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Johannes Schillo
Experimentierort und Ideengeber
Außerschulische politische
Bildung
Außerschulische politische Bildung, so wie sie sich in der
Bundesrepublik seit den Zeiten der "Reeducation" entwickelt hat und
heute vor allem von einer bunt gemischten Trägerszene gegen
den Mainstream von Sparpolitik und Qualifizierungsdruck betrieben
wird, ist im internationalen Vergleich ein Sonderfall. Ja man
könnte sie, worauf Achim Schröder bei der jüngst
abgeschlossenen, vom Bundesjugendministerium in Auftrag gegebenen
Evaluation der politischen Jugendbildung hinwies, geradezu als
Exportmodell des hiesigen Bildungsstandorts betrachten.
Was diese Bildungsszene konkret - in Zahlen und Daten - leistet
oder leisten kann, ist freilich kontrovers. Dazu trägt auch
die unübersichtliche Struktur bei, in die die politische
Jugend- und Erwachsenenbildung durch unterschiedliche
Landesgesetzgebungen, überregionale Förderung
(hauptsächlich durch den Kinder- und Jugendplan des Bundes
sowie die Bundeszentrale für politische Bildung) und das
Engagement gesellschaftlicher Kräfte eingebunden ist. Hinzu
kommt, dass politische Bildung außerhalb der Schule an vielen
Orten und in verschiedensten Kontexten stattfindet - von
Jugendarbeit und Jugendverbänden über berufliche Bildung
bis zu Gedenkstätten, Museen und Universitäten.
Wirkungsforschung
Um dieses Feld zu vermessen, bedarf es besonderer Anstrengungen.
Darauf hat Klaus Ahlheim in seiner Studie über
Wirkungsforschung aufmerksam gemacht und zugleich die lange
Weiterbildungstradition herausgestellt, die auf dem Prinzip der
Teilnehmerorientierung basiert: Die Interessen und Erwartungen der
Adressaten werden aufgenommen, um subjektorientierte,
emanzipatorische Bildungsprozesse anzustoßen. Ahlheim setzt
auf pädagogisch reflektierte Auswertungsverfahren, wie sie
etwa die vom Bildungsministerium geförderte und bis Ende 2004
projektierte Evaluation der politischen Erwachsenenbildung
vorsieht; er hält Distanz zu direkten Anleihen bei Marketing
und Marktforschung.
Abgeschlossen ist seit Jahresende 2003 die Evaluation der durch
den Kinder- und Jugendplan geförderten politischen
Jugendbildung. Sie war vorgenommen worden, um Kriterien für
eine Umstrukturierung der Förderung aus dem Kinder- und
Jugendplan des Bundes zu gewinnen. Schröder und sein Team
haben, gestützt auf eine detaillierte empirische Erhebung,
Aufgabenkatalog und professionelles Profil der Jugendbildungsarbeit
untersucht. Interviews und Portraits von
Jugendbildungsreferentinnen und -referenten geben einen vertieften
Einblick in dieses Berufsfeld.
Die Autoren stellen die Vielfalt und Differenziertheit der
Trägerstruktur als einen Aktivposten für die Praxis
heraus und betonen, dass der Professionalisierungsprozess zu einem
breiten Kompetenz-Spektrum des Personals geführt hat. Auch
zeigen sie, dass und wie Jugendliche einen Zugang zur Politischen
Bildung finden können, obwohl sie sich zunächst gar nicht
für politische Dinge interessierten. Deutlich wird in der
Untersuchung, dass hier nicht nur unterrichtende Tätigkeit
gefragt ist, sondern auch Planung, Konzeptbildung,
Bildungsberatung, Marketing, Vernetzung und anderes. Alles diene
dem Ziel, "Mut zu machen und das Rückgrat zu stärken",
wie es eine der Autorinnen sagt.
Eine besondere Stärke dieses Bildungssektors bestehe darin,
dass er sich konsequent um Innovationen bemüht: "Die
außerschulische politische Bildung nimmt eine Vorreiterrolle
in der Entwicklung neuer Lernformen und Methoden ein. Die von der
Schule und anderen pädagogischen Bereichen teilweise
übernommenen partizipativen und projektorientierten Methoden
sind in der außerschulischen Bildungsarbeit zuvor erprobt,
ausgewertet und publiziert worden." Mit ihrer Offenheit und
Experimentierfreude habe die Jugendbildung gute Chancen, sich auf
dem "Bildungsmarkt" zu behaupten.
Karsten Rudolf hat in den vergangenen zwei Jahren umfangreiche
Marktstudien zur Situation und zu den Perspektiven
außerschulischer politischer Bildung vorgelegt. In der
Trägerlandschaft haben sie für erheblichen
Diskussionsstoff gesorgt. Dabei spielte vor allem das Votum
für eine eindeutige Markt- und Kundenorientierung, auf die
sich die Bildungseinrichtungen umzustellen hätten, eine
Rolle.
Zentraler Punkt der Marktforschung von Rudolf ist, wie er jetzt
mit seiner Ko-Autorin in einer zusammenfassenden Publikation
dargelegt hat, der empirisch ermittelte Tatbestand, dass es in der
deutschen Bevölkerung ein großes Teilnehmer-Potenzial von
knapp 50 Prozentz für Angebote der politischen Weiterbildung
gebe, das die Bildungseinrichtungen bisher jedoch nicht
ausschöpften. Hier bleibe noch viel zu tun - gerade auch in
Kooperation mit der Wirtschaft und ihren Bemühungen, die
Unternehmenskultur durch berufliche und politische
Weiterbildungsmaßnahmen voranzubringen.
Klaus Ahlheim
Vermessene Bildung?
Wirkungsforschung in der politischen Erwachsenenbildung.
Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts. 2003;
56 S., 8,60 Euro
Achim Schröder / Nadine Balzter /
Tommy Schroedter
Politische Jugendbildung auf dem Prüfstand.
Juventa Verlag, Weinheim 2004; 200 S., 14,50 Euro
Karsten Rudolf / Melanie Zeller-Rudolf
Politische Bildung - gefragte Dienstleisterin für
Bürger und Unternehmen.
W. Bertelsmann, Bielefeld 2004;
332 S., 24,50 Euro
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