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Esther Kogelboom
Wer nicht schweigen kann, kann auch nicht
reden
Eine Frau über Kommunikationsstrategien
gegenüber Männern
Eine Frau, die Männer verstehen will, muss schweigen
lernen. Männer kommunizieren durch Schweigen. Zum Beispiel
beim Fußball. "Das stimmt nicht", werden Sie einwenden,
"Männer jubeln beim Fußball, sie fachsimpeln, sie
kommentieren das Spiel." Stimmt alles. Und doch: Wenn es wirklich
spannend wird, sagen sie kein Wort. Ich habe ein bisschen
Tischfußball spielen gelernt, Teile der Europa-meisterschaft
in Portugal vor dem Fernseher verfolgt und eine Eintrittskarte
fürs Berliner Olympiastadion gekauft. Jetzt habe ich Hornhaut
an beiden Zeigefingern, Mitleid mit David Beckham und Wayne Rooney,
einen unkombinierbaren blau-weißen Hertha-Schal - und die
Erkenntnis: Männer, die ins Telefon schweigen, mit dem besten
Freund stumm an der Bar sitzen oder "11 Freunde" lesen, wenn sie
eigentlich mit uns sprechen sollen, sind sich keiner Schuld
bewusst. Sie empfinden Stille als größtmöglichen
Ausdruck einer Art universeller Harmonie. "Ein keifendes Weib am
Treppengeländer ist mehr, als ein Mann ertragen kann", schrieb
einmal der große Charles Bukowski. Das beweist: Bukowski muss
ziemlich hysterisch gewesen sein. Wahrscheinlich wollte sie nur
wissen, wie sein Tag war.
Dass Frauen wortkarge Männer angeblich heimlich toll
finden, dieses Gerücht ist weit verbreitet. Frauen mögen
aber auch keine Kommunikationsgranaten, Frauen wollen einfach nur
ganz normal reden. Wir wollen, dass sich Männer die Dinge
merken, von denen wir ihnen erzählen. Und eine
Transferleistung vollbringen, das heißt: unsere Fakten
später in einen neuen Kontext einordnen. Das hat etwas damit
zu tun, sich ein wenig respektiert zu fühlen.
Es gibt Untersuchungen, bei denen herauskam, dass Paare, die
schon lange zusammen sind, sich am Tag weniger als zehn Minuten
unterhalten. Sie führen im Prinzip eine automatische Ehe. Eine
Ehe im Zeitalter der SMS-Vorlagen. Ich habe neulich ein neues
Mobiltelefon gekauft, ein "Sony Ericsson"-Fotomodell. Ganz oben auf
der Vorlagen-Liste steht, fix und fertig zum absenden: "Ich liebe
Dich. Wir sehen uns später."
Viel ist über diese und andere Kommunikationsprobleme
geschrieben worden. Die Linguistin Deborah Tannen zählt zu den
Königinnen dieser Disziplin. Ihr Buch "You just don't
understand" wurde auf der ganzen Welt millionenfach verkauft.
Millionen Frauen erinnern sich an folgendes Fallbeispiel: Ein Mann
und eine Frau sitzen im Auto und sind auf dem Weg nach Hause. Sie
fragt: "Hast du Lust, noch etwas zu trinken?" Ihr Mann antwortet:
"Nein, danke, ich habe keinen Durst." Schließlich fangen die
beiden einen Streit an. Natürlich konnte der Mann nicht ahnen,
dass "etwas trinken gehen" nichts anderes war als ein Synonym
für: "Ich habe keine Lust, schon wieder den Abend auf dem Sofa
zu verbringen. Stattdessen würde ich gerne mit dir bei einem
Glas Weißweinschorle den alltäglichen Kram besprechen.
Ich finde sowieso, dass wir viel zu wenig miteinander reden."
