem erst
gar nicht. Denn nach wie vor haben Männer ein Problem damit,
ein Problem zu haben - sprich, es zuzugeben. Otto-Normal-Mann sieht
nach wie vor keine Notwendigkeit für einen
Männerbeauftragten. Darauf weist der Soziologe Walter
Hollstein von der Universität Bremen hin. Die tradierten
Rollenmuster sorgen dafür, dass Männer gerade in
Krisensituationen ein Image der Stärke aufzubauen suchen.
Fremde Hilfe anzunehmen, auch von einer offiziellen
Beratungsstelle, gilt vielen als Schwäche.
Hollstein fordert, dass sich die Politik der Probleme von
Männern und Frauen gleichermaßen annehmen müsse, um
eine aktive und sinnvolle Familienpolitik zu betreiben. In diesem
Zusammenhang weist er auch auf Positivbeispiele aus dem Ausland
hin. So leistet sich Österreich im Ministerium für
soziale Sicherheit eine "Männerpolitische Grundsatzabteilung".
Dort wird bei Männerforschung Basisarbeit geleistet;
Männer werden durch Workshops und die Vermittlung zu NGOs
ermutigt, sich ihrer spezifischen Probleme bewusst zu werden und
sich zu ihnen zu bekennen. In anderen europäischen
Ländern wie Finnland oder Schweden, gibt es staatlich
finanzierte Väterkurse.
Brauchen wir also auch in Deutschland Männerbeauftragte? Ob
bei einer Volksbefragung zu diesem Thema klare Mehrheiten zustande
kämen, darf bezweifelt werden. Das kann aber für die
Politik nicht das entscheidende Kriterium sein. Schließlich
spielten bei der Einführung von Stellen für weibliche
Gleichstellungsbeauftragte Mehrheitsentscheidungen zu Recht auch
keine Rolle. Bedarf für die Arbeit von Männerbeauftragten
ergäbe sich genug. So gibt es immer noch wesentlich mehr
Frauen als Männer, die bei ihrem Arbeitgeber Elternzeit und
längere unbezahlte Auszeiten beantragen, um sich besser um die
Familie kümmern zu können. Nach wie vor sind spezielle
staatliche Angebote für Männer im Scheidungsfall
Mangelware. Viele Gerichte sprechen nach der Trennung automatisch
das Sorgerecht der Mutter zu. Beim Besuchsrecht gibt es zwar
leichte Verbesserungen. Häufig haben Männer aber vor dem
Familienrichter immer noch die schlechteren Karten. Ein weiteres
Beispiel für die Notwendigkeit einer spezifischen Männer-
beziehungsweise Jungenpolitik ist der Bereich Bildung und
Erziehung. Der überwiegende Teil der Schulabbrecher,
Schulschwänzer oder Frühkriminellen ist männlichen
Geschlechts.
Hier müsste staatliche männerpolitische Arbeit
einsetzen und sich mit speziellen Angeboten an diese Zielgruppe
wenden. Gerade weil Männer oder gerade Jungen in der
Pubertät wesentlich größere Schwellen-ängste
haben, sich beraten zu lassen. Gewiss kann der Staat keine
gesellschaftlichen Veränderungen oktroyieren. Aber er kann
einen gesellschaftlichen Denk- und Umwandlungsprozess
anstoßen. Dafür ist die Frauenpolitik das beste Beispiel.
Auch wenn es in diesem Bereich nach wie vor Defizite gibt, kann
dies kein Argument dafür sein, Männerpolitik nicht zu
institutionalisieren. Unter Umständen stellt sich dabei
heraus, dass sich beide Politikbereiche ergänzen, dass der
eine dem anderen positive Anstöße verleihen kann.
Denn wenn Männer wie Thomas Schröder eine ei-gene
staatliche Männerpolitik fordern und sich an dieser aktiv
beteiligen wollen, sehen sie dies keineswegs als Kampfansage gegen
Frauen. Oder, wie es die Männerpolitische Grundsatzabteilung
im Ministerium für Soziale Sicherheit in unserem Nachbarland
Österreich formuliert: "Die Männerpolitik (..) soll ein
Auge auf das Ganze der Geschlechterpolitik werfen. (...) Die so
entstandene zweite Säule verstärkt den
geschlechterpolitischen Entwicklungsprozess."
Das wäre doch auch eine Vision. Und vielleicht würde
Thomas Schröder dann tatsächlich noch
Männerbeauftragter seiner Gemeinde.
Dr. Andreas Elter arbeitet als Journalist in Köln.
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