Jede berufstätige Frau hat schon einmal gehört, dass
Männer, die wichtige Positionen bekleiden, spät abends
vor knisternden Kaminen verdeckte Vorstellungsgespräche
ausschweigen und immer den einstellen oder zumindest fördern,
der zufällig neben ihnen sitzt. Wegen dieser Geschichten
gründeten sich im Berlin der 90er-Jahre so genannte
Frauennetzwerke. Die Initiatorinnen sagten sich: "Wenn sich die
Männer im Schein des Kaminfeuers die guten Jobs zuschachern,
sind wir längst zuhause, erzählen Gute-Nacht-Geschichten
und hören danach ganz leise Van Morrison." Sie beschlossen, es
den Männern gleich zu tun und trafen sich in den Restaurants
des Regierungsviertels - zum "Lunch". Es gab viel zu bereden und
kein Bier. Genutzt haben diese Treffen offenbar wenig: Noch immer
wundern sich manche darüber, dass die wichtigsten
Polittalkshows des Landes von Frauen geleitet werden. Dabei ist die
Erkenntnis, dass es nur mit den Männern geht, extrem
postfeministisch. Angela Merkel weiß wahrscheinlich, dass sie
mit einem Maßkrug in der Hand seltsam aussieht. Aber sie
lässt sich tapfer mit dem Bier fotografieren, während die
Agenturen melden, dass in Edmund Stoibers Maßkrügen, die
er auf dem Münchner Oktoberfest stemmte, nichts als reiner
Kamillentee war.
Der "Tagesspiegel am Sonntag" hat vor kurzem die Chefredakteure
von Männermagazinen zum Thema Männerdomänen befragt.
Heraus kamen wunderbare und sicher nicht repräsentative
Zeugnisse männlicher Verzweiflung. Der Chefredakteur eines
bekannten Angelmagazins äußerte sich wie folgt: "Angeln
bleibt männlich, zu männlich. Denn das Herrliche an einer
Männerdomäne sind doch die flankierenden Frauen. Aber wo
sind sie, die Angelluder am Gewässerrand, die uns zujubeln,
wenn wir den Hecht mit dem Kiemengriff landen? Die Verehrerin, der
wir das Fangfoto von unserem schwersten Barsch signieren sollen?
Oder wenigstens die Ehefrau, die uns mit den Worten empfängt:
Den hast Du ganz allein gefangen?" Und der Chefredakteur des
größten deutschen Jagdmagazins erklärt den
Männerüberschuss im Jagdbusiness mit den Worten: "Man
kann sich einfach anders geben. Viele fühlen sich in gewisser
Weise befreit, ein paar Stunden unter gleich gesinnten
Geschlechtsgenossen zu verbringen. Sprachlich und auch sonst geht
es dann einfach ein wenig lockerer zu."
Die Sehnsucht nach Anerkennung und Geborgenheit, die aus den
kurzen Textausschnitten spricht, offenbart eine fast
anrührende Schwäche. Eine Schwäche, die viele Frauen
vor lauter Theoriebildung und Networking nicht mehr erkennen. Mehr
noch: Sie haben verlernt, sie zu deuten, sie nutzbar zu machen.
Schweigen lernen, also. Weil es das perfekte, geradezu
subversive Mittel ist für die Verständigung zwischen Mann
und Frau. Auch beim Tischfußball muss man schweigend fordern,
indem man schlicht 50 Cent auf den Tisch legt. Beim Spiel bekommt
man den nötigen Respekt nicht nur durch Tore, sondern auch
durch das knappe Loben der gegnerischen Mannschaft. Ein geschickt
platziertes "nicht schlecht" weist jeden Mann mehr als tausend Tore
in seine Grenzen. Verlieren tut nicht weh, gewinnen auch nicht. Die
deutschen Fußballfrauen sind Weltmeister.
Vielleicht ist das der Weg zu größerer Normalität
und einem entspannteren Umgang miteinander: schweigend fordern.
Esther Kogelboom arbeitet für den Berliner
"Tagesspiegel"
